Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Medialer statt politischer Triumph

Al Gore hat kürzlich den Friedensnobelpreis bekommen, weil er einem breiten Publikum die Gefahren des Treibhauseffekts vermittelt hat. Zuvor gewann sein thematisch einschlägiger Dokumentarfilm „An Inconvenient Truth“ den Oscar. Diese Erfolge wirken so frisch, dass fast in Vergessenheit gerät, dass Gore schon 1992 das Buch „Earth in the Balance“ veröffentlichte und in diesem Bestseller die wichtigsten Zusammenhänge erläuterte.

Es war das Jahr des Umwelt- und Entwicklungsgipfels der UN in Rio de Janeiro. Die Weltgemeinschaft beschwor das Prinzip „Nachhaltigkeit“, dem zufolge spätere Generationen dieselben Chancen haben müssen wie heutige und dem die derzeitige Kluft zwischen Arm und Reich widerspricht. Der „Erdgipfel“ fasste Beschlüsse zum Schutz von Klima und Artenvielfalt und zur Einschränkung der Wüstenbildung. Trotzdem hat sich die Lage seither zugespitzt.

Auf die Rahmenkonvention zum Klimawandel folgte zwar schon 1997 das Kyoto-Protokoll, in dem sich die Industrienationen zu behutsamen Emissionsreduktionen verpflichteten. Doch dann geriet alles ins Stocken. US-Präsident Bill Clinton, dessen Stellvertreter Gore war, sah keine Chance, das Abkommen durch den republikanisch dominierten Kongress zu bringen; Nachfolger George Bush stieg dann ganz aus. Ohne Mitwirkung der dominanten Supermacht fehlte dem Kyoto-Protokoll aber der Biss. Von den großen Industrienationen haben nur Deutschland und Britannien ihre Treibhausgase verringert. Für die Weltatmosphäre wichtiger ist aber, dass große Schwel­lenländer entgegen dem Geist von Rio in „nachholender Entwicklung“ das auch in reichen Ländern nur marginal modifizierte Modell der Konsumgesellschaft kopieren. Vom Werkstoff Stahl, der besonders energieintensiv ist, verbraucht die Weltwirtschaft heute 70 Prozent mehr als noch 1997. Der Flugverkehr expandiert. Und es gilt als chic, in riesigen Geländewagen mit Vierradantrieb durch die reichen Metropolen mit globalem Vorbildcharakter zu kreuzen.

Dabei wird von Jahr zu Jahr deutlicher, dass der Treibhauseffekt bitterer Ernst ist. Extreme Wetterlagen nehmen zu. Wegen heftiger Regenfälle versank die Sahelzone quer durch Afrika im September in Wasser. Diese Fluten waren so spektakulär, dass die Weltöffentlichkeit Hurrikanschäden in Nikaragua und katastrophale Hochwasser in Südasien kaum noch zur Kenntnis nahm.

Klar ist, dass der Klimawandel Entwicklungsländer besonders trifft. Laut Oxfam werden sie jährlich mindestens 50 Milliarden Dollar Anpassungshilfe brauchen – und zwar über die bereits versprochene Entwicklungshilfe hinaus. Die reichen Geberländer, die derzeit rund 100 Milliarden Dollar im Jahr für offizielle Entwicklungshilfe aufwenden, sind gefordert. Der immense Aufwand, den sie betreiben müssen, um endlich selbst Klimagase einzuschränken und Schwellen- und Entwicklungsländern entsprechende Programme zu ermöglichen, kommt selbstverständlich noch hinzu.

Im nächsten Monat beginnt auf Bali die Verhandlungsrunde, die zum Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls führen soll. Von den USA sind angesichts der vielen Probleme, die Bush im In- und Ausland hat, hoffentlich weniger Störfeuer zu erwarten als gewohnt. Eine Vorbildrolle wird Washington mit diesem Präsidenten aber bestimmt nicht übernehmen. Es ist ein Jammer, dass die Nation, die in der Klimapolitik wirklich „indispensable“ ist, ihrem sonst unermüdlich erhobenen Führungsan­spruch nicht gerecht wird. Gore hat medial triumphiert, politisch durchgesetzt hat er sich nicht.