InWEnt
Führungskräfte für den Wandel
[ Gerd Schimansky-Geier und Daniel Strube ]
Die Länder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) weisen seit einigen Jahren einen beachtlichen Wirtschaftsaufschwung auf. Die Krise der 90er Jahre, verursacht durch eine tiefgreifende Transformation, scheint passé zu sein. Das Bruttoinlandsprodukt der GUS-Staaten wächst seit Jahren – und zwar schneller als im EU-Durchschnitt.
Doch liegt dies, wie viele behaupten, nur am Rohstoffreichtum der Region? Sicherlich gibt es immense Öl- und Gasvorkommen, und der Ressourcenhunger der Industrie- und Schwellenländer bleibt nach wie vor groß. Es gibt jedoch noch einen weiteren, wenig beachteten Grund für den Wirtschaftsaufschwung: die Wirtschaftsreformen zeigen Wirkung, nicht nur im makroökonomischen Bereich. Auch in den Vorstandsetagen und Chefbüros osteuropäischer Unternehmen weht seit einigen Jahren ein frischer Wind.
Das Geschäftsgebaren großer wie mittelständischer Betriebe wird nun durch westliches Management-Know-how bestimmt. Nicht nur in den bekannten Wirtschaftszentren: Auch jenseits von Moskau und St. Petersburg, Kiew und Astana hat sich eine junge, gut ausgebildete Wirtschaftselite in die Schaltstellen der Unternehmen hochgearbeitet.
Anfangs noch an den Eliteuniversitäten Europas und der USA ausgebildet, kommen diese jungen Manager inzwischen aus einheimischen Hochschulen. Dennoch reicht ihre Zahl für die Schaffung einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht aus. Deshalb muss den derzeitigen und künftigen Führungskräften auch das für ihre Arbeit notwendige Management-Know-How vermittelt werden.
Das russische Präsidentenprogramm
Um Manager fortzubilden, rief die russische Regierung 1997 unter Präsident Boris Jelzin ein nationales Programm ins Leben: das sogenannte Präsidentenprogramm. Das Ziel war, junge Unternehmer mit westlichen Managementtechniken vertraut und russische Betriebe fit für den Weltmarkt zu machen. Die Zahlen sprechen für sich: Bis heute wurden fast 50 000 junge Manager an ausgewählten Wirtschaftsinstituten in ganz Russland geschult.
Von Beginn an wurde diese Initiative von führenden Industrienationen unterstützt – auch von Deutschland. Unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) stellt die Bundesregierung schon seit 1998 den besten russischen Absolventen Praktikumsplätze zur Verfügung. Koordiniert wird dies von InWEnt, die über langjährige Erfahrungen in dieser Region verfügt und zum Beispiel an der Reform der Wirtschaftsverwaltungen Russlands mitgewirkt hat. Die Durchführung erfolgt dezentral durch ausgewählte Bildungsträger.
Die ein- oder dreimonatige Fortbildung wird dabei in mehrere Module unterteilt. Zunächst definieren der russische Manager und sein Arbeitgeber eine Projektaufgabe, die während der Fortbildung gelöst werden soll. Anschließend geht der Manager nach Deutschland. Er besucht interaktive Trainings (etwa Cross-cultural Management) und absolviert ein Praktikum in einem deutschen Unternehmen. Die Umsetzung der Projektaufgabe wird später in der Heimat im Kontext eines Follow-up Seminar evaluiert.
Im Anschluss an die Fortbildung engagieren sich zahlreiche Absolventen in ihrer Heimat weiter. In über 65 Regionen Russlands sind Vereinigungen ehemaliger Absolventen entstanden, in denen die Jungmanager aktiv sind – ein riesiges Alumni-Netzwerk von Kaliningrad bis Wladiwostok und darüber hinaus.
Nachhaltiger Kontakt
Auch die deutschen Partner profitieren von dem Programm. So absolvierten bisher 3330 russische Manager die Praxisfortbildung in einer Firma in der Bundesrepublik, was Deutschland bei diesem Programm zum wichtigsten Partner Russlands macht. Den Löwenanteil der Finanzierung übernimmt mit über 32 Millionen Euro das BMWi. Die deutsche Wirtschaft beteiligt sich mit mehr als 16 Millionen Euro. Die Bundesländer und Bildungsträger zahlen knapp zwei Millionen Euro.
Gute Geschäftsergebnisse rechtfertigen den finanziellen Einsatz. Fast 60% der russischen Jungmanager haben nach ihrer Fortbildung Verträge mit deutschen Unternehmen abgeschlossen. Jeder siebte Absolvent lässt seine Firma gemeinsam mit einem deutschen Partner produzieren. Und das bilaterale Handelsvolumen hat sich beträchtlich erhöht – um nahezu eine Milliarde Euro.
Der Erfolg des russischen Präsidentenprogramms hat andere GUS-Staaten dazu bewegt, ähnliche Programme ins Leben zu rufen. Den Anfang machte 2001 die sogenannte Ukrainische Initiative. Deutschland ist dabei mit einem Finanzierungsanteil von etwa 5,1 Millionen Euro abermals der wichtigste Partner. Mehr als 375 ukrainische Manager absolvierten eine Fortbildung in Deutschland. Nach Angaben der ukrainischen Regierung trugen diese Maßnahmen in den vergangenen zwei Jahren zur Schaffung von fast 5000 Arbeitsplätzen bei. Es wurden Investitionen in Höhe von rund 65 Millionen Euro getätigt. So wie das russische wurde auch das ukrainische Programm gerade bis zum Jahr 2010 verlängert.
In Zentralasien laufen ebenfalls Managerfortbildungsprogramme – allerdings in kleinerem Maßstab. Das BMWi hat dafür im vergangenen Jahr mit Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan bilaterale Vereinbarungen (MoU) unterzeichnet. In den vergangenen Jahren sind 117 kasachische und 56 usbekische Unternehmenslenker nach Deutschland gekommen. In diesem Jahr wird eine Pilotgruppe aus Kirgisistan erwartet.
Positive Signale erhielt InWEnt auch aus Osteuropa. Während mit Moldawien derzeit Gespräche laufen, wurde der EU-Anrainer Weißrussland schon für die Managerfortbildung gewonnen. Seit 2006 waren insgesamt 54 Weißrussen in deutschen Unternehmen. Dort knüpften sie Geschäftskontakte, die wegen der politischen Isolation Weißrusslands in der westlichen Welt sonst nicht unbedingt zustande gekommen wären.
Bei den Managerfortbildungsprogrammen richtet sich der Blick nun nach Asien. In den Wachstumsmärkten China, Indien und Vietnam gibt es reges Interesse. Mit China wurde bereits ein MoU unterzeichnet. In diesem Jahr werden die ersten Pilotgruppen aus den drei Staaten nach Deutschland reisen.
Fähigkeiten und Vertrauen
Der Erfolg der BMWi-Managerfortbildungsprogramme gründet sich auf verschiedene Faktoren:
– Die Programme berücksichtigen die Interessen aller Beteiligten und bringen diese in Einklang miteinander.
– Sie werden zentral koordiniert, aber dezentral durchgeführt, sowohl im Partnerland als auch in Deutschland. In Russland sind alle Regionen Teil des Programms. Auf deutscher Seite wiederum profitieren alle Bundesländer von der Fortbildung, die Jungmanager verteilen sich über die gesamte Republik.
– In den Partnerländern arbeiten Unternehmen und alle wichtigen Wirtschaftshochschulen zusammen bei der Qualifizierung von Führungskräften. Interaktive Lehrmethoden kommen hier zum Einsatz.
– Das Programm hat viele Gewinner. Auch für die deutschen Unternehmen zahlt sich ihr Engagement aus. Sie lernen potentielle russische Partner über mehrere Wochen kennen, bauen ein Vertrauensverhältnis auf, das bei Geschäften im GUS-Raum erforderlich ist. Und die russischen Entsendeunternehmen profitieren von den aus Deutschland mitgebrachten Kontakten und den neuerworbenen Management-Skills ihres Mitarbeiters.
– Neben den Managerprogrammen unterstützt InWEnt auch die Reform der Wirtschaftsverwaltungen, beispielsweise in Russland und der Ukraine. Die Maßnahmen ergänzen sich und sorgen für ein besseres Verständnis zwischen Managern und Behördenmitarbeitern.
– Der Interessenausgleich zwischen den Partnern schlägt sich auch in der Finanzierung nieder. Das gemeinsam gestaltete Programm wird gemeinsam finanziert. An den Kosten beteiligen sich die jeweiligen Regierungen, Regionalverwaltungen, Unternehmen und natürlich die Teilnehmer selbst.
– Die Programme sind ausbaufähig – wie etwa in der Russischen Föderation. Seit November 2007 haben rund 60 deutsche Manager an Fortbildungen in St. Petersburg und Twer teilgenommen. Sie haben den Grundstein für einen bilateralen Austausch gelegt.
Die Managerfortbildung ist eine Erfolgsgeschichte. Die Absolventen und ihre Entsendeunternehmen profitieren von den erworbenen Management-Skills und neuen Kontakten. Dadurch konnte eine gutausgebildete „Business Community“ herangewachsen, die über exzellente Kontakte ins Ausland – insbesondere Deutschland – verfügt und den Herausforderungen der Globalisierung offen entgegentritt.
Damit sind die Managerfortbildungsprogramme des BMWi mehr als bloß ein Instrument zur Außenwirtschaftsförderung. Das Programm bringt junge Manager aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung und Annäherung zwischen Europa und seinen östlichen Nachbarn.