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Magere Bilanz zur Halbzeit der Millenniumsziele
In einer aktuellen Untersuchgung der UN-Millenniumsziele (MDG) vom Global Policy Forum Europa und dem Duisburger Institut für Frieden ziehen die Autoren Martens und Tobias Debiel eine gemischte Bilanz. Zwar gebe es positive Trends beim Zugang zu sauberem Trinkwasser und bei der Reduzierung der Anzahl von Menschen, die in extremer Armut leben. Diejenigen, die der absoluten Armut entkommen seien, lebten aber fast alle in Ost- und Südasien. Im südlichen Afrika hingegen habe sich die Lage sogar noch verschlechtert. Zudem gebe es enorme Defizite bei den Zielen, den Hunger zu mildern und die Kinder- und Müttersterblichkeit zu senken.
Die Autoren betonen, dass die Bestandsaufnahem schwierig war, weil es in vielen Ländern immer noch keine verlässlichen Statistiken gebe: „Die Zahlen von Weltbank und UN, auf denen viele Politikempfehlungen und nationale Entwicklungsstrategien beruhen, spiegeln eine Genauigkeit vor, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.“ Die Autoren fordern, „selbstbestimmten nationalen Entwicklungszielen und den dazugehörigen Strategien“ Vorrang vor einem weltweit einheitlichen Armutsmaß einzuräumen. Erstaunlich finden sie, dass Fortschritte bei verschiedenen Zielen, etwa Armut und Kindersterblichkeit, kaum miteinander in Verbindung stünden.
Neben einer kohärenteren Politik forderten die Autoren, „den Beitrag der Industrieländer in Form von klaren, quantitativen, zeitgebundenen und damit überprüfbaren Verpflichtungen zu definieren“. Aber sie sehen auch die Regierungen der Entwicklungsländer in der Pflicht, wo viele ihre Politik bisher „nicht konsequent auf die Bekämpfung der Armut, die Überwindung sozialer Disparitäten im eigenen Land und die Mobilisierung heimischer Ressourcen ausgerichtet“ hätten.
Kurz vor Redaktionsschluss fand in New York ein UN-Gipfel zur MDG-Agenda statt. Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-moon versprachen Regierungen und private Stifter zusätzlich 16 Milliarden Dollar um die Ziele zu erreichen. So könnten bis 2015 vier Millionen Malariatodesfälle verhindert werden. Experten versprachen, ein “Global Malaria Action Plan” im Wert von rund vier Millarden Dollar werde diese Krankheit mittelfristig ausrotten. Ban Ki-moon lobte auch Pläne von britischer Regierung, Weltbank und der Gates Stiftung im Volumen von einer Milliarde Dollar, um bis 2015 zehn Millionen Müttern und Kindern das Leben zu retten. (cir)
Bonner Aufruf zu „weniger Staat“
Entwicklungszusammenarbeit sollte mehr zur Aufgabe zivilgesellschaftlicher Gruppen werden. Das fordern die Initiatoren des Bonner Aufrufs „Eine andere Entwicklungspolitik“. Auf das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und staatliche Großorganisationen könne verzichtet werden. Die Initiatoren des Bonner Aufrufs forderten im Vorfeld des Gipfels in Accra zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) eine Radikalreform. Das BMZ und seine größten Durchführungsorganisationen – Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – seien nicht reformfähig und müssten daher abgeschafft werden. So begründeten Rupert Neudeck, Gründer von Cap Anamur und den Grünhelmen, der ehemalige entwicklungspolitische Sprecher der CDU Winfried Pinger sowie der langjährige Botschafter Volker Seitz und der Journalist Kurt Gerhardt ihren Aufruf Anfang September in Bonn. Dem selbsternannten „Kreis von Individualisten“ gehören namhafte Journalisten und Politiker an. Laut Neudeck hat das System der staatlichen Hilfe in den vergangenen 50 Jahren in Afrika versagt. Die Gleichung „Mehr Geld gleich mehr Entwicklung“ sei nicht aufgegangen, werde aber weiter befolgt.
Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten: Das BMZ nannte das Papier eine „Enttäuschung“. Die staatlichen Organisationen GTZ, Deutscher Entwicklungsdienst (DED) und InWEnt erklärten, ihre Arbeit gehe seit langem von dem Prinzip aus, dass es die ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen in den Ländern selbst sind, die Erfolg möglich machen oder vereiteln. Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik bezeichnete es als befremdlich, dass der „Bonner Aufruf“ Thesen unterstütze, über die im Kontext von Geberharmonisierung längst internationaler Konsens bestehe, daraus aber nur unsinnige innerdeutsche Konsequenzen ableite. (shs)
Kritik an Weltbank-Methodik
Ende August hat die Weltbank neue Daten zur Bemessung der in absoluter Armut lebenden Menschen vorgestellt. Das International Poverty Centre (IPC) in Brasilien ist mit den neuen Zahlen aber nicht einverstanden. Es kritisiert auch die neu definierte Armutsgrenze. Weil die neuen Daten mit denselben Methoden erhoben worden seien wie die alten, unterlägen sie auch den gleichen Problemen, heißt es in einem aktuellen Papier. So sei die neue „absolute Armutsgrenze“, die die Weltbank von einem Dollar auf 1,25 Dollar nach oben korrigiert hat, immer noch zu niedrig angesetzt. Mit diesem Geld könne weder ein Mensch in den USA das Allernotwendigste kaufen, noch sei dies – in Kaufkraft umgerechnet – anderswo möglich. Sanjay G. Reddy moniert zudem, dass die Berechnung der Kaufkraftparitäten nicht geeignet sei, um die Armutsgrenze über Währungen hinweg zu vergleichen. Dazu müsste mit eingerechnet werden, wozu das Geld ausgegeben werden solle. Denn um der extremen Armut zu entkommen, seien in erster Linie Grundnahrungsmittel notwendig. Da diese international handelbar seien, richteten sich ihre Preise aber eher nach Wechselkursen. In die Kaufkraftparitäten hingegen seien auch Dienstleistungen eingerechnet, die in Entwicklungsländern in der Regel vergleichsweise günstig sind und daher die Kaufkraftparität eines Dollars künstlich verbessern.
Überdies merkt der Autor an, dass die im Warenkorb enthaltenen Waren und Dienstleistungen auch irrelevante Faktoren reflektierten. Grund hierfür sei, dass den Bewertungen der nationalen Kaufkraftparitäten ein globales Konsummuster zu Grunde gelegt werde, das die Gewichtung der jeweiligen Waren im Korb bestimme. Dadurch würden auch Konsumgewohnheiten in die Berechnung einbezogen, die weder Informationen über das Vergleichsland USA noch über das Land, für das die Kaufkraftparität ermittelt wird, liefere. Das grundlegende Problem bleibe weiterhin „das Fehlen klarer Kriterien zur Identifizierung der Armen“. (cir)
Finanzkrise erreicht Emerging Markets
Die Folgen der Wall-Street-Turbulenzen haben inzwischen auch Schwellenländer erfasst. Welche Konsequenzen das für die einzelnen Volkswirtschaften hat, ist noch nicht absehbar. Mit der Unsicherheit an den internationalen Börsen ist den Investoren die Lust am Risiko vergangen, das Investments in „Emerging Markets“ mit sich bringen. Zudem lassen fallende Öl- und Rohstoffpreise die zu erwartenden Gewinne nicht mehr so verlockend erscheinen wie noch vor einigen Monaten.
Vor allem Investoren, die kurzfristig kalkulieren, zogen gegen Ende September Kapital aus den aufstrebenden Schwellenländern ab und legten trotz aller Probleme doch wieder lieber in Dollar an. Marktbeobachter gingen davon aus, dass es in vielen Schwellenländern zu Währungskrisen kommen wird. In Argentinien, Russland, Südkorea und Indonesien versuchten die Notenbanken bereits, den Absturz der Landeswährungen abzubremsen.
Was passiert, wenn investiertes Kapital massenhaft abgezogen wird, zeigt die Krise in Russland, das exemplarisch für eine Reihe von aufstrebenden Schwellenländern steht. Allerdings kommt im Fall Russland noch die Verunsicherung der Anleger durch den Georgienkrieg hinzu.
Ausländische Investoren, die in Russland die wichtigsten Geldgeber sind, zogen Milliarden aus dem russischen Markt ab, woraufhin die Banken akute Liquiditätsprobleme bekamen. Die russischen Börsen mussten mehrere Tage schließen, und Präsident Dimitri Medwedjew kündigte an, umgerechnet bis zu 13,7 Milliarden Euro bereitzustellen, um den Aktienmarkt zu stützen. Panik in der Finanzwelt versuchte er mit dem Hinweis auf die ausreichenden Devisenreserven und die starke Wirtschaft zu zerstreuen. Diese Faktoren, so Medwedjew, seien die „sicherste Garantie vor irgendwelchen Erschütterungen“.
Weniger hart wird die Krise voraussichtlich diejenigen Länder treffen, die sich in den vergangenen Jahren Devisenreserven zugelegt haben, so wie beispielsweise China, Indien und auch Russland. Länder, die wie Südafrika oder die Türkei von ausländischem Kapital abhängig sind, werden die Folgen der Krise hingegen besonders hart zu spüren bekommen. Vor der Finanzkrise sprachen Ökonomen noch von der Entkopplung der aufstrebenden Schwellenländer von der Wirtschaftsmacht der Vereinigten Staaten. Ökonomen dachten, dass eine Krise der US-amerikanischen Wirtschaft ihnen nichts anhaben könne, da sie inzwischen auf eigenen Beinen stünden. (cir)