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Südasiatische Streitkräfte

Wenn sie nicht aufeinander schießen, verstehen sie sich gut

Pakistan hat seit 1947 vier Kriege gegen Indien geführt und verloren – dreimal ging es um Kaschmir und einmal um die Unabhängigkeit Bangladeschs. Warum das pakistanische Militär trotz der Niederlagen innenpolitisch weiterhin starken Einfluss nimmt, erklärt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
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US-Präsident Donald Trump hat Anfang Januar angekündigt, Mittel für die Sicherheitszusammenarbeit mit Pakistan zu streichen, weil Islamabad ein Doppelspiel betreibe und Terroristen unterstütze. Ist das ein vernünftiger Schritt?
Der Tweet des US-Präsidenten ist ein Affront und eine schwere Belastung für das bilaterale Verhältnis. Der Vorwurf ist nicht neu, sondern prägt die amerikanisch-pakistanischen Beziehungen seit längerem. Es ist noch nicht klar, ob sich Trump damit von Pakistan abwenden oder nur den Druck auf die dortige Regierung erhöhen will, enger mit den USA zu kooperieren. Pakistan hat seinerseits angekündigt, es werde den USA keine Geheimdienstinformationen mehr weitergeben. Es kann zudem noch die Nachschubwege für US-Truppen in Afghanistan blockieren. Pakistan verfügt über enge Beziehungen zu China und konnte in der Vergangenheit immer wieder die beiden Großmächte gegeneinander ausspielen. Wenn aber die Konfrontation mit den USA zunimmt, verringert die wachsende Abhängigkeit von China auch den außenpolitischen Handlungsspielraum Pakistans.

Richtig ist aber, dass es in Pakistan einen tiefen Staat aus Militär und Geheimdiensten gibt, der islamistische Gruppen unterstützt?
Die große innenpolitische Bedeutung von Militär und Geheimdienst würde in Pakistan wohl niemand abstreiten. In welchem Maße aber das Militär immer noch die Islamisierung fördert, lässt sich nicht mehr so eindeutig sagen. Das Militär hat Pakistan seit der Unabhängigkeit 1947 jahrzehntelang regiert. Es ist ein Staat im Staat, der die Grenzen der Politik bestimmt. In dieser Kasernenhofdemokratie unterliegt das Militär keinem Primat der Politik und wird auch nicht vom Parlament kontrolliert. Sein Firmenimperium macht es zum größten Unternehmer des Landes. Es hat lange – besonders in den siebziger und achtziger Jahren unter dem Diktator Muhammad Zia-ul-Haq – die Islamisierung in Pakistan vorangetrieben. Andererseits haben die Streitkräfte im Kampf gegen die pakistanischen Taliban und andere aufständische Gruppen in den letzten Jahren weit mehr Verluste erlitten als die westlichen Truppen in Afghanistan. Auch das pakistanische Militär sieht heute den islamistischen Terrorismus im Land als größtes Problem.

Historisch haben die Streitkräfte von Pakistan, Indien und Bangladesch dieselben Wurzeln in der britischen Kolonialarmee. Einen Staat im Staat bildet das Militär aber nur in Pakistan. Was ist dort anders gelaufen?
Nach der Unabhängigkeit 1947 stellte in Indien die Kongresspartei unter Premierminister Jawaharlal Nehru eine starke Regierung. Die neue Verfassung trat bereits 1950 in Kraft. Nehru achtete stets darauf, dass der Verteidigungsminister ein Zivilist war, und setzte so das Primat der Politik gegenüber dem Militär durch. In Pakistan gab es hingegen keine starke Partei, und der Staatsgründer Mohammed Ali Jinnah starb bereits 1948. Die Parteien konnten sich nicht auf eine Verfassung verständigen. Die Vertretung der verschiedenen ethnischen Gruppen und die Frage nach der Rolle des Islam in Staat und Gesellschaft waren kontroverse Punkte. Das Militär nutzte die innenpolitischen Wirren und ergriff mit dem Putsch von General Muhammed Ayub Khan 1958 erstmals die Macht.

Unmittelbar nach der Unabhängigkeit und noch mal in den 1960er Jahren schlugen ­indische Truppen ihre pakistanischen Gegner. Dann machte ein blutiger Befreiungskrieg 1971 aus dem rund 2000 Kilometer entfernten Ostpakistan den neuen souveränen Staat Bangladesch. Warum hat die Macht des Militärs in Pakistan nicht darunter gelitten?
Pakistan war 1947 auf der Grundlage der gemeinsamen Religion, des Islam, gegründet worden. Doch die Idee der Gründerväter scheiterte an den ethnischen Spannungen zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Bengalen in Ostpakistan und der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Elite in Westpakistan. Nach den ersten demokratischen Wahlen 1970 kam es zum Bürgerkrieg, der Ende 1971 zur Abspaltung Ostpakistans und der Gründung Bangladeschs führte. Aus westpakistanischer Perspektive war die Ursache für die Abspaltung von Ostpakistan, dass der Islam zu wenig betont worden war. Die neue pakistanische Regierung förderte deshalb nach 1972 den Islam. Allerdings gab es auch in Pakistan Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen, vor allem zwischen der Mehrheit der Punjabis und den Sindhis, Belutschen und Paschtunen. Nach dem Militärputsch 1977 forcierte General Zia-ul-Haq die Islamisierung des Landes. Durch die sowjetische Invasion in Afghanistan wurde Pakistan über Nacht zum Frontstaat für die amerikanische Außenpolitik. Die USA und die Golfstaaten unterstützten die Ausbildung der islamistischen Gruppen in Pakistan, die gegen die Rote Armee in Afghanistan kämpften.

In Bangladesch hat das Militär mehrmals geputscht, und Mohammed Hussain Ershad hielt sich sieben Jahre lang an der Macht. Dennoch spielen die Streitkräfte politisch längst nicht so eine wichtige Rolle wie in Pakistan. Woran liegt das?
In Pakistan ist es dem Militär immer wieder gelungen, eine der großen Parteien zu kooptieren, sodass es nie eine geschlossene zivile Opposition gab. Ershads Herrschaft ging dagegen zu Ende, als sich die beiden großen Parteien Bangladeschs gegen ihn verbündeten. Ihre gemeinsamen, wochenlangen Proteste 1990/91 brachten das Militärregime zu Fall. Zudem ist Bangladesch ein ethnisch sehr homogenes Land. Über 90 Prozent der Bevölkerung sprechen Bengali. Es gibt, von den Chittagong Hill Tracts abgesehen, nicht die Konflikte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen wie in Pakistan. Der Islam spielte für die Identität Bangladeschs zunächst eine geringe Rolle. So betonte die erste Verfassung den säkularen Charakter des Landes. Schließlich hatte Bangladesch deutlich bessere bilaterale Beziehungen zu Indien. Die indische Intervention verhalf den aufständischen Bengalen in Ostpakistan zum Sieg über Pakistan im Dezember 1971.

2014 hat Mohammed Humayun Kabir in E+Z/D+C (Januar-Ausgabe, S. 20) ausgeführt, dass die vielen Friedenseinsätze, an denen Truppen aus Bangladesch beteiligt sind, relevant sind. Er nannte dafür mehrere Gründe. Beispielsweise übernähmen die Soldaten bei solchen Einsätzen internationale Vorstellungen von guter Regierungsführung. Zudem böten Friedensmissionen Aussicht auf Geld und neue Karrierechancen, und die Generäle hätten kein Interesse daran, dass innenpolitische Verwicklungen solche Perspektiven durchkreuzten. Pakistanische Truppen nehmen zwar auch an Friedenseinsätzen teil, aber für das innenpolitische Kalkül des dortigen Militärs scheint das keine Rolle zu spielen.
Das ist richtig. Allerdings versteht sich das pakistanische Militär im Unterschied zu Bangladesch weiterhin als zentraler politischer Akteur. Deshalb bewirken die Anreize von Friedenmissionen keine erkennbare Verhaltensänderung. Es ist aber bemerkenswert, dass auch Indien Friedenstruppen stellt und dass Blauhelme aus Indien, Pakistan und Bangladesch bei gemeinsamen Einsätzen in der Regel gut miteinander kooperieren. Wenn sie nicht aufeinander schießen müssen, verstehen sie sich im Ausland sehr gut.


Christian Wagner ist Südasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik.
christian.wagner@swp-berlin.org