Soziale Ungleichheit
Fürsorgearbeit macht Frauen arm
Laut einer kürzlich erschienenen Studie der internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam besitzt die ärmere Hälfte der Menschheit weniger als ein Prozent des globalen Vermögens. An der Spitze der Vermögensverteilung stünden hingegen 2 153 Personen – überwiegend Männer –, denen mehr Vermögen gehöre als den unteren 60 Prozent der Weltbevölkerung zusammen. Dieses eklatante Missverhältnis sei auf ein ausbeuterisches Wirtschaftssystem zurückzuführen, in dem viele Menschen unentgeltlich schufteten, während ein paar wenige die Gewinne abschöpften.
Die Autoren zeigen auf, wie die ungleiche Verteilung von Pflege- und Fürsorgearbeit Ungleichheit schafft und weiter vertieft. Vor allem Frauen und Mädchen seien wirtschaftlich benachteiligt: Sie seien im Schnitt schlechter ausgebildet als Männer, verdienten weniger und lebten häufiger in Armut. Weltweit könnten 42 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter wegen Fürsorge- und Pflegeaufgaben keiner Erwerbsarbeit nachgehen.
Sie kochen, putzen, waschen, kaufen ein, erziehen Kinder und versorgen Kranke und Alte. In den ländlichen Gegenden des globalen Südens kommen häufig noch sehr zeitaufwendige Tätigkeiten wie das Sammeln von Brennholz und Wasserholen von weit entfernten Stellen dazu. Frauen und Mädchen leisten der Studie zufolge mehr als 12 Milliarden Stunden täglich an unbezahlter Arbeit in Familien, Haushalten und Gemeinschaften. Würde diese Arbeit entlohnt, entspräche dies einem ökonomischen Wert von jährlich knapp 11 Billionen Dollar – etwa dem Dreifachen des weltweiten Umsatzes im IT-Sektor.
Auch die Klimakrise, zu der die auf Wachstum ausgelegte Wirtschaft beitrage, verschärfe die soziale Ungleichheit. Oxfam schätzt, dass 2025 2,4 Milliarden Menschen in Gebieten ohne ausreichend Wasser leben werden, so dass Frauen und Mädchen zum Wasserholen immer weiter laufen müssen. Zunehmende Dürren und Überschwemmungen gefährdeten darüber hinaus die landwirtschaftliche Produktion und führten zu einer Zunahme von Krankheiten wie Malaria und Durchfall. Auch hier hätten wieder die Frauen die Hauptlast zu tragen, indem sie noch mehr Stunden in den Erhalt des Lebens und der Gesundheit ihrer Familien investieren müssten.
Um die Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) zu erreichen, brauche es eine am Menschen orientierte Wirtschaft, die wertschätzt, was für die Gesellschaft wirklich wichtig ist, schreiben die Autoren. Das soll durch folgende von Oxfam aufgestellte „4R“-Prinzipien erreicht werden:
- Reduzierung: Der Auf- und Ausbau öffentlicher Infrastruktur (sowohl der Pflege- und Fürsorgeinfrastruktur als auch der Wasser- und Stromversorgung) soll unbezahlte Pflege- und Fürsorgearbeit verringern.
- Repräsentation: Pflegende müssen mehr Gehör und Repräsentation in Politik und Wirtschaft bekommen, Frauenrechte und -organisationen müssen gestärkt werden.
- Umverteilung: Unbezahlte Tätigkeiten innerhalb von Haushalten müssen neu verteilt werden, unter anderem durch das Überdenken von Rollenbildern und flexiblere Arbeitszeiten.
- Anerkennung: Der Wert von Pflege- und Fürsorgearbeit muss aus dem Schatten ins Zentrum der Wirtschaft geholt werden – sowohl durch materielle Anerkennung als auch durch soziale Sicherungssysteme.
Für die Finanzierung notwendiger Investitionen schlägt Oxfam eine höhere Besteuerung von Konzernen und Menschen mit sehr großem Vermögen vor. Würde das reichste Prozent der Weltbevölkerung über die nächsten zehn Jahre nur 0,5 Prozent mehr Steuern zahlen, könnten demnach 117 Millionen Jobs im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich sowie in anderen Bereichen geschaffen werden.
Link
Oxfam, 2020: Im Schatten der Profite. Wie die systematische Abwertung von Hausarbeit, Pflege und Fürsorge Ungleichheit schafft und vertieft (Factsheet).
https://www.oxfam.de/system/files/2020_oxfam_ungleichheit_studie_deutsch_schatten-der-profite.pdf