Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Wirksamkeit der Entwicklungshilfe

Wenn kein Geld mehr fließt

In der Entwicklungszusammenarbeit ist es ausschlaggebend, dass Geber und ­Empfängerregierungen sich einigen, was zu tun ist. Im vergangenen Jahr erlebte Malawi, was es bedeutet, wenn diese Parteien keinen Konsens mehr finden: Die Geber stellen ihre Budgethilfe ein.


Von Raphael Mweninguwe

Die Erwartungen von 13,1 Millionen Malawiern waren hoch, als im Jahr 2009 Präsident Bingu wa Mutharika seine zweite und letzte fünfjährige Amtszeit antrat. Er war mit einer überwältigenden Mehrheit wiedergewählt worden und seine Demokratische Progressive Partei gewann mehr als 120 von 193 Sitzen im Parlament. Seither kann sie eigenmächtig Gesetze erlassen. Malawi ist eine der ärmsten Nationen der Welt. Fast die Hälfte der Menschen lebt in bitterer Armut.
47 Jahre nach der Unabhängigkeit mangelt es vielen Malawiern immer noch an Zugang zu sauberem Trinkwasser oder sanitären Einrichtungen.

In seiner ersten Amtszeit tat Mutharika seinem Volk viel Gutes. Die Armutsraten sanken – insbesondere in ländlichen Gegenden –, denn die Regierung unterstützte die Bauern mit subventioniertem Dünger und Saatgut. In seiner zweiten Amtszeit jedoch zeigt sich Mutharika zunehmend autoritär. Er nutzte die Mehrheit seiner Partei, um die Freiheit der Menschen einzuschränken. Kommunalwahlen wurden immer wieder verschoben, die Rechtsstaatlichkeit hat gelitten und die Regierungsführung ist schlechter geworden.

Während Mutharikas erster Amtszeit gewährten die internationalen Geber seiner Regierung Budgethilfe – in den Augen mancher Experten die beste Art, um die Paris Declaration on Aid Effectiveness umzusetzen. Denn wenn mehrere Geber­institutionen gemeinsam den nationalen Haushalt eines ­Entwicklungslandes unter­stützen, respektieren sie damit dessen Eigenverantwortlichkeit. Die EU beispielsweise befürwortet Budgethilfe, ­wohingegen der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel skeptisch ist: Ihm zufolge verleitet sie zu Korruption.

Rund 40 Prozent des nationalen Haushalts von Malawi wurde von internationalen Gebern finanziert, unter anderem von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds, der Afrikanischen Entwicklungsbank, Britannien, Deutschland, Norwegen und den USA. Grundlage für diese Unterstützung war die „Wachstums- und Entwicklungsstrategie für Malawi 2006 – 2011“ der Regierung, mit deren Hilfe die Mil­lenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen erreicht werden sollten.

Als sich die Regierungsführung zunehmend verschlechterte, beschlossen die Geber im vergangenen Jahr jedoch, die Budgethilfe zu stoppen. Es werde keine weitere derartige Unterstützung geben, solange Mutharika nicht die Grundrechte seines Volkes und die Grundprinzipien einer Demokratie respektiere. Stattdessen begannen sie, bestimmte Programme über Nichtregierungsorganisationen (NROs) zu fördern.

Null Defizit

Mutharika zieht seither seine sogenannte Null-Defizit-Politik durch. Er hat die Regierungsausgaben gekürzt und die Steuern erhöht. Zunächst sagte er, Malawi könne seine Entwicklungsaktivitäten mit eigenen Mitteln finanzieren. Dass die Geber ausgestiegen seien, spiele keine Rolle. Mittlerweile jedoch muss er zugeben, dass das Land in einer Wirtschaftskrise steckt. Malawis Währungsreserven sind aufgebraucht, die Benzinpreise in die Höhe geschossen. Viele Tankstellen werden nicht mehr beliefert. Firmen schließen oder bauen Stellen ab. Den öffentlichen Krankenhäusern fehlt es an Medikamenten und Instrumenten. Die Kosten für den Lebensunterhalt sind rasant gestiegen.

Die Zivilgesellschaft teilt die Meinung der Geber und fordert, dass die Menschenrechte wieder hergestellt werden. Auch in ihren Augen ist es Mutharika, der die Krise verursacht hat. Mutharika hingegen macht die Zivilgesellschaft, die Geber und sogar Satan den Teufel für die Nöte seines Landes verantwortlich. In seiner Weihnachtsansprache versicherte er, die „Regierung habe schlaflose Nächte“, weil sie versuche, die Sprit- und Fremdwährungsengpässe in den Griff zu bekommen. Er versprach eine Lösung der Probleme in „naher Zukunft“. Den Forderungen der Geber gegenüber bleibt er jedoch trotzig – schließlich sei Malawi ein souveräner Staat.

In der internationalen Debatte um die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe wird allgemein die Wachhundfunktion der Zivilgesellschaft anerkannt, durch deren Aktivitäten staatliche Einrichtungen kontrolliert werden. Mutharikas Regierung hört aber auf keinen Rat, weder von Experten noch von der Zivilgesellschaft.

Die Nichtregierungsorganisationen sehen das ­malawische Volk natürlich ungern leiden. Genauso unglücklich sind sie darüber, dass die Regierung ­Gelder der Geber missbraucht hat und die Malawier mit miesen Gesetzen zu ersticken droht.

Die Regierung wird immer aggressiver gegenüber den NROs. Christopher Ngwira, der stellvertretende Minister für Land, Behausung und städtische Entwicklung, unterstellt unabhängigen Organisationen, „Entwicklung zu verhindern, indem sie Geber davon überzeugen, dass sie Malawi nicht helfen sollen“. Mutharika selbst beschuldigt die führenden Köpfe der Zivilgesellschaft sogar, die Menschen zum Boykott seiner Regierung anzustiften. „Ich wurde nicht von der Zivilgesellschaft zum Präsidenten gewählt“, sagt er, „sondern von den Menschen dieses Landes. Ich muss mich nicht vor der Zivilgesellschaft verantworten, schon gar nicht vor Undule Mwakasungura.“

Mwakasungura leitet das Human Rights Consultative Committee, ein Netzwerk kirchlicher Organisationen für Menschenrechte. Er spricht sich offen ­gegen die Regierung aus. Mwakasungura und verschiedene andere Menschenrechtsaktivisten sind, seit der Präsident sagte, er werde sie „ausräuchern, egal, wo sie sind“, ständig in Gefahr, von Regierungsunterstützern misshandelt zu werden.

NROs in Opposition

Trotzdem knickt die Zivilgesellschaft nicht ein. Moses Mkandawire von der presbyterianischen Kirche etwa besteht darauf, dass es die Rolle der NROs sei, sicherzustellen, dass Regierungen sich an das Gesetz halten und die Menschenrechte respektieren. Seiner Meinung nach soll Malawi von der Budgethilfe profitieren – und die Regierung ihren Kurs ändern. Trotz einiger Mängel profitierten Millionen von Menschen in der Vergangenheit von den Hilfsgeldern für Malawi. Dank des Emergency Human Resources Programme (EHRP) etwa konnten zwischen 2004 und 2009 rund 53 Prozent mehr Mitarbeiter im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Laut offizi­ellen Statistiken wurden so um die 13 000 Menschenleben gerettet.

Die Fördergelder des Programms wurden unter anderem dafür genutzt, Mitarbeiter im Gesundheitssektor besser zu bezahlen, woraufhin viel medizinisches Personal im Land blieb. Dem Malawi Health Equity Network – einer lokalen NRO – zufolge, konnte so die Gesundheitsversorgung verbessert werden. Seit dem Rückzug der Entwicklungshilfe jedoch beklagt die Geschäftsführerin der Organisation, Martha Kwataine, schlechtere Leistungen und Mangel an Medikamenten. Zwar lobt sie die Geber, die das malawische Gesundheitssystem über die NROs weiterhin unterstützen, ein kohärentes Vorgehen der Regierung können sie jedoch nicht ersetzen.

Der Abzug von Entwicklungsgeldern beeinträchtigt auch die Wirtschaft, wie etwa die Landwirtschaft: Früher subventionierte die Regierung Dünger und Saatgut. Nun kann sie das nicht mehr, weil ihr die ­Devisen fehlen, um solche Güter zu kaufen. Zudem macht der Benzinmangel es fast unmöglich, diese ­Waren innerhalb des Landes zu transportieren.

Es müsste alles nicht so sein, wie es ist. Im Moment aber haben die Malawier wenig Hoffnung auf Veränderung. „Die Regierung ist unerbittlich, sie will auf niemanden hören”, sagt MacDonald Sembereka, ein führender Menschenrechtsaktivist. „Sie sieht in jedem, der den Staat kritisiert, einen Feind.“

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