Staatsfinanzen

Von vorn anfangen

Der totale Zusammenbruch der liberianischen Wirtschaft während des Bürgerkriegs hat das Finanzwesen des Landes vor große Probleme gestellt. Erst mit der Wahl Ellen Johnson Sirleafs 2006 zur Präsidentin bekam Transparenz Priorität. Seither ist Haushaltsaufstellung eine wirklich öffentliche Angelegenheit. Steuern werden aber immer noch auf undurchsichtige Weise erhoben – und die zuständigen Beamten nicht zur Rechenschaft gezogen. Steuerhinterziehung ist ein großes Problem.


Von Samwar S. Fallah

In Liberia gibt es keine zuverlässigen Daten über die öffentlichen Finanzen für die Zeit vor 2006. Seit der Amtsübernahme von Präsidentin Johnson Sirleaf werden diese Themen jedoch öffentlich diskutiert.

2009 wurde der Public Financial Management Act erlassen, der die Verfahrensweisen und Prozesse der Finanzverwaltung vorgibt. Zudem wurde ein Haushaltsgesetz verabschiedet. Das Haushaltsjahr beginnt am ersten Juli und endet am 30. Juni. Das Budget wird vom Finanzministerium erstellt und beim nationalen Gesetzgeber eingereicht, wo Modifikationen möglich sind.

Liberia erhebt Steuern auf persönliche Einkommen und Firmengewinne, Immobilien, internationalen Handel sowie auf Warenhandel und Dienste im Inland. Weitere bedeutende Einkünfte sind Gebühren für Dienste der Regierung und Budgethilfe der Geberländer.

Der nationale Haushalt und ein zusätzliches Budget für das Finanzjahr 2010/11 ermöglichen der Regierung Gesamtausgaben in Höhe von rund 390 Millionen Dollar. Etwa 64 Prozent ihrer Einkünfte erhält die Regierung durch Steuern. Nichtsteuerliche Einnahmen (etwa über Gebühren) und Budgethilfe der Geber machen die übrigen 19 beziehungsweise 17 Prozent aus.

In Absatz sieben des Steuern- und Einnahmencodes von Liberia aus dem Jahr 2000 steht: „Alle Steuereinnahmen sind generell als Einnahmen Liberias zu betrachten.“ Das bedeutet, dass alle Steuern dazu gedacht sind, die allgemeinen Staatsausgaben zu finanzieren. Individuelle Steuern werden nicht Sonderzwecken zugeführt. Das Gesetz schreibt vor, dass der Finanzminister das Abgeordnetenhaus und den Senat alle drei Monate über die kumulierten Einnahmen unterrichtet.

In den vergangenen vier Jahren haben Geber – inklusive EU und Weltbank – den Haushalt des Landes bezuschusst. Andere Geber wie der Internationale Währungsfonds haben direkte Budgethilfe an konkrete Bedingungen geknüpft. Die Geberzuschüsse schwanken von Jahr zu Jahr.

In einer ihrer zahlreichen Haushaltsmitteilungen informierte Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf den Gesetzgeber darüber, dass „wie in den Jahren zuvor“ das Budget für das Finanzjahr 2007/2008 externe Finanzierung nicht erfasse, weil es „keine klaren Angaben gegeben habe“. Der Präsidentin zufolge arbeitet die Regierung unablässig daran, treuhänderische Risiken zu minimieren, die die Geber dazu verleiten könnten, die Budgethilfe zu stoppen.

Der nationale Haushalt für 2007/2008 betrug etwa 200 Millionen Dollar, davon stammte mit fast 69 Millionen Dollar – etwas mehr als ein Drittel der Gesamteinnahmen – ein Großteil aus Außenhandelssteuern. Am Ende des Haushaltsjahres 2007/2008 gab die Regierung bekannt, fast 144 Millionen Dollar Steuern erhoben zu haben – und damit 6,4 Prozent mehr als prognostiziert.

Die Steuereinnahmen sind seither enorm gestiegen. Im Jahr 2009/2010 betrugen sie bereits fast 290 Millionen Dollar. Der nationale Haushalt hat im gleichen Zeitraum mehr als 370 Millionen Dollar bereitgestellt. Das Anfangsbudget für 2010/2011 blieb auf diesem Niveau, als aber später ein zusätzlicher Haushalt verabschiedet wurde, stieg das Gesamtvolumen auf mehr als 390 Millionen Dollar. Der Grund: Die EU hatte im November 2010 angekündigt, zusätzliche 12,5 Millionen Euro (19 Millionen Dollar) an Budgethilfe zu geben. Die EU und ihre Mitgliedsländer sind die wichtigsten externen Beitragszahler an die öffentlichen Finanzen von Liberia. Ihre gesamte Budgethilfe für 2010/2011 beträgt nun 32,5 Millionen Dollar.

Eine Zwischenbilanz zeigte, dass sich die Staatseinnahmen in der ersten Hälfte des Haushaltsjahres auf etwa 160 Millionen Dollar beliefen – das sind 33 Prozent mehr als im entsprechenden Zeitraum des letzten Jahres und 23 Prozent mehr als erwartet. Dieser Betrag besteht zu drei Vierteln aus Steuern (120 Millionen Dollar).

Staatliche Unternehmen sind in Liberia weitgehend steuerbefreit. Zu diesen Gesellschaften zählen die Rundfunkanstalt, die nationale Hafenbehörde, die Erdölraffineriegesellschaft, die Forstbehörde, die Telekommunikationsgesellschaft, der Roberts International Airport, die nationale Ölgesellschaft von Liberia und andere.

Die Manager dieser Gesellschaften argumentieren, ihre Institutionen seien im Krieg zerstört worden und müssten erst wieder aufgebaut werden. ­Einige dieser öffentlichen Gesellschaften erzielen jedoch auch Gewinn und zahlen entsprechend Steuern. ­Zivilgesellschaftliche Organisationen und der liberianische Rechnungshof bestehen darauf, dass diese Staatsbetriebe zum nationalen Haushalt beitragen sollen, da sie Einkünfte haben.

Schwierige Umsetzung

Die liberianische Regierung bezieht ihre Einnahmen vor allem aus Steuern. Dementsprechend gravierend sind Steuerflucht und Steuerhinterziehung. Das Erheben von Steuern hängt maßgeblich von der Integrität der Staatsbeamten ab, die aber leider nicht garantiert ist. Korruption ist weit verbreitet. Im Jahr 2010 wurden drei Steuerbeamte entlassen, nachdem sie mit einer Gummifabrik ausgehandelt hatten, deren Steuern zu mindern. Viele Unternehmen versuchen, Steuerzahlungen zu umgehen. Wie eine Überprüfung verschiedener Ministerien gezeigt hat, haben sogar einige Regierungsagenturen keine Einkommenssteuern von ihren Mitarbeitern abgeführt.

Steuerbeamte müssen in abgelegene Gegenden reisen, um Steuern einzutreiben. Dann kehren sie nach Monrovia zurück, um das Geld auf das Sammelkonto des Finanzministeriums einzuzahlen. Dabei gibt es offensichtlich Möglichkeiten, zu manipulieren. Derzeit ist es schwierig, die Steuereintreiber zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist unmöglich zu sagen, ob sie alles angeben, was sie eintreiben.

Liberia braucht ein System, das nachvollziehbar macht, wie viel eingetrieben wurde. Ende 2010 hat das Finanzministerium eine Software namens ASYCUDA eingesetzt, mit der eingehende Zahlungen nachvollzogen werden können. Aufgrund des allgemeinen Mangels an Kapazitäten und Infrastruktur wird dieses System aber bisher nur von der Nationalen Hafenbehörde (NPA) genutzt – dem größten Hafen des Landes, über den der meiste Import und Export abgewickelt wird. Immer mehr Geschäftsbanken gehen in Liberia in Betrieb – aber bisher gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie beim Eintreiben von Steuern sehr hilfreich sein werden.

Liberia hat keine guten Methoden, um seine Steuergesetze durchzusetzen und diejenigen zu bestrafen, die Steuern hinterziehen. Es ist bei Privatleuten wie bei Firmen gang und gäbe, Zahlungen zu unterlassen. Manche Geschäftsleute sagen, was zähle, seien einzig persönliche Kontakte, und nur wer keine engen Beziehungen zur Regierung habe, zahle Steuern.

Um die Menschen davon zu überzeugen, Steuern zu zahlen, hat das Finanzministerium eine großangelegte Auf­klärungskampagne begonnen und öffentliche Programme für Menschen aus der Geschäftswelt organisiert. Auf Werbetafeln an den Hauptstraßen prangen Aussagen wie „Steuern bringen Entwicklung“ oder „Gute Steuerzahler bauen das Land auf“. Auch die Anti-Korruptionskommission unterstützt diese Kampagne.

Außerdem wurde auch davor gewarnt, dass säumige Steuerzahler und Steuerhinterzieher strafrechtlich verfolgt werden. Bisher wurde jedoch noch keine einzige bekannte Firma oder Privatperson wegen nicht bezahlter Steuern angeklagt.

Internationale Perspektive

Grenzüberschreitende Steuerflucht ist ein weiteres wichtiges Thema. Im Februar haben Liberia und Ghana ein Abkommen zum Austausch von Steuerinformationen unterzeichnet. Man will damit die Einkünfte der Regierung erhöhen, dazu beitragen, den informellen Sektor zu formalisieren, und sicherstellen, dass volle Steuern auf alle Geschäfte bezahlt werden, bei denen Parteien aus beiden Ländern involviert sind.

Liberia hat inzwischen zwölf derartige Abkommen mit verschiedenen Ländern – vor allem EU-Mitgliedern. Die OECD unterstützt solche Absprachen im Kampf gegen Steuerparadiese. Um dem internationalen Standard zu genügen, muss ein Land mindestens zwölf derartige Abkommen getroffen haben. Laut einer Presseerklärung der OECD war Liberias Abkommen mit Ghana „ein wichtiger Schritt” hin zu einer besseren Kooperation in Afrika.