Ankerländer
„Produktive Vernetzung“
[ Interview mit Günther Taube, InWEnt-Bereichsleiter ]
Die Teilnehmer der MGG-Kurse – das Kürzel steht für „Managing Global Governance“ – sind leitende Beamte und Wissenschaftler. Stört es Sie nicht, dass Sie Mitglieder der Eliten aus armen Ländern fördern?
Nein, wir bilden Entscheidungsträger aus wichtigen Ländern weiter und führen Dialoge mit ihnen. Dies sind Menschen, die Verantwortung tragen und die Zukunft in ihren Ländern und in der Weltgesellschaft mitgestalten. Es sind Beamte und Beamtinnen aus Finanz-, Außen- und anderen Ministerien, aus Präsidialämtern, wichtigen Behörden und wissenschaftlichen Einrichtungen. Wir sensibilisieren sie für Themen wie zum Beispiel Umweltschutz, soziale Sicherung, internationale Wirtschafts- und Finanzbeziehungen und Armutsreduzierung. Darauf kommt es an, wenn für weltweite Probleme gemeinsame Lösungen gefunden werden sollen. Und dabei spielen die teilnehmenden Länder aufgrund ihrer Größe und wachsenden Bedeutung eine immer wichtigere Rolle. Ich bin sicher, dass unsere Arbeit nicht nur den Eliten, sondern auch der ganzen Bevölkerung ihrer Heimatländer zugutekommt.
Das zentrale Ziel der Entwicklungspolitik ist Armutsbekämpfung. Dazu tragen Ihre MGG-Kurse aber unmittelbar nicht bei.
Indirekt aber wahrscheinlich schon. Wir vermitteln unseren Partnern unsere Werte und lernen ihre Sicht der Dinge kennen. Diese Art von Austausch ist unverzichtbar, wenn wir eine faire Weltordnung und partizipative Global-Governance-Strukturen gestalten wollen. In der internationalen Kooperation werden viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen der MGG-Kurse auf lange Sicht wichtige Ansprechpartner für deutsche Institutionen sein.
Woher wissen Sie, dass diese Leute auf Dauer relevant bleiben?
Es sind Menschen mit sehr guten Karriereaussichten. Wir suchen sie zusammen mit den Partnerinstitutionen in den Herkunftsländern aus. Das heißt, wir halten die Teilnehmer für vielversprechend, und ihre Arbeitgeber tun das auch. Die ersten Erfahrungen zeigen übrigens, dass Teilnehmende, nachdem sie ihren Kurs in Deutschland absolviert haben, aufsteigen und mehr Verantwortung übernehmen. Um nur ein Beispiel aus dem ersten MGG-Kurs zu nennen: Im Anschluss wurde ein Teilnehmer sofort zum Berater für das mexikanische Außenministerium ernannt, um den Heiligendammprozess mitzugestalten.
Manche Ihrer Teilnehmer kommen aus autoritär regierten Staaten. Besteht nicht das Risiko, dass MMG-geschultes Personal beispielsweise das Regime in Peking stärkt?
Die Chance, langfristigen Wandel zu unterstützen, ist bestimmt viel größer. Chinesische Wissenschaftler und Ministerialbeamte, die sechs Monate lang in Deutschland leben und arbeiten, die hierzulande Kontakte in der Fachwelt knüpfen und pflegen, merken doch sehr schnell, dass wir Pluralismus, Presse- und Meinungsfreiheit nicht nur predigen, sondern tatsächlich leben. Sie erfahren hautnah, was Demokratie bedeutet. Wir wollen Partner von unseren Werten überzeugen, und dafür brauchen wir den Dialog, die Auseinandersetzung mit ihnen. Genau das tun wir in den MGG-Kursen.
Wie ist denn das Echo aus den Partnerinstitutionen?
Sie äußern sich sehr positiv. Besonders loben sie immer wieder zwei Dinge:
– erstens, dass wir die Inhalte partnerschaftlich mit ihnen abstimmen, so dass sie sich ernst genommen und nicht bevormundet fühlen, und
– zweitens, dass die Teilnehmenden die Denk- und Arbeitsweisen aus den anderen Partnerländern viel besser verstehen lernen. Wir tragen also auch zur Süd-Süd-Vernetzung bei, was ebenfalls als sehr nützlich empfunden wird, und zwar sowohl auf der individuellen Ebene wie auch zwischen Partnerorganisationen.
Gilt das auch für Deutschland? Indien und China sind doch beispielsweise Vorreiter einer Koalition von Schwellen- und Entwicklungsländern, die bei WTO-Verhandlungen den Industrieländern das Leben schwermacht.
Es gibt Interessenkonflikte, das ist ganz klar. Das wollen wir gar nicht verkleistern. Im Gegenteil: Wenn es international tragfähige Lösungen geben soll, müssen die Streitpunkte auf den Tisch. Dabei werden Konsens und Kompromiss natürlich umso wahrscheinlicher, je besser sich die Unterhändler gegenseitig verstehen. Es ist wichtig, nicht nur in den Kategorien des nationalstaatlichen Interesses zu denken, sondern globale Perspektiven zu entwickeln.
Bei multilateralen Verhandlungen kommt es letztlich dann aber doch wieder auf das nationalstaatliche Interesse an.
Aber nicht ausschließlich. Es wäre natürlich absurd zu glauben, solche Interessen spielten keine Rolle oder würden einfach so geopfert. Wenn aber nur entlang der Nationalinteressen gedacht wird, kann Global Governance nicht gelingen. Und in der Praxis ist das auch nicht der Fall. Gerade wir Europäer sind schon weit vorangekommen. Die Mitglieder der Europäischen Union betreiben keine eigene Handelspolitik mehr, diese Aufgabe haben sie an die Kommission abgetreten. Selbstverständlich bekommen die MGG-Teilnehmenden auch einen lebhaften Eindruck davon, wie die EU funktioniert. Die europäische Einigung ist eine Grundkonstante der deutschen Politik, und die EU hat in Sachen Wohlstandsentwicklung, Demokratie und Friedenssicherung weltweit beachtete Maßstäbe gesetzt.
Das MGG-Konzept reicht offensichtlich weit über engverstandene Entwicklungspolitik hinaus.
Das stimmt. Wir arbeiten im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), aber das Programm dient letztlich der ganzen Bundesregierung. Wir kooperieren auch mit anderen Ressorts. Das Auswärtige Amt gestaltet ein MGG-Kursmodul, und einige Teilnehmende absolvieren Praktika im Finanz- oder Umweltministerium. Aus diesen Häusern ist das Echo übrigens auch positiv: Die Kolleginnen und Kollegen dort freuen sich über die anregende und produktive Vernetzung, die sie früher nicht in dem Maße kannten.
Die Fragen stellte Hans Dembowski.