Förderung der Zivilgesellschaft
Demokratie erfahrbar machen
Viele Länder schränken demokratische Spielräume für zivilgesellschaftliches Handeln ein. Laut dem internationalen Netzwerk Civicus lebten 2016 sechs von sieben Menschen in Ländern, in denen Bürger, Aktivisten und Organisationen in ihren Menschenrechten beschnitten werden, vor allem in Bezug auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.
Kritische Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen werden in ihrer Arbeit behindert, verfolgt oder kriminalisiert. Neue Gesetzesinitiativen beschränken die Versammlungsfreiheit, und NGOs wird die internationale finanzielle Unterstützung untersagt. Zudem behindern zunehmend unverhältnismäßig komplizierte und undurchsichtige Verwaltungsprozesse oder willkürliche Verordnungen zivilgesellschaftliche Aktivitäten. Ein Ansatz, diesem Trend entgegenzuwirken, besteht in gezielter Lobbyarbeit bei deutschen und europäischen Institutionen. Andere Unterstützungsmaßnahmen zielen direkt auf das Umfeld von Armut und Ausgrenzung betroffener Menschen ab. Sie finden außerhalb der großen internationalen Bühne statt. Hier geht es darum, lokale Mitbestimmungsräume aufzubauen und Kompetenzen zivilgesellschaftlicher Akteure zu stärken, diese Räume zu nutzen.
Auch in Shrinking Spaces steht gemeinwohlorientierte Arbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen selten in der Kritik. Daher kann diese Art von Engagement auch von außen gefördert werden. Das kirchliche Hilfswerk Brot für die Welt und viele andere Organisationen unterstützen lokale Akteure etwa bei der Versorgung von Kranken, von Menschen mit Behinderungen und von alten Menschen sowie im Bildungsbereich in Kindergärten und Schulen.
Um wenigstens kleine Spielräume für Mitbestimmung zu nutzen – und diese nach Möglichkeit vorsichtig zu erweitern –, ist es sinnvoll, mit Selbsthilfegruppen auf der lokalen Ebene partizipative Praktiken einzuüben. In diesem Zusammenhang kommt der Kooperation mit Kirchen eine besondere Bedeutung zu. Denn diese haben durch ihre Gemeindearbeit ein weitverzweigtes Netz und graswurzelorientierte Strukturen, die man nutzen kann, um an der Basis zu wirken. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Menschen selbst in entlegenen Ecken und unter dem Radar der Regierung mit politisch sensiblen Themen vertraut zu machen (siehe auch Beitrag hierzu).
Über die Arbeit zu unstrittigen Themen zum Beispiel im Gesundheits- oder Bildungsbereich können sich Allianzen bilden. Diese stellen ein Übungsfeld für Netzwerkbildung und Selbstorganisation dar. So wird Demokratie im Alltag erfahrbar. Eher unpolitische zivilgesellschaftliche Arbeit trägt auch dazu bei, Vertrauen zur lokalen Bevölkerung aufzubauen, die unter restriktiven Bedingungen oft verunsichert ist. Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung, um über Mitbestimmungsrechte und -möglichkeiten zu informieren und das Rechtsverständnis zu erweitern.
Geraten zivilgesellschaftliche Organisationen unter Druck, sollte ihnen durch institutionelle Förderung beim „Überwintern“ geholfen werden. Hilfreich ist dann weiterhin Unterstützung von außen, die zulässt, sich in neuen Strukturen zu formieren, die Arbeit anders zu benennen oder Unterstützergruppen im Exil als stille Mittler zu ausländischen Förderern einzusetzen.
Um Diffamierungskampagnen entgegenzuwirken, benötigen unter Druck geratene zivilgesellschaftliche Gruppen aber vor allem Unterstützung bei der Organisationsentwicklung. Damit stärken sie ihre innere Verfasstheit. Das ist auch wichtig, weil Intransparenz und Missmanagement innerhalb von Organisationen Regierungen häufig als Vorwand dienen, diese zu schließen. Zivilgesellschaftliche Akteure, die Angemessenheit, Qualität und Verlässlichkeit ihrer Organisationsstrukturen und Managementsysteme gewährleisten und das auch nach außen kommunizieren, sind gegen Schmutzkampagnen gewappnet. Sie erfahren öffentliche Wertschätzung und Unterstützung. Das ist ihr wichtigster Schutz.
Meike Geppert ist Beraterin Förderung der Zivilgesellschaft bei Brot für die Welt.
meike.geppert@brot-fuer-die-welt.de