Staatsfinanzen
Afrikanische Staaten in Gefahr
Wegen Schuldenerlassen und Wirtschaftswachstum sanken in den meisten Ländern südlich der Sahara die Schuldenquoten seit den späten 1990er-Jahren. Die Heavily Indebted Poor Country (HIPC) Initiative und die Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) trugen erheblich dazu bei. Sie sollten Ressourcen für Infrastrukturausbau und Sozialpolitik freisetzen, schreiben Mustapha und Prizzon.
Seit 2010 steigen die Verschuldungs- und Schuldendienstquoten aber wieder. Den Wissenschaftlerinnen zufolge sind sie heute höher als zu Beginn der MDRI 2006. Laut Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) wächst die Wahrscheinlichkeit von Schuldenkrisen in Ländern mit niedrigen Einkommen.
Die Anzahl der gefährdeten Länder in Subsahara-Afrika hat sich von acht Ländern im Jahr 2013 auf 18 im Jahr 2018 mehr als verdoppelt, und acht Länder – Tschad, Mosambik, Republik Kongo, São Tomé und Principe, Südsudan, Sudan, Gambia und Simbabwe – sind bereits in Notlagen. Laut Mustapha und Prizzon brauchen sie Kredite, um nationale Entwicklungspläne umzusetzen.
Die Autorinnen warnen, dass Darlehen zwar das Wachstum fördern können, aber hohe Schulden Fortschritt oft untergraben. Manche Länder gäben mehr Geld für den Schuldendienst aus als für ihr Bildungs- oder Gesundheitswesen. Hohe Verschuldung schrecke zudem Investoren und Innovatoren ab.
Die Autorinnen fordern Politik und Praxis auf, sich stärker mit der veränderten Zusammensetzung der Schuldenlast und den damit verbundenen Risiken auseinanderzusetzen. Drei Trends seien besonders wichtig:
- Der Anteil der multilateralen und konzessionären Kredite ist gesunken. Betrug die multilaterale Verschuldung Subsahara-Afrikas 2005 noch 53 Prozent, so sind es nun nur noch 40 Prozent. Ein Grund ist, dass manche Länder ökonomisch aufgestiegen sind und entsprechend weniger Unterstützung von multilateralen und bilateralen Gebern bekommen.
- Neue bilaterale Kreditgeber haben ihren Anteil an der Auslandsverschuldung in Afrika von 15 Prozent 2007 auf 30 Prozent 2016 erhöht. Zum Beispiel finanzieren chinesische Institutionen zunehmend groß angelegte Infrastrukturprojekte. Die entsprechenden Darlehen können zu Zahlungsschwierigkeiten führen, wenn sie nicht genug Einnahmen erzielen.
- Die Länder Subsahara-Afrikas beschaffen sich zunehmend Mittel auf internationalen Kapitalmärkten. Sie sind daher Risiken wie volatilen Wechselkursen und Zinssätzen ausgesetzt. Zudem ändern spekulative Investoren ihre Strategien oft und schnell.
Zu bedenken ist auch, dass in der neuen Finanzlandschaft gewohnte Entschuldungsmechanismen möglicherweise nicht mehr wie früher greifen (siehe Jürgen Zattler im E+Z/D+C e-Paper 2018/08, Schwerpunkt). Die Autorinnen empfehlen Kreditnehmern und -gebern Reformen in drei Bereichen, um die Schuldentragfähigkeit zu stärken:
- Kompetenzaufbau auf Seiten der Kreditnehmer zur verantwortungsvollen Verschuldung,
- Verbesserung der Transparenz für alle Beteiligten und
- Entwicklung von State-Contingent Debt Instruments (SCDIs), die den Schuldendienst an bestimmte makroökonomische Daten wie etwa die Wachstumsrate knüpfen: Im Falle eines Abschwungs würde die Schuldenlast automatisch reduziert.
In vielen afrikanischen Ländern sind die institutionellen Kapazitäten schwach. Zu den Mängeln zählen Mustapha und Prizzon die oft auf mehrere Behörden verteilte Verantwortung für Schulden, den geringen politischen Willen, die hohe Personalfluktuation in Ämtern sowie unzuverlässige Erfassungssysteme und Datenlücken. Nötig seien dagegen solide Geld-, Haushalts- und Steuerpolitik.
Auch Kreditgeber müssen Verantwortung übernehmen. Die Autorinnen plädieren für mehr Transparenz und verstärkten Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten. Weltbank und IWF sollten sich für eine bessere Koordinierung mit Gläubigern aus Schwellenländern einsetzen. Neue Ansätze wie SCDI könnten ebenfalls helfen.
Link
Mustapha, S., and Prizzon, A., 2018: Africa’s rising debt. How to avoid a new crisis.
https://www.odi.org/sites/odi.org.uk/files/resource-documents/12491.pdf