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Antwort auf Kritik

Verteidigung der traditionellen Geburtshelfer

Im D+C/E+Z-Schwerpunkt „Müttergesundheit“ vom September stand unter anderem ein Artikel über Gonoshasthaya Kendra (GK), einer nichtstaatlichen Gesundheitsorganisation in Bangladesch. Die Autoren, Rafiqul Huda Chaudhury und Zafrullah Chowdhury, berichteten, wie es GK gelingt, die Müttersterblichkeit durch Fortbildung und Organisation traditioneller Geburtshelfer (TBAs) zu senken. Auf diese Ausführungen reagierten drei internationale Gesundheitsexperten in Dhaka in einem Brief, der in unserer Dezemberausgabe erschien. Ihre Hauptaussage war, dass TBAs nach internationalen Standards nicht mit Entbindungen betraut werden dürften. Das müsse qualifizierten Hebammen vorbehalten sein (SBAs). Entsprechend befürworteten die Experten von KfW, GTZ und ICDDR die Politik der Landesregierung, die auf professionelle Ausbildung setzt. Die beiden Experten von GK wollten das nicht so stehen lassen.


[ Von Rafiqul Huda Chaudhury und Zafrullah Chowdhury ]

Zunächst danken wir Dirk Gehl von der KfW, Jean-Olivier Schmitz von der GTZ und Dr. Tracey Perez Koehlmoos vom ICDDR in Dhaka für ihren Vorschlag, in Bangladesch eine Studie durchzuführen, um die Arbeit von GK-Mitarbeitern und fortgebildeten TBAs mit der von geprüften Geburtshelfern zu vergleichen. Eine solche Studie sollte folgendes berücksichtigen:

– Einstellung und Leistung bei der Vor- und Nachsorge,
– Bereitschaft, Überzeugungskraft und Fertigkeiten für Hausgeburten,
– Unterstützung der Mütter, die Neugeborenen zu stillen,
– Umgang mit aussetzenden Wehen, drohender Fehlgeburt, Eklampsie und Präeklampsie (Formen schwangerschaftsbedingten Bluthochdrucks) und schweren Blutungen sowie – wenn nötig – der zügigen Überweisung in ein staatliches Gesundheitszentrum,
– Bereitschaft, sich empathisch um schwangere Frauen aus sozial schwachen Schichten zu kümmern,
– Einhaltung der Abläufe bei Hausgeburten,
– Zusammenarbeit mit SBAs und
– Kosteneffizienz.

GK würde eine solche Vergleichstudie über den Ausgang von Hausgeburten unterstützen, wenn KfW, GTZ und ICDDR sie unter Leitung unabhängiger Wissenschaftler und erfahrener Personen aus der Praxis finanzieren/organisieren würden.

Wir wissen nicht, ob Dirk Gehl, Jean-Olivier Schmitz und Dr. Koehlmoos oft Gelegenheit hatten, von traditionellen Geburtshelfern betreute Hausgeburten im ländlichen Bangladesch mit zu erleben. Bei Bedarf organisiert GK gerne einen Besuch in den Dörfern, damit sie sich bei verschiedenen Hausgeburten einen eigenen Eindruck machen können.

Es ist oft schwierig für ausländische Experten – selbst wenn sie in der Hauptstadt Dhaka arbeiten – lokale Kulturen, Traditionen und Bedürfnisse zu verstehen. Als GK 1972 begann, junge Frauen vom Land mit sechs bis 10 Jahren Schulbildung dafür auszubilden, einfache diagnostische Maßnahmen, Eingriffe und Behandlungen durchzuführen, schrie das national und international ausgebildete Fachpersonal laut auf. Es wurde sogar in Frage gestellt, ob sie Blutdruckmessgeräte haben und benutzen dürfen. Krankenschwestern in Großbritannien erlaubte man erst 1994 offiziell, Aufgaben zu übernehmen, die die GK-Pfleger in Bangladesch bereits seit 1972 erfüllen.

Über die Fähigkeiten medizinischer Hilfskräfte berichtet der am 27. September 1975 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienene Artikel „Tubektomie durch quasi professionelle Chirurgen im ländlichen Bangladesch“. Während man in Europa – auch in Großbritannien – wieder mehr auf Hausgeburten setzt, befürworten ausländische Berater in Bangladesch institutionelle Geburten – und ignorieren lokale Kultur, Tradition und finanzielle Folgen. Dazu verbreiten sie halbwahre oder verdrehte Informationen. Zudem kennen sie sich nicht mit den Governance-Problemen und der mangelnden Rechenschaftspflicht in Bangladeschs öffentlichem Dienst aus.

Tatsächlich ist die Debatte um „traditionelle versus professionelle Gesundheitsversorgung“ in Bangladesch verglichen mit Europa und Nordamerika relativ neu. Man sollte aber nicht vergessen, dass man in Europa noch Anfang des 20. Jahrhunderts Hebammen als Hexen verbrannte. In Nordamerika durften nach Kreuzzügen medizinischer Einrichtungen und Fachblätter Hebammen bis 1940 keine Hausgeburten mehr betreuen. Auch heute noch bekrittelt medizinisches Fachpersonal in Europa und Amerika die Arbeit ausgebildeter Hebammen.

Exklusiver Professionalismus
Fachpersonal „zweifelt“ grundsätzlich am Können anderer Menschen. Es fühlt sich permanent von Leuten wie den traditionellen Geburtshelfern bedroht, die aus ethischem Antrieb, sozialer Verantwortung und mit hoher Motivation arbeiten. Einer unserer Mitarbeiter hat in den vergangenen 37 Jahren mit hunderten von TBAs gearbeitet und nie eine einzige getroffen, die nach Geld gefragt hätte, ehe sie half. Traditionelle Geburtshelfer feilschen auch nicht über den Preis. Sie halten eine rechtzeitige Entbindung – auch mitten in der Nacht – für ihre moralische Pflicht und soziale Schuldigkeit. Das Erlernen von Fähigkeiten durch Beobachtung, Hospitanzen und eigene Praxis ist ein Schritt hin zu einer Demystifizierung der so genannten professionellen Gesundheitsversorgung.

Gewiss haben TBAs Mängel. Diese ließen sich aber deutlich verringern – nicht indem man sie verurteilt, sondern durch eine mehrtägige Ausbildung und jährliche Auffrischungskurse. Unserer Erfahrung nach verursacht häufiger die Abwesenheit von Ärzten und anderem medizinischen Personal in öffentlichen und privaten Gesundheitszentren Müttersterblichkeit; selbst wenn die TBAs die Frauen rechtzeitig dorthin schicken, den Transport organisieren oder die verzweifelten Frauen sogar begleiten. Es gab etliche Fälle, wo das medizinische Personal nicht sofort geholfen hat, wenn eine Familie nicht genug Geld hatte. Angesichts solcher Zustände verblassen die Schwächen der TBAs.

Bisher scheiterten TBA-Ausbildungsprogramme von UNICEF und anderen Gebern an der Auswahl der Kandidatinnen und der Ausbildungsorte. Nicht TBAs wurden ausgewählt, sondern junge Frauen ohne Erfahrungen mit Geburtshilfe. Eine Ausbildung war in Dhaka und einigen Kreisstädten möglich, nicht aber in den ländlichen Gebieten. Das Programm hatte von Anfang an Schwächen.

Die gegenwärtigen Hebammenausbildung ähnelt stark den gescheiterten TBA-Programmen. Die meisten SBAs waren früher Berater in der Familienplanung, und ihr Job war es, Empfängnis zu verhüten, nicht Schwangerschaft zu fördern. Vor der Ausbildung hatte keine der SBAs Erfahrung mit Hausgeburten. Sie kennen Klinikentbindungen, dabei sollen sie künftig Hausgeburten im ländlichen Bangladesch betreuen. Da sich die meisten eine Hausgeburt nicht zutrauen, ermutigen sie auch die schwangeren Frauen nicht dazu, sondern schicken sie meist in private Kliniken – und profitieren zudem finanziell davon.

Derzeit werden rund 10 Prozent der Babys in staatlichen Kliniken entbunden, wo oft fahrlässig und unmenschlich behandelt wird, wie in Bangladesch täglich in der Zeitung zu lesen ist. Die Mediziner begründen das mit Personal- und Geldmangel. Dabei kosten die 80 % der von TBAs begleiteten Hausgeburten im Land den Staat nichts. Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn alle Kinder in Kliniken zur Welt kämen.

Wir trainieren die TBAs darauf, dass sie Risikosignale erkennen und die Schwangeren gegebenenfalls sofort einweisen. Man sollte ihnen Mobiltelefone geben, damit sie die Ärzte schnell erreichen können. Man sollte sie Misoprostol oral, rektal und vaginal verschreiben lassen. Idealerweise sollten alle TBAs zu SBAs ausgebildet werden. Aber solange es nicht genügend ausgebildete Hebammen gibt, und das Problem im staatlichen Gesundheitswesen nicht gelöst ist, bleibt die Fortbildung von TBAs die beste Lösung.

Eigentliche Herausforderungen
Aber bleiben wir vernünftig. Es ist nicht die Schuld der TBAs, dass die Müttersterblichkeit in Drittweltländern nicht schnell genug sinkt. Das Problem sind fehlendes medizinisches Personal und die schlechte Ausstattung staatlicher und privater Kliniken – zum Teil entscheiden auch die Familien nicht schnell genug oder es gibt Transportprobleme. Das jedenfalls zeigen in GK-Dörfern erhobene Daten.

Weitere GK-Zahlen (Chaudhury and Chowdhury, 2008) zeigen auch, dass Frauen, die durch Schwangerschaftskomplikationen oder bei der Geburt starben, prozentual häufiger von medizinischem Fachpersonal betreut wurden als Frauen mit gut verlaufenden Geburten (22 % versus 2,6 %). Dazu passt, dass mehr Mütter in der Klinik sterben als bei Hausgeburten ( 49 % bzw. 37 %).

Mehr Ärzte und Fachpersonal sind keine Garantie für bessere Versorgung. „Fürsorgliche Gesundheitsversorgung für alle“ ist nur durch echtes politisches Engagement zu erreichen und durch eine gewisse Anzahl von Ärzten und noch mehr Mitarbeitern mit humaner und fürsorglicher Einstellung. Ihre Rechenschaftspflicht gegenüber den Zielgruppen muss durch örtliche Aufsicht gewährleistet werden. Und die Fortbildung darf nicht Profis vorbehalten sein.