Roman

Eine Vater-Sohn-Beziehung in der Krise

Nassir Djafari erzählt in seinem Debütroman „Eine Woche, ein Leben“ von der Beziehung zwischen Timm und seinem Vater Hamid – und einer Reise nach Peru. Dieser Beitrag ist der sechste unseres diesjährigen Kultur-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Cusco ist eine der Stationen auf der Reise von Timm und seinem Vater Hamid durch Peru. picture-alliance/imageBROKER/G&M Therin-Weise Cusco ist eine der Stationen auf der Reise von Timm und seinem Vater Hamid durch Peru.

Was tun, wenn der Sohn sein Zimmer nur noch selten verlässt? In Nassir Djafaris Debütroman „Eine Woche, ein Leben“ weiß Timms Vater Hamid bald nicht mehr weiter. Vorsichtig gelingt es ihm, wieder mit seinem Sohn ins Gespräch zu kommen. Dann schlägt der Vater eine Reise nach Peru vor. Dabei wird klar, dass nicht nur der Sohn in seinem Leben die Orientierung verloren hat.

Die Reise nach Peru verschiebt die Verhältnisse grundlegend: Statt durch eine verschlossene Zimmertür getrennt zu sein, teilen sich Vater und Sohn nun Hotelzimmer. Die Rollen der beiden vertauschen sich durch ein unerwartetes Ereignis, und der Sohn, der zu Beginn ein Rätsel war, stellt seinen Charakter beeindruckend unter Beweis. In der kurzen Zeit in Peru tritt ein Leben zu Tage, das zuvor nur schemenhaft bekannt war: die Vergangenheit des Vaters in Peru.

Während der erste Teil in Frankfurt am Main spielt und aus Hamids Perspektive erzählt wird, sieht man Peru im zweiten Teil durch Timms Augen: Es mischt sich der unbedarfte Blick eines jungen Mannes, der kaum etwas über das Land weiß, hier und da mit Informationen und sozialkritischen Analysen, die sein Vater und dessen Freunde ihm vortragen. Rassismus, Korruption und Armut sind nur einige der Themen, die zur Sprache kommen. Aber auch schöne Seiten Perus werden erzählt. Insgesamt entsteht ein glaubwürdiges Bild. Dabei bildet Timm sich immer öfter auch selbst ein kritisches Urteil über seine Umgebung.

Der Konflikt zwischen Vater und Sohn besteht unter anderem darin, dass der Vater bestimmte Ansprüche an den Lebensweg und die Leistung des Sohnes hat, denen dieser aber nicht immer gerecht werden kann oder will. Der Sohn sehnt sich zwar nach der Anerkennung des Vaters, hat aber auch andere Sorgen. Die iranischen Wurzeln der beiden spielen bei alldem auch eine Rolle. Der Roman belehrt dabei nicht, er gibt sich nicht aus als Gebrauchsanweisung für eine gelingende Vater-Sohn-Beziehung. Stattdessen zeichnet er einfühlsam einen fürsorglichen, aber auch strengen, karriereorientierten Vater und seinen Sohn, die beide mit ihren Stärken und Schwächen glaubwürdig sind, und erzählt ihre gemeinsame Geschichte.

Während sich einige wenige Erzählstränge und Handlungen aus dem ersten Teil zu verlieren scheinen oder sich bis zuletzt nicht erschließen, macht der zweite Teil das mehr als wett. Beide Teile sind in hohem Tempo und kurzen Kapiteln erzählt, was die Spannung aufrechterhält. Die Geschichte nimmt bis zuletzt Wendungen und geht unerwartet und sehr bewegend zu Ende.

Nassir Djafari ist ein vielschichtiger, lesenswerter Roman gelungen, in dem neben der Vater-Sohn-Beziehung auch die großen Themen Herkunft, Identität und Zugehörigkeit eine Rolle spielen. Es bleibt den Leser*innen überlassen, zu beurteilen, wie sehr Vater und Sohn einander wirklich sehen und verstehen und ob sie sich am Ende wieder nähergekommen sind.

Buch
Djafari, N., 2020: Eine Woche, ein Leben. Bremen, Sujet Verlag.

Maren van Treel ist Social-Media-Redakteurin bei E+Z/D+C.
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