Sozialunternehmen

Gratwanderung zwischen Profit und sozialen Zielen

Sozialunternehmen sollen helfen, globale Herausforderungen anzugehen und den sozialen und ökologischen Wandel zu befördern. Im Unterschied zu klassischen Unternehmen orientieren sich ihre Leistungen nicht am Markt, sondern an den Bedürfnissen der Gesellschaft. Im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit steht der gesellschaftliche Nutzen, nicht die Erwirtschaftung von Gewinnen.
Im ägyptischen Manshiet Nasr werden in einer NGO, die lediglich Frauen beschäftigt, aus Altkleidern an Webstühlen Patchwork-Decken und andere Textilien zum Verkauf hergestellt. Tödt/picture-alliance/dpa Im ägyptischen Manshiet Nasr werden in einer NGO, die lediglich Frauen beschäftigt, aus Altkleidern an Webstühlen Patchwork-Decken und andere Textilien zum Verkauf hergestellt.

Sozialunternehmen sind weltweit im Kommen. In Deutschland wird ihre Anzahl auf 70 000 geschätzt, das sind zwei Prozent aller Unternehmen. Die OECD rechnete 2013 aus, dass in der Europäischen Union 6,5 Prozent aller Arbeitsverhältnisse der Social Economy zugehören. Dazu zählen Kooperativen, Genossenschaften, Vereine und Stiftungen. Auch in Entwicklungs- und Schwellenländern steigt die Zahl der Sozialunternehmen.

Analog zu diesem Trend gewinnen soziale Unternehmen auch in der Entwicklungshilfe an Bedeutung. Laut einer Studie von Hanley et al. (2015) lösen sie soziale Missstände in Entwicklungs- und Schwellenländern auf finanziell nachhaltige Weise, ohne Abhängigkeit von Spenden und Gebern. Seit den Nullerjahren ist Marktorientierung in der internationalen Zusammenarbeit weit verbreitet, immer mehr Akteure vergeben ihre Fördermittel an profitorientierte Unternehmen statt an öffentliche oder gemeinnützige Organisationen. Viele staatliche und zivilgesellschaftliche Geberorganisationen bieten mittlerweile sogenannte Inkubatoren-Programme an, die sozial und ökologisch orientierten Start-up-Unternehmen helfen.

In manchen Ländern ist der Zuwachs an Sozialunternehmen eine Folge des Rückgangs staatlicher Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA): NGOs ändern ihren Status oder gründen Unternehmen, um sich aus deren Gewinnen zu finanzieren. So zum Beispiel in Vietnam. Seit das Land 2010 den Status LMIC (lower middle income country) erreichte, zogen sich wichtige Geber zurück oder reduzierten ihre Hilfe. Hien M.T. Nguyen, Projektreferentin in der Verbindungsstelle Vietnam/Laos von Brot für die Welt, sagt: „Viele nationale NGOs haben durch den Rückzug der internationalen Geber Finanzierungslücken. Sie orientieren sich um, lassen sich als Sozialunternehmen registrieren, auch weil es staatliche Förderprogramme und Steueranreize gibt.“

Dies sei nicht immer unproblematisch, zumal sich auch viele neue Akteure als Social Enterprise etablierten. „Es gibt ein großes Misstrauen gegenüber Sozialunternehmen. Sie sagen, sie verfolgten soziale Ziele, doch sie handeln wie Unternehmen. Viele kennen sich mit sozialer Arbeit nicht aus, wissen kaum, wie sie zur Entwicklung der Gemeinwesen beitragen sollen.“ In Vietnam verbinde man mit dem Begriff Sozialunternehmen meist soziale Dienstleister im Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie Arbeitsplätze für benachteiligte Bevölkerungsgruppen.

Doch mit Dienstleistungen für Arme und Benachteiligte lässt sich meist kein Geld verdienen. Die Studie von Hanley et al., in deren Rahmen 286 Sozialunternehmen aus Kolumbien, Mexiko, Kenia und Südafrika befragt wurden, kommt zu dem Schluss, dass sich viele soziale Probleme zunächst nicht profitabel lösen lassen. Die meisten der untersuchten Organisationen hingen weiterhin am Tropf externer Geber: Fast drei Viertel von ihnen erhielten Zuschüsse. Nur die Hälfte gab als Haupteinkommensquelle den Verkauf ihrer Produkte oder Dienstleistungen an. Sozialunternehmen bedienen laut der Studie nur sehr eingeschränkt die niedrigsten Einkommensschichten.


Profit und Wettbewerb

Sam Art Nut arbeitet als Berater bei der Unternehmensberatung PCG in Kambodscha. Er sagt: „Hier gibt es im Bereich Mikrofinanzen und auch im Gastgewerbe erfolgreiche Sozialunternehmen. Die ACLEDA-Bank zum Beispiel wurde 1993 als NGO gegründet und ist heute eine große kommerzielle Bank mit vielen Filialen“ ( siehe E+Z/D+C 2013/02, S. 62). In Kambodscha gibt es keine eigene Rechtsform für Sozialunternehmen, es wird lediglich zwischen NGOs und Unternehmen unterschieden.

Entscheidend für den Erfolg von Sozialunternehmen ist laut Nut die Haltung derer, die sie leiten: „NGOs konzentrieren sich darauf, ihre Mittel sinnvoll im Sinne ihrer Zielgruppen einzusetzen. Am Ende eines Projektes sollten alle Mittel verbraucht sein und die Armen profitiert haben.“ Nicht so im Unternehmen: Den Gewinn solle man nicht ausgeben, sondern behalten, um Betriebsmittel zu finanzieren und zu reinvestieren. „Unter meinen Klienten, die aus den NGO-Zirkeln kommen, denken manche, es sei gut, wenn am Jahresende in der Bilanz eine Null steht, denn so sind sie es gewohnt. Dass dort ein Gewinn stehen muss, damit das Unternehmen weitermachen kann, ist vielen gar nicht klar.“ Auch auf den Wettbewerb mit anderen Betrieben sei man oft nicht eingestellt.  
Ein weiteres Hindernis stellten die Verbraucher dar. Diese bevorzugten nämlich Produkte kommerzieller Unternehmen. In puncto Lebensmittelsicherheit und Qualität traue man den Sozialunternehmen einfach weniger, sagt Nut. Arbeitsplätze würden zwar geschaffen, aber keine guten: „Wer Karriere machen will, der sucht sich eine Arbeit in der Privatwirtschaft. Sozialunternehmen zahlen keine guten Gehälter“, weiß der Berater.

Das gilt auch für Europa, wie die eingangs genannte OECD-Studie bestätigt. Entgegen der verbreiteten Ansicht, Sozialunternehmen förderten faire Arbeitsbedingungen, sind die Beschäftigungsverhältnisse in der Social Economy demnach oft unsicher und schlecht bezahlt. Ähnliches wird auch dem fairen Handel vorgeworfen, vor allem in den Bereichen, in denen über Kooperativen und Genossenschaften Kleinbauern unterstützt werden. Die in den Betrieben angestellten Hilfsarbeiter erhielten oft keinen existenzsichernden Lohn, ihre Gehälter seien sogar niedriger als in vergleichbaren nichtzertifizierten Betrieben, fand eine viel diskutierte Studie der London School of Oriental and African Studies (2014) heraus.

Harriet Lamb, die Geschäftsführerin von Fairtrade International, erklärte damals in ihrer offiziellen Stellungnahme: „Wir haben nie behauptet, all die vielen Ungerechtigkeiten bekämpfen zu können, unter denen die in Armut lebenden Menschen leiden.“ Dass von fairem Handel vor allem einflussreichere Bauern profitieren, muss jedoch nicht heißen, dass von Armut betroffene Gruppen wie Landlose keinen Nutzen haben. Schließlich bietet auch die informelle Arbeit als Tagelöhner ein Einkommen, wenn auch ein geringes und unsicheres.

Gerechte Löhne und „gute“ Arbeit, also stabile Beschäftigung, können Fairtrade-Betriebe genauso wie Sozialunternehmen erst bieten, wenn sie Gewinne erwirtschaften, die über ihre eigene Existenzsicherung hinausgehen. Die Erreichung sozialer Ziele hängt davon ab, dass genug Profit erwirtschaftet wird – die heikle Gratwanderung zwischen sozialem und wirtschaftlichem Zweck bleibt somit eine Herausforderung, die zum Sozialunternehmertum dazugehört.


Bettina Meier ist Wirtschaftsberaterin bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst.
bettina.meier@brot-fuer-die-welt.de


Quellen

OECD, 2013: Job creation through social economy and social entrepreneurship.
https://www.oecd.org/cfe/leed/130228_Job%20Creation%20throught%20the%20Social%20Economy%20and%20Social%20Entrepreneurship_RC_FINALBIS.pdf

Hanley, L. M. et al., 2015: Taking the pulse of the social enterprise landscape in developing and emerging economies. Insights from Colombia, Mexico, Kenya and South Africa.
https://www.siemens-stiftung.org/fileadmin/user_upload/Dokumente/publikationen/Study-Taking-the-Pulse.pdf

London School of Oriental and African Studies, 2014: Fairtrade, employment and poverty reduction in Ethiopia and Uganda.
http://ftepr.org/wp-content/uploads/FTEPR-Final-Report-19-May-2014-FINAL.pdf