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Privatsektor

Pioniere gesucht

Konzerne wie Siemens, Daimler oder BASF machen auf dem afrikanischen Markt längst Geschäfte – doch deutsche Mittelständler zögern. Bei vielen Unternehmern steht der Kon­tinent immer noch für Bürgerkriege, Katastrophen und Krankheiten.

Von Peter Hauff

Afrikas Anteil am deutschen Außenhandel beträgt nur zwei Prozent. Die meisten Mittelständler aus der Bundesrepublik investieren lieber in Asien. Vielleicht liegt es daran, dass Deutsche zu viel Sicherheit und Transparenz erwarten, sagen Experten. Die britische Firma Control Risks untersucht jedes Jahr weltweit Geschäftsrisiken im Ausland. Glaubt man den Londoner Beratern, ist die Zahl gefährlicher Länder in Afrika besonders hoch.

Ausnahmen sind aber zum Beispiel Senegal, Botswana oder Ghana. Hohe Wachstumsraten locken zudem in Angola, Südafrika oder dem ölreichen Nigeria. Eine Studie des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft (AV) empfiehlt deutschen Mittelständlern jetzt auch Kenia, Mosambik, Sambia oder Tansania. Zu viele Unternehmer übersähen die neuen Chancen, die durch regionale Integration in überstaatlichen Wirtschaftsgemeinschaften entstehen, sagt Bruno Wenn, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Afrika-Vereins. Sie sähen nur „einen Riesenkontinent, der in 54 Staaten und genauso viele, meist kleine Märkte zerfällt“. Die AV-Studie zeichnet ein differenzierteres Bild. Sie empfiehlt elf Zielländer. Laut Afrika-Verein gibt es vielerorts Fortschritte „auch in der Bekämpfung von Korruption“.

Was die Studie nicht leugnet: Deutschen Händlern oder Herstellern fehlen Kontakte in frühere Kolonien, wie sie Engländer oder Franzosen nutzen können. Hinzu kommen strukturelle Nachteile. „Unsere Energiefirmen sind in Afrika überhaupt nicht präsent, weil deutsche Stadtwerke stets kommunal orientiert waren“, erklärt Wenn, der im Hauptberuf Geschäftsführer der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ist. Die DEG ist der Zweig der KfW Bankengruppe, der Privatsektorinvestitionen in Entwicklungsländern finanziert.

Wenn räumt ein, dass Afrikas verarbeitende Industrie, die Maschinen und Werkzeuge made in Germany kaufen könnte, erst noch wachsen muss. Wer auf dem Kontinent als Deutscher handeln und Geschäfte treiben will, sagen Profis, brauche zudem afrikanische Partner.

Zementfabrik in Namibia

Einige wagen den Schritt: Die Ulmer Schwenk-Gruppe hat in Namibia in weniger als zwei Jahren ein Zementwerk gebaut. Darlehensgeber waren die DEG, die Europäische Investitionsbank und die Development Bank of South Africa. Heute gibt das schwäbische Unternehmen mit seiner Tochter­firma Ohorongo rund 300 Menschen Arbeit. 2000 weitere Arbeitsplätze hängen indirekt von der Fabrik ab.

22 Monate dauerte der Bau, im Februar 2011 startete die Produktion, erzählt Gerhard Hirth, Geschäftsführer der Schwenk-Gruppe: „Wichtig war unsere solide Finanzierung, mit 40 Prozent Eigenkapital, Beharrlichkeit und ehrliche Fakten, auf die sich Investoren verlassen können.“ Schweiß und Nerven habe vor allem die Bürokratie gekostet – der Vertrag zur Finanzierung des Zementwerks umfasst 800 Seiten.

Probleme gehören zum Geschäft: Kaum war die Fabrik in Otavi gebaut, bröckelte ihre Zukunft. Durch importierten Billigzement aus China sank ihre Auslastung bedrohlich. Normalerweise kostet ein Sack Ohorongo-Zement ab Werk rund fünf Euro: „Das ist unsere Schmerzgrenze“, so Hirth. Für die subventionierte Chinaware zahlen Kunden ungefähr die Hälfte.

„Diesen Preisverlust durch Menge wettzumachen, ist unmöglich“, ärgert sich Hirth. „Wir haben 250 Millionen Euro investiert und bekamen jetzt Zement aus China vor die Nase gesetzt.“ Hirth betont, dass Ohorongo in Namibia kein Monopol ausnutze, sondern marktgerechte Preise im regionalen Wettbewerb berechne.

Inzwischen hilft ein Schutzabkommen. Um Namibias Zementwerk zu retten, gewährt die Regierung in Windhuk eine „Infant Industry Protection“. Sie belegte Schleuderpreis-Importe mit Steuern oder Zöllen, um nationale Arbeitsplätze zu schützen. „Nach unseren Gesprächen mit den Ministerien für Finanzen sowie für Handel und Industrie rechne ich für sechs bis acht Jahre mit einem Schutz, der allmählich abschmelzt“, sagt Hirth. „Ich glaube nicht, dass China Umwelt- und Klimaschutz langfristig ignorieren und steigende Energie­-kos­ten dauerhaft ausgleichen will.“

Vormarsch chinesischer Akteure

Mittelständische Unternehmen aus Deutsch­land könnten mit der chinesischen Konkurrenz in Afrika oft nicht mithalten, meint Heiko Schwiderowski vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Das liege daran, dass Peking riesige Summen bewege und deutschen Unternehmen ein Vorgehen nach dem Muster „Gib mir Öl, und ich baue dir eine Straße“ einfach fremd ist: „Kein deutscher Betrieb kann in einem afrikanischen Staat eine Infrastruktur aufbauen und sich mit Öl oder anderen Rohstoffen bezahlen lassen.“

Als weitere Hürde für deutsche Mittelständler nennt Tilman Altenburg vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) den weltweiten „Auftragshandel“. Er zwinge auch Waren aus Entwicklungsländern irgendwann ins Vertriebsnetz großer, globaler Konzerne. „Unternehmen, die nicht Teil solcher internationalen Wertschöpfungsketten sind, haben kaum noch Exportchancen.“ Die US-Handelskette WalMart testet gerade, ob die Kaufkraft der wachsenden Mittelschicht in Südafrikas Großstädten erlaubt, ihr Netz in Afrika auszudehnen. Das Unternehmen hat südafrikanischen Shoprite-Supermärkten im März den Wettbewerb angekündigt.

Der deutsche Handelsriese Metro dagegen bleibt bisher ganz Afrika „ohne spezielle Gründe“ fern, lässt die Zentrale in Düsseldorf wissen. Märkte in Osteuropa und Asien hätten für den Konzern Priorität. Die gleiche Auskunft erteilt der 60 000 Mitarbeiter zählende, weltgrößte Schrauben-Handelsriese Würth aus Baden-Württemberg. Pioniere gibt es trotzdem: Ab 2025 wird mindestens jeder zweite von 870 Millionen Afrikanern in Städten leben, sagte sich die Hansgrohe AG schon vor 25 Jahren. Heute liefert der deutsche Armaturen-Hersteller seine Wasserhähne und Duschköpfe an afrikanische Hotels, Banken und Flughäfen. Verkauft wird teilweise direkt vom Lastwagen. Mit einem Umsatz von 15 Millionen Euro ist Hansgrohe am Kap zurzeit Nummer zwei des Sanitärgroßhandels.

DIHK-Experte Heiko Schwiderowski plädiert dafür, dass Deutschland wie andere Industrienationen seinem Handel und investierenden Unternehmen unter die Arme greift. Ein positives Beispiel hierfür sind staatliche Hermes-Kreditversicherungen, die es für einige afrikanische Länder gibt – allerdings in begrenztem Umfang. „Viele Unternehmen würden ihr Engagement bei einer Aufstockung der Mittel ausweiten“, glaubt der DIHK-Experte.

Peter Hauff