Kommentar
Besser ohne TPP
Am 4. Februar haben zwölf Anrainerstaaten des Pazifiks – Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, die USA und Vietnam – TPP unterzeichnet. Das umstrittene Freihandelsabkommen stellt ein Gegenstück zu der nicht weniger umstrittenen Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) dar.
TPP betrifft 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und berührt das Leben von elf Prozent der Weltbevölkerung. Die USA, die die Führung der Partnerschaft beanspruchen, wollen darin unter anderem die Abschaffung von 18 000 Regionalzöllen durchsetzen, die ihren Export behindern.
Gegen die Einführung bindender, höchst umstrittener Normen zur Regulierung des Arbeits-, Umwelt- und Urheberrechts erheben zivilgesellschaftliche Organisationen in mehreren Signatarstaaten ihre Stimme. Chilenische und peruanischen NGOs werfen den USA, aber auch ihren eigenen Regierungen undurchsichtige Verhandlungsführung vor, weil das Vertragsdokument erst nach Abschluss veröffentlicht wurde. „Dies ist ein Freihandelsabkommen, das die Regierungen unter Ausschluss der Bevölkerung, der indigenen Volksgruppen und des Parlaments ausgehandelt haben“, kritisieren Vertreter der NGO Chile Mejor Sin TPP.
Im Einzelnen richtet sich die Kritik gegen die TPP-weite Gültigkeit von Urheberrechten für chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse, die Preiserhöhungen von Medikamenten bewirken und damit auch die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens unterhöhlen. Zwei US-Amerikaner, Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz und Adam S. Hersh, warnten im Oktober 2015 in einem von der Schweizer Handelszeitung veröffentlichten Artikel der publizistischen Non-Profit-Organisation Project Syndicate: „Das Ende vom Lied wäre, dass den Pharmaunternehmen faktisch gestattet würde, ihre Monopole bei patentierten Medikamenten – manchmal nahezu endlos – zu verlängern, preiswertere Generika vom Markt fernzuhalten und die Einführung ‚biologisch ähnlicher‘ Konkurrenzmedikamente auf Jahre hinaus zu blockieren.“
Weitere Streitpunkte sind der Schutz von intellektuellem Eigentum im Internet und die Regulierung von Sektoren, in denen es staatliche und private Anbieter gibt. Als Gipfel der Aushöhlung des Nationalstaats und seiner Rechtsordnung gilt die geplante Judizialisierung der Weltwirtschaft: Transnationale Konzerne dürfen fremde Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, wenn sie deren Wirtschaftspolitik als Bedrohung empfinden.
Warum die südamerikanischen Befürchtungen keine Verschwörungstheorie sind, erklärt Alleen Brown im Blog der Website The Intercept. Sie nennt Lobbyisten von Unternehmen wie Caterpillar und Halliburton, die seit 2010 auf die Verhandlungen Einfluss nehmen konnten, wohingegen selbst Mitglieder des US-Kongresses nur unter Aufsicht jeweils ein Vertragskapitel pro Besuch im Keller des Kapitols einsehen, sich aber keine Notizen machen durften.
Der vollständige Vertragstext wurde erst im Internet veröffentlicht, nachdem er unterschrieben war. In einem offenen Brief kritisierten die Abgeordneten Giorgio Jackson, Camila Vallejo und Gabriel Boric am 25. November 2015, der Vertrag entbehre jeder parlamentarischen Legitimität, denn „bisher durfte das Projekt entweder nur bejaht oder abgelehnt, nicht aber von den Abgeordneten verändert werden “.
Am 29. Januar trafen sich Wissenschaftler, Parlamentarier und Vertreter der Zivilgesellschaft Perus, Kanadas, der USA und Mexikos in Mexiko-City, um grenzüberschreitenden Widerstand zu koordinieren: in den Gemeinden, auf den Straßen, in den Medien und vor Gerichten. Die Zeit der Geheimpolitik ist vorbei.
Frederico Füllgraf ist Journalist in Santiago de Chile.
f.fuellgraf@gmail.com
Links:
Brown, A., 2015: You Can´t Read the TPP, but These Huge Corporations Can.
https://theintercept.com/2015/05/12/cant-read-tpp-heres-huge-corporations-can
Stiglitz, J. E., und Hersh, A. S., 2015: Der transpazifische Freihandelsschwindel.
http://www.handelszeitung.ch/konjunktur/der-transpazifische-freihandelsschwindel-878404