Wald
Naturerbe in Gefahr
Grund für die aktuelle Debatte im kongolesischen Parlament ist der Virunga-Nationalpark im Osten der DR Kongo: Hier werden große Rohstoffvorkommen vermutet. Doch der 780 000 Hektar große Park ist seit 1979 UNESCO-Weltnaturerbe. Er ist Lebensraum für viele seltene Tierarten, darunter die vom Aussterben bedrohten Berggorillas.
Immer schon war der Schutz des Nationalparks, der in einer stark krisengeschüttelten Region liegt, schwierig. So suchten während des Genozids in Ruanda 1994 Massen von Flüchtlingen hier Schutz. Zudem bietet der Park ein Rückzugsgebiet für Milizen wie die Rebellenbewegung M23. Auch kommen die 300 Parkschützer kaum gegen die Wilderer an, die ihnen zahlenmäßig und von der Ausstattung her überlegen sind. 140 Ranger haben seit 1996 deshalb bereits ihr Leben verloren.
Nun droht neue Gefahr: Energiekonzerne sind auf die Ölreserven des Parks aufmerksam geworden. Bereits 2007 hat die kongolesische Regierung begonnen, Explorationsrechte an europäische Konzerne zu vergeben, vor allem an den britischen Konzern Soco International und das französische Unternehmen Total. Ölförderung ist innerhalb der Grenzen des Nationalparks jedoch verboten.
Das möchte die Regierung ändern. Trotz starken internationalen Protests hat sie dem Parlament einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgelegt. Das Parlament muss nun zwischen den wirtschaftlichen Vorteilen und den ökologischen und sozialen Schattenseiten des Vorhabens entscheiden. Letztere wiegen schwer:
- Erkundungs- oder Förderungsmaßnahmen könnten das empfindliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen. Um die nötige Infrastruktur zu errichten, müsste zudem Wald gerodet werden. Tierschützer befürchten auch, dass die vielen Menschen ein Risiko für die Artenvielfalt darstellen, beispielsweise wegen Lärmbelästigung oder der Übertragung von Krankheiten.
- Die lokale Bevölkerung, die überwiegend von Fischfang und Ackerbau lebt, fürchtet die Verunreinigung von Böden und Wasser, was ihre Lebensgrundlage zerstören würde. An eine Entschädigung glauben sie nicht. Viele ähnliche Fälle in afrikanischen Ländern haben gezeigt, dass Rohstoffförderung meist zu Lasten der lokalen Bevölkerung geht. Dass die Rohstoffe zudem von europäischen Konzernen für Energieerzeugung in westlichen Ländern genutzt werden, legt den Vorwurf der Ausbeutung nahe.
- Auch könnte sich die Sicherheitslage verschärfen, denn die Ölförderung würde voraussichtlich Rebellenaktivitäten verstärken. Diese erobern häufig die Kontrolle über Förderstationen oder erpressen Mitarbeiter, um vom Rohstoffhandel zu profitieren. Zudem könnte auch das Verhältnis zu den Nachbarn Ruanda und Uganda zusätzlich belastet werden.
Doch es gibt Wege aus dem Dilemma: So könnte das Land verstärkt versuchen, auf eine umwelt- und sozialverträgliche Weise wirtschaftlichen Profit aus dem Park zu ziehen, etwa durch so genannten Ökotourismus. Das kongolesische Parlament kann sich für einen solchen Weg entscheiden und die Einzigartigkeit des Parks schützen, indem es die Gesetzesänderung ablehnt. Die kongolesische Regierung wiederum muss ihre Verpflichtungen einhalten und Erkundungsaktivitäten innerhalb der Nationalparks unterbinden.
Auch die internationale Gemeinschaft sollte Druck auf Kinshasa ausüben und ihren Anspruch auf Schutz des Weltnaturerbes geltend machen. Die Mittel dafür sind allerdings begrenzt. Die UNESCO verfügt über keine Sanktionsmaßnahmen, und die Gelder für den kongolesischen Naturschutz zu sperren wäre gänzlich kontraproduktiv. Es ist daher wichtig, an die Verantwortung der beteiligten Konzerne zu appellieren. Dazu gehören auch deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bank, die Anteile an Soco International hält. Von ihnen kann die deutsche Politik fordern, dem Schutz des Parks absolute Priorität einzuräumen. Denn gemäß der Welterbekonvention ist der Park von so hoher Bedeutung, dass er der Menschheit erhalten bleiben muss.
Sarah Luisa Brand ist Mitarbeiterin des Ökumenischen Netzwerks Zentralafrika (ÖNZ), eines Zusammenschlusses kirchlicher Hilfswerke, der sich für Frieden und Menschenrechte in der Region der Großen Seen einsetzt.
Dr. Ilona Auer-Frege leitet das ÖNZ.
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