Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Landrechte

Traditionelle Nutzer benachteiligt

Für einen Großteil der Weltbevölkerung ist Land die Grundlage der Existenz. Das gilt insbesondere in ländlichen Regionen mit subsistenzwirtschaftlichen Strukturen. Gleichzeitig ist die Ressource Land zunehmend gefährdet. Besonders kritisch sind die Folgen des Klimawandels wie Dürren, Desertifikation und Überschwemmung küstennaher Gebiete. Zudem verstärken das weltweite Bevölkerungswachstum, zunehmende Urbanisierung und veränderte Ernährungsgewohnheiten zusätzlich den Druck auf landwirtschaftliche Flächen.
Sichere Landrechte sind die Voraussetzung für Investitionen und produktive Bewirtschaftung: Tomatenanbau in Äthiopien. kd Sichere Landrechte sind die Voraussetzung für Investitionen und produktive Bewirtschaftung: Tomatenanbau in Äthiopien.

Drei von vier Hungernden weltweit leben in Entwicklungsländern als Kleinbauern, Viehzüchter und Arbeiter auf dem Land. Die Hauptlast der kleinbäuerlichen Arbeit liegt meist bei Frauen, die sich und ihre Familien mit dem selbst Erwirtschafteten ernähren. Würden Frauen in Entwicklungsländern dieselben Mittel für die Landwirtschaft erhalten wie Männer, könnte die Zahl der Hungernden weltweit um 100 bis 150 Millionen Menschen sinken.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich und erschreckend, dass weltweit weniger als 20 Prozent der Frauen über gesicherte Landbesitzrechte verfügen. 70 Prozent der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu formalen, das heißt dokumentierten und staatlich anerkannten Landregistrierungssystemen. Nur circa zehn Prozent der ländlichen Flächen in Afrika sind formal dokumentiert. Das ist eine gewaltige gesellschaftspolitische Herausforderung, denn damit sind wachsende Auseinandersetzungen und Konflikte absehbar.

Mehr als die Hälfte der gesamten Landfläche der Erde wird unter traditionellen Gewohnheitsrechtsystemen genutzt. Das bedeutet, dass rund 1,5 Milliarden Menschen auf und von Land leben, das ihnen formal nicht gehört, und daher fürchten müssen, von diesem Land vertrieben zu werden. Bei der weltweit zunehmenden Konkurrenz um die besten und fruchtbarsten Flächen haben meistens traditionelle Nutzer wie indigene Gruppen und kleinbäuerliche Familien das Nachsehen. Wachsende Konkurrenz, schwache institutionelle Strukturen und unklare (parallele) Rechtssysteme führen zu Intransparenz und Korruption im Landsektor.

Die Landzugangs- und Landnutzungsrechte in Entwicklungsländern sind nur unzureichend gesichert, was eine nachhaltige und produktive Ressourcennutzung und ländliche Entwicklung verhindert.


Land als Investitionsobjekt

Land hat als Investitionsobjekt seit dem letzten Nahrungsmittelpreisanstieg vor circa zehn Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Großflächige Landkäufe und -pachten finden oft in Entwicklungsländern statt, die von schwachen oder autoritären Regierungsstrukturen und Problemen wie Armut und Unterernährung gekennzeichnet sind. Bei großflächigen Landkäufen und -pachten handelt es sich aber um ein weitverbreitetes und schwer zu kategorisierendes Phänomen.

Investitionen in Land werden häufig in ländlichen Gebieten getätigt, die bisher nicht für die kommerzielle Landwirtschaft erschlossen, sondern kleinbäuerlich genutzt wurden. Aktuell sind in der interaktiven Online-Datenbank der Land-Matrix-Initiative (s. E+Z/D+C e-Paper 2016/12) weltweit gut 1 000 abgeschlossene Investitionsabkommen dokumentiert, davon 422 in Afrika mit einer Fläche von insgesamt rund 10 Millionen Hektar.

Damit nehmen der Flächenbedarf, die Nutzungskonkurrenz und das damit verbundene Konfliktpotenzial weiter zu. Die Ergebnisse des analytischen Berichts 2016 der Land-Matrix-Initiative zeigen, dass die Anzahl neuer Transaktionen und Flächen zwar stagniert, aber der Anteil der tatsächlich operativ genutzten Fläche stark zunimmt. Für 26,7 Millionen Hektar – etwa zwei Prozent des weltweit verfügbaren Ackerlands – sind Agrarinvestitionen dokumentiert, und auf 70 Prozent dieser Fläche haben produktive Aktivitäten begonnen.


Internationale Standards

Die deutsche Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass Landrechte sicher und die Investitionen im ländlichen Raum in den Partnerländern entwicklungsförderlich sind. Die im Jahr 2012 vom UN-Welternährungsausschuss verabschiedeten „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern im Rahmen der nationalen Ernährungssicherheit“ (VGGT) stellen einen großen Schritt in Richtung verantwortungsvolle Investitionen und Stärkung kleinbäuerlicher Landrechte dar. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung explizit das Ziel bekräftigt, die VGGT und deren Anwendung zu unterstützen.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt sich für Landzugangs- und Landnutzungsrechte benachteiligter Gruppen in Entwicklungsländern auf verschiedenen Ebenen ein: zum einen durch internationales Agenda Setting und Standardsetzung (zum Beispiel im Kontext von G7 und G20), zum anderen durch konkrete Fördermaßnahmen im Rahmen der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit.

Während der deutschen G7-Präsidentschaft haben sich die sieben Länder der Gruppe dazu verpflichtet, ihre Entwicklungsfinanzierung an den VGGT auszurichten. In der Folge hat das BMZ eine Studie beim Deutschen Institut für Menschenrechte in Auftrag gegeben, um bestehende internationale Standards der finanziellen Zusammenarbeit mit den VGGT zu vergleichen.

Die Studie wurde kürzlich fertiggestellt. Sie bestätigt zum einen, dass die auch für die deutschen Entwicklungsbanken KfW und DEG maßgeblichen Standards der Weltbankgruppe die Vorgaben der VGGT bereits weitgehend berücksichtigen. Sie weist aber auch darauf hin, wie Finanzinstitutionen die neuen hohen Ansprüche der VGGT durch weiterführende Standards und Sorgfaltspflichten abzudecken haben.

Gemeinsam mit der KfW hat das BMZ daraufhin erste Schritte unternommen, um das Risiko von Landrechtskonflikten so weit wie möglich zu minimieren. Denn es ist unbestritten, dass Investitionen in ländliche Entwicklung und Landwirtschaft in Entwicklungsländern notwendig sind. Diese gehen aber fast immer auch mit Landnutzungsänderungen einher. Umso wichtiger ist daher ein umsichtiger Umgang mit der Thematik.

Im Rahmen seiner diesjährigen G20-Präsidentschaft ist es Deutschland gelungen, für Transparenz und menschenrechtliche Sorgfalt bei Landinvestitionen zu werben. Zum Kreis der G20-Länder gehören mit China, Saudi-Arabien und Brasilien auch Länder, aus denen viele Investoren stammen, die im Agrarbereich in Entwicklungsländern stark aktiv sind.

Über Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (official development assistance – ODA) unterstützt das BMZ Partnerländer bei der Ausgestaltung und Umsetzung von verantwortungsvoller Landpolitik und gutem Landmanagement. Auch unsere deutsche Erfahrung und Expertise (zum Beispiel in Partnerschaft mit der Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt BVVG) bringen wir in die Kooperation mit ein.

Mit der Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger (SEWOH) fördert das BMZ zielgerichtet die Anwendung der VGGT in den Partnerländern. Das umfasst auch Vorhaben privater Träger, wie beispielweise ein Projekt von Transparency International, das darauf abzielt, Landkorruption zu bekämpfen und zur Sicherung der Landrechte in Afrika beizutragen.

Um den Zugang zu Land für die ländliche Bevölkerung fairer und sicherer zu gestalten, arbeitet das SEWOH-Globalvorhaben „Verantwortungsvolle Landpolitik“ mit politischen Partnern, Akteuren der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft auf verschiedenen Ebenen zusammen. So schafft es die Voraussetzung für die Titulierung und offizielle Anerkennung der Landnutzungs- und Landbesitzrechte von Kleinbauern, indigenen Völkern und Gemeinden in ausgewählten Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Gemeinsam mit der afrikanischen Land Policy Initiative und der Weltbank hat das BMZ ein Exzellenznetzwerk zu Land Governance in Afrika etabliert. Im Mittelpunkt stehen Qualifikation und Ausbildung von Fachkräften im Bereich Landmanagement und Land Governance sowie insgesamt die Stärkung der Beratungskapazitäten für Landpolitik in Afrika.

Sichere Landzugangs- und Landnutzungsrechte sind ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige ländliche Entwicklung. Nur wer sicher sein kann, dass ihm sein Land in Zukunft nicht genommen wird, der tätigt Investitionen und bewirtschaftet es produktiv und nachhaltig – und nur dann ist Entwicklung möglich.


Gunther Beger ist Abteilungsleiter für Grundsatzfragen Entwicklungszusammenarbeit; Zivilgesellschaft; Kirchen und Wirtschaft; ländliche Entwicklung im BMZ.
AL1@bmz.bund.de

 

Link

Land Matrix:
http://www.landmatrix.org