Regierungsführung

Kenias Politik der Persönlichkeiten

Im politischen Spiel hat Afrikas Führungselite schon auf einige Karten gesetzt: die antiwestliche, die ethnische und die Arbeitsplatzkarte, wobei nur noch wenige Wähler an letztere glauben. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta hat sich bereits aller Karten bedient. Sein Beispiel zeigt, dass die politische Elite schwer zu kippen ist.
Ab jetzt sind wir Freunde: Kenyatta und Ruto auf einer Wahlkampfveranstaltung 2013. Curtis/picture-alliance/AP Photo Ab jetzt sind wir Freunde: Kenyatta und Ruto auf einer Wahlkampfveranstaltung 2013.

Mit 55 Jahren macht er noch Eindruck auf Kenias junge Bevölkerung. Er ist eloquent und wurde sein Leben lang darauf vorbereitet, in die Fußstapfen seines Vaters Jomo Kenyatta zu treten, der Kenias erster Präsident war. Seine Chancen auf eine Wiederwahl im August stehen gut. Das heißt jedoch nicht, dass in Kenia alles in Ordnung wäre.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beschreibt die Lage so: „Kenias Versuch, seine wachsende Sicherheitskrise zu bewältigen, ist von schweren Menschenrechtsverletzungen durch kenianische Sicherheitskräfte geprägt, darunter außergerichtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Folter. Selten untersucht oder verfolgt die Regierung Übergriffe durch Sicherheitskräfte. (…) Kenia hat versucht, die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien einzuschränken.“ Zudem lasse die Aufklärung der Straftaten bei den Unruhen nach den Wahlen 2007/08 zu wünschen übrig. Damals starben mindestens 1 100 Menschen, und 650 000 wurden vertrieben.

Kenyatta und sein Vizepräsident William Ruto waren in die Unruhen involviert, damals noch auf gegnerischen Seiten. Die beiden Politiker gehören unterschiedlichen ethnischen Gruppen an, und die Unruhen hatten eine starke ethnische Komponente.

Interessanterweise hat Kenyatta zweimal von den Unruhen profitiert. Unter seinem Vorgänger Mwai Kibaki wurde er 2007/08 Finanzminister. Später schmiedete er ein Bündnis mit Ruto und mobilisierte die Wählerschaft gegen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der sowohl gegen ihn als auch gegen Ruto wegen ihre Rolle bei den Unruhen ermittelte. Kenyatta und Ruto beschimpften den Gerichtshof als neokoloniales Instrument, von dem sich Kenia befreien müsse. Das Gericht musste die Anklage später aufgrund fehlender Beweise fallen lassen. Angeblich wurden Zeugen eingeschüchtert.

Nach den Unruhen wurde es für Kenias Politiker schwieriger, die ethnische Karte zu spielen. Es gab neue Gesetze gegen „Hassreden“, und eine neue Verfassung gab den Regierungen der verschiedenen Regionen Kenias mehr Macht. Die Wahlen 2013 verliefen friedlich.

Nichtsdestotrotz spielen Ethnizität, Klan und Familie nach wie vor eine Rolle in Kenia – egal, ob es um einen Arbeitsplatz oder ein politisches Amt geht. Noch immer glauben viele Menschen, dass nur ein Mitglied der eigenen Gruppe die Heimatregion entwickeln und die Menschen dort ernähren und unterstützen wird. Die ethnische Politik hat eine lange Tradition. Schon zu Kolonialzeiten wurde sie von den Briten nach dem Motto „teile und herrsche“ ausgenutzt.

Zudem ist Korruption in Kenia noch immer ein großes Problem. Ob es die veruntreuten Gelder des National Youth Service oder des Gesundheitsministeriums sind – man würde denken, dass der Präsident zumindest dafür Verantwortung übernimmt. Stattdessen distanziert er sich davon und versucht, das Land im Kampf gegen den Terror zu vereinigen. Dabei geraten somalische Flüchtlinge, ethnische Somalier und Kenias muslimische Bevölkerung leicht unter Generalverdacht.

Kenyatta ist jedoch nicht Kenias einziger „Thronanwärter“. Der ehemalige Premierminister Raila Odinga läuft sich ebenfalls warm. Sein Vater war der erste Vizepräsident Kenias. Und obwohl seine Wurzeln im politischen Aktivismus liegen, gehört er mittlerweile der politischen Elite an. Odinga trat 2007 gegen Kibaki und 2013 gegen Kenyatta an. Sowohl er als auch Kenyatta gehören heute zu Kenias reichsten Menschen.

Die Wahlen dieses Jahr wird Kenyatta vermutlich gewinnen. Die große Frage ist, was in fünf Jahren passiert. Dass er versucht, die verfassungsmäßigen zwei Amtszeiten zu verlängern, ist unwahrscheinlich – die Gefahr, dass das Land ins Chaos stürzt, wäre zu groß. Kenyatta ist noch jung und könnte Geschäftsmann oder politischer Berater werden. Im Falle seines Sieges in diesem Jahr hoffen also viele Kenianer darauf, dass er es nicht noch einmal versucht.


Sella Oneko ist freiberufliche Journalistin.
Twitter: @sellaoneko

 

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