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Peinlich selbstgerecht

Weil Paul Wolfowitz sich bis zuletzt auf den Rückhalt seiner Parteifreunde in Washington stützen konnte, ist sein Sturz mehr als nur ein persönliches Trauerspiel. Sein langer Abschied von der Weltbank illustriert, wie die US-Rechte selbst die Abneigungen nährt, die sie dann als Antiamerikanismus geißelt.


[ Von Hans Dembowski ]

Die wehleidige Art, in der sich Paul Wolfowitz wochenlang an seine Weltbankpräsidentschaft klammerte, hat ihn letzte Sympathien bei Andersdenkenden gekostet. Als stellvertretender Verteidigungsminister der USA machte er sich mit seinem Eintreten für den Irakkrieg international bekannt – und sicherlich nicht überall beliebt. Dennoch wirkte er intellektuell so integer und persönlich so engagiert, dass sich die Auseinandersetzung mit ihm zu lohnen schien.

Dieser Eindruck ist dahin. Wolfowitz hat kein Verantwortungsgefühl bewiesen. In unhaltbarer Lage hat er nur taktiert und blockiert – ohne Rücksicht auf den Schaden, den die ihm anvertraute Institution litt. Nun darf er sogar noch als lahme Ente mit einer formelhaften Ehrenerklärung des Spitzengremiums die Bank bis zu seinem endgültigen Rücktritt am Monatsende leiten.

Sein Skandal ist schnell erzählt. Weil er mit der Weltbankangestellten Shaha Riza liiert war, als er zum Präsidenten berufen wurde, drohten Interessenkonflikte. Also empfahl die Ethik-Kommission der Bank, diese Expertin an eine andere Institution auszuleihen. Da ihre Karriere absehbar leiden werde, sei es akzeptabel, sie zuvor zu befördern oder ihr Gehalt zu erhöhen. Wolfowitz selbst sorgte dann über die Beförderung hinaus noch für eine ungewöhnliche Gehaltserhöhung um 45 Prozent auf rund 190 000 Dollar. All das wurde kurz nach Ostern bekannt.

Seither ist Wolfowitz diskreditiert. Weltbankmitarbeiter, die heute in armen Ländern Günstlingswirtschaft beanstanden, werden ausgelacht. Dennoch tun viele konservative Amerikaner so, als hätten bestechungslastige Seilschaften fremder Länder einen tadellosen Kämpfer gegen die Korruption beiseitegedrängt – und als hätte die US-Regierung von George Bush keine Verfilzungsprobleme von Dienstleistungsverträgen im Irak bis hin zu fehlgeleiteten Subventionen für Studentenkredite daheim.

Wolfowitz selbst legt nahe, ihm sei in der Angelegenheit Riza das ein oder andere Bein gestellt worden. Da mag etwas dran sein. Dennoch trägt er allein die Verantwortung für sein Stolpern. Zu Führungsfähigkeit gehört auch, Intrigen nicht auf den Leim zu gehen und Skeptiker zu überzeugen. Wer antritt, eine große Bürokratie mit qualifizierten Mitarbeitern zu leiten, muss das beherzigen – besonders, wenn er weiß, dass er es mit vielen Andersdenkenden zu tun hat und manche seine Berufung sogar als Zumutung empfinden. Doch statt mit Argumenten zu arbeiten, agierte Wolfowitz arrogant und autoritär.

Es ist bemerkenswert, dass er auf die ersten Vorwürfe im Fall Riza mit einem verklausulierten „Wie unfair, ihr mögt mich eh nicht“ reagierte. Anders ist nicht zu interpretieren, dass er sofort forderte, nur an seinem Wirken im aktuellen Amt, nicht aber an der Politik davor gemessen zu werden. Er klang eher wie ein entlassener Strafgefangener, der um Rehabilitierungschancen im neuen Job bangt, als wie ein Spitzenbeamter, der einen Krieg orchestriert hat und anschließend an anderer Stelle mit weltweiter Wirkung weiteragiert. Doch in Wirklichkeit war er es, der auf den Irakkrieg anspielte, anstatt eine Weltbankentscheidung zu rechtfertigen.

Peinlich wirkt zudem, wie die US-Rechte nun meckert, die Ehefrauen anderer hochrangiger Weltbankmanager arbeiteten doch auch im selben Institut. Diese Leute wissen selbstverständlich, dass im Betriebsalltag eine allgemein bekannte Ehe etwas anderes ist als eine informelle Liebesbeziehung. Dieselben konservativen Kreise predigen sonst rigide Familienmoral – mit dem Beharren auf Enthaltsamkeit statt Kondomen als Mittel der HIV/Aids-Prävention sogar bis hin zur Gefährdung von Menschenleben.

„Antiamerikanismus“ ist ein Schlagwort, mit dem sich Bush-Anhänger gern der Auseinandersetzung in Sachfragen entziehen. Diese Art von Selbstgerechtigkeit überzeugt nicht – auch nicht im Fall Wolfowitz. Wer die Welt führen will, muss den eigenen Ansprüchen gerecht werden. Selbstverständlich wird ähnliche Kritik am Weißen Haus auch in den Vereinigten Staaten formuliert. Aber diejenigen, die es anginge, halten vermutlich sogar Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, für eine bornierte Antiamerikanerin.