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Wahlen

Demokratie in Westafrika

Die Ereignisse rund um die jüngsten Wahlen im Senegal, in Benin und in Nigeria zeigen eine beunruhigende Entwicklung.
Ein Wahllokal in Senegals Hauptstadt Dakar. Jane Hane/picture-alliance/AP Photo Ein Wahllokal in Senegals Hauptstadt Dakar.

Die Geschichte der Demokratie in Westafrika war turbulent, und nach den jüngsten Wahlen bleibt auch ihre Zukunft ungewiss. Drei westafrikanische Länder, Senegal, Benin und Nigeria hielten in den vergangenen Monaten Parlamentswahlen ab. Ihre Demokratien sind unterschiedlich alt. Der Senegal wurde vor 60 Jahren demokratisch, Benin vor 30 und Nigeria erst vor 20 Jahren.

Es ist deshalb kaum überraschend, dass der Senegal als Staat mit der längsten demokratischen Tradition den größten Fortschritt gemacht hat und Nigeria mit der jüngsten demokratischen Erfahrung vor den größten Herausforderungen steht. Für alle drei Länder gilt jedoch das Gleiche: Es muss sich noch viel verändern, damit sich die Demokratien voll entfalten können.


Senegal

Der Senegal demokratisierte sich bereits 1960, kurz nach seiner Unabhängigkeit von Frankreich, und gilt deshalb heute noch als Vorbild für andere afrikanischen Staaten. Das Land ist bekannt für friedliche Wahlen und eine transparente Regierung. Die hohe Wahlbeteiligung im Senegal spricht für seine starke Demokratie: Laut BBC haben bei den Wahlen vom 24. Februar 66 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Der amtierende Präsident Macky Sall wurde im ersten Wahlgang mit 58 Prozent im Amt bestätigt.

Die Wahl hat aber auch einige Risse in der Vorzeigedemokratie offenbart. Zwei prominente Gegner Macky Salls, Khalifa Sall, der nicht mit dem Präsidenten verwandt ist, und Karim Wade, der Sohn eines ehemaligen Präsidenten, durften nicht kandidieren. Ihnen wurde Korruption vorgeworfen. So hatten zwei große Parteien, die „Socialist Party“ und die „Senegalese Democratic Party“, keinen Kandidaten im Rennen.

Die beiden Opponenten Sall und Wade wiesen die Anschuldigungen gegen sie zurück und erklärten, diese seien politisch motiviert gewesen. Nach der Wahl warfen der ehemalige Premierminister Idrissa Seck und andere führende Oppositionspolitiker dem Präsidenten vor, das Ergebnis manipuliert zu haben.

Der Senegalese Alioune Tine, ehemaliger Direktor Westafrika bei Amnesty International, kommentierte die Situation in einer Lokalzeitung: „Das Schlimmste ist, wenn Oppositionskandidaten ihre Niederlage wegen vermeintlichen Wahlbetrugs nicht anerkennen.“ Er beklagte, dass die Opponenten den Präsidenten nicht als klaren Sieger akzeptierten. „Wir müssen aus dieser festgefahrenen Situation wieder rauskommen,“ sagte Tine. Die Kontroverse ist allerdings noch immer ungelöst.

Im Mai hat das senegalesische Parlament per Erlass des Präsidenten den Posten des Premierministers abgeschafft. Die Parteien der Opposition bezeichneten den Schritt als verfassungswidrig und kritisierten den Präsidenten, sich dadurch zu viel Macht zu sichern.

Politikexperten warnen indes vor einem ethnischen Konflikt, der aus den Parteistreitigkeiten entstehen könnte. Der Präsident hat in seinen Hochburgen im Norden und in Zentral-Senegal, wo die Volksgruppen der Pulaar und Serer leben, einen überwältigenden Sieg eingefahren. In Regionen, wo andere Gruppen überwiegen, bekam er weniger Zuspruch.

Den Experten zufolge würde der Senegal einen großen Schritt rückwärts machen, wenn ethnische Konflikte auf die politische Agenda kämen. Unterdessen hat Präsident Macky Sall einen nationalen Dialog gefordert, aber einige Oppositionsführer sind davon nach wie vor nicht überzeugt und wollen nicht an den Verhandlungstisch.


Benin

Benin ist offiziell eine repräsentative Demokratie und war während des demokratischen Aufbruchs in den 1990er Jahren Vorbild für viele andere afrikanische Länder. Benin hat allerdings zu viele politische Parteien: 2018 gab es laut Schätzungen mehr als 200 davon.

Die Parteienvielfalt hat bei den Wahlen am 28. April jedoch stark gelitten. Wichtige Oppositionsparteien wurden nicht zugelassen, weil sie das neue schwerfällige Wahlgesetz nicht erfüllen konnten. Seit Juli 2018 gilt für Parteien eine 10-Prozent-Hürde, um Sitze im Parlament zu erhalten. Außerdem müssen Parteien 249 Millionen CFA Franc (380 000 Euro) anzahlen, um auf die Wahlliste gesetzt zu werden. Vorher kostete das nur 8,3 Millionen CFA Franc. Als Konsequenz haben sich alle 83 neugewählten Abgeordneten mit dem amtierenden Präsidenten Patrice Talon zusammengeschlossen.

Der Protest der Beniner gegen das restriktive Wahlrecht zeigte sich bei der Wahlbeteiligung. Von 5 Millionen Wahlberechtigten haben laut Wahlkommission nur 23 Prozent gewählt. Das steht in krassem Gegensatz zu den bisherigen Wahlen. Seit 1990 lag die Beteiligung bei keiner einzigen Wahl unter 50 Prozent.

Außerdem gab es bei der Wahl selbst viele Unregelmäßigkeiten. Am Wahltag war ganz Benin vom Internet abgeschnitten. Das bedeutet, Kommunikation über soziale Netzwerke und andere Kanäle war nicht möglich. Es gab Aufstände, nachdem der ehemalige Präsident Thomas Boni Jayi zum Wahlboykott aufgerufen hatte.

Personen, die im Verdacht standen, gewalttätig zu sein, wurden ohne Haftbefehl festgenommen. Ein wütender Mob setzte Eigentum in Brand, und die Sicherheitskräfte reagierten mit harter Gewalt. Bei Demonstrationen gegen die Regierung wurden mehrere junge Männer und Frauen getötet. Darüber hinaus wird die Pressefreiheit zunehmend eingeschränkt, und mindestens ein Journalist wurde mehrere Tage lang wegen eines Artikel über die exzessive Auslandsverschuldung Benins festgehalten. Laut der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen ist Benin im Ranking für Pressefreiheit innerhalb weniger Monate von Platz 84 auf Platz 96 gesunken. Bezüglich des ehemaligen Präsidenten Boni Jayi haben die Sicherheitskräfte seine Residenz in Cotonou abgeriegelt. Einige sagen, dass er praktisch unter Hausarrest gestellt wurde.

Präsident Patrice Talon und die wichtigsten Oppositionsparteien sind nun in einen Showdown über den Ausschluss der Oppositionsparteien von den Wahlen im April verwickelt. Die beiden großen Oppositionsparteien, die Union Sociale Libérale (USL) und die Forces Cauris pour un Bénin Emergent (FCBE), sagen, dass die 83 neuen Parlamentsmitglieder „illegitime und illegale Vertreter der Bevölkerung Benins“ sind.

Man kann durchaus daran zweifeln, wie effektiv ein Parlament den Präsidenten, dem es verpflichtet ist, kontrollieren kann. In Benin ist es üblich, dass amtierende Präsidenten versuchen, die Verfassung von 1990 zu ändern, um mehr Befugnisse zu erlangen. Frühere Versuche scheiterten an der Opposition im Parlament. Jetzt gibt es jedoch keine starke Oppositionspartei im Parlament mehr, und der Präsident hat weitreichende Befugnisse. Er hat ein virtuelles Vetorecht über die Politikgestaltung, kann die Finanzierung einer Institution verweigern und die Leitung der staatlichen Institutionen ernennen. Das verheißt nichts Gutes für die Demokratie.


Nigeria

Offiziell ist Nigeria seit 20 Jahren eine Demokratie. Das Land erlangte 1960 seine Unabhängigkeit von Britannien. Daraufhin folgten Jahrzehnte, geprägt von Militärputschen, Gegenputschen und sogar Bürgerkrieg.

Seit 1999 hielt Nigeria sechs Präsidentschaftswahlen ab. In der jüngsten Wahl wurde der amtierende Präsident Muhammadu Buhari und Chef der Partei „All Progressives Congress“ für weitere vier Jahre wiedergewählt.

Die Wahl ist allerdings keineswegs vorbildlich abgelaufen. Zum einen hat die unabhängige Wahlkommission INEC die Wahl aufgrund logistischer Probleme kurzfristig um eine Woche verschoben. Ursprünglich war sie für den 16. Februar angesetzt. Die Intention könnte gewesen sein, es weniger Bürgern zu ermöglichen, an der Wahl teilzunehmen. Denn viele Nigerianer fuhren für das geplante Wahlwochenende extra in ihre Heimat-Wahlkreise. Die Fahrt konnten sich die meisten allerdings kein zweites Mal leisten. Später wurden auf einige Büros der Wahlkommission Brandanschläge verübt.

Zum anderen war die Wahlbeteiligung deprimierend gering. Laut BBC haben nur ein Drittel der 73 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen. Es war die niedrigste Wahlbeteiligung seit 20 Jahren. Offenbar bezweifelte die breite Bevölkerung, dass ihre Stimme etwas bewirken kann. Es kam auch zu Gewalt. Nach der Wahl versuchten mehrere Oppositionsparteien, das Ergebnis rechtlich anzufechten, aber ohne Erfolg.

Nach dem Economist Intelligence Unit’s Democracy Index 2018, der den Zustand der Demokratien misst, steht Nigeria auf Platz 108 von 167 Ländern, Benin auf Platz 81 und Senegal auf Platz 73. Nigeria steht vor vielen Herausforderungen, etwa die Bekämpfung des islamistischen Extremismus, der die Sicherheitslage im Land immer wieder schwächt. Außerdem sind Armut und Migration nach wie vor große Probleme.

Korrupte Politiker verhindern außerdem die Lösung dieser Probleme. Sie nutzten ihre Ämter, um sich selbst zu bereichern. Die öffentlichen Ausgaben sind in die Höhe geschnellt; 2018 gab der Senat beispielsweise fast 40 Milliarden Naira aus (rund 100 Millionen Euro). Das Budget eines einzigen Gesetzgebungsorgans ist damit größer als das einiger der 36 Bundesstaaten Nigerias. Dies zeigt, dass die Macht zu sehr auf Bundesebene konzentriert ist. Die Demokratie des Landes würde von stärkeren und besser finanzierten Bundesstaaten profitieren.


Karim Okanla ist Medienwissenschaftler und freier Autor in Benin.
karimokanla@yahoo.com

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