Kommentar
Noch drängender, noch schwieriger
[ Von Hans Dembowski ]
Nein, das Scheitern der Gipfelkonferenz Kopenhagen bedeutet nicht, dass die totale Klimakatastrophe nun unabwendbar ist. Wahrscheinlicher geworden ist sie aber. Die Regierungen, deren Länder die meisten Treibhausgase emittieren, haben die Absicht bekundet, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Das ist nicht viel wert, weil unklar bleibt, wer wann was tut, damit dieser Wille Wirklichkeit wird.
Leerlauf ist im Klimaschutz schlimmer als in der Handelspolitik. Von WTO-Gipfeln sind Delegierte auch schon ergebnislos heimgekommen. Aber Liberalisierung kann zur Not warten – die Welt bleibt unterdessen, wie sie ist. Der Klimawandel wartet dagegen nicht. Er schlägt sich bereits in verheerenden Dürren, Fluten, Unwettern und Erdrutschen nieder. Es wirkt wie ein makaberer Scherz, dass Schneestürme und Kältewellen pünktlich zum Flopp von Kopenhagen weite Teile Europas und Nordamerikas heimsuchten.
Je dringender Klimaschutz wird, um so schwieriger werden die Rahmenbedingungen für die nötigen politischen Entscheidungen. Die Wechselwirkungen mit anderen komplizierten und wichtigen Politikfeldern nehmen zu. Für genug Nahrung zu sorgen wird schwerer, wenn wegen ökologischer Veränderungen gewohnte Agrarpraktiken unbrauchbar werden. Not wiederum löst Migration aus – und macht gewalttätige Konflikte wahrscheinlicher. Unterdessen erodiert die biologische Vielfalt, wodurch Ökosysteme noch verwundbarer werden.
Für komplizierte Herausforderungen richten Staaten normalerweise ein Fachministerium ein. Ressortgrenzen sind sinnvoll, wenn es denn gelingt, die auftretenden Probleme in den Griff zu bekommen. Was das Weltklima angeht, ist das aber nicht geschehen. Der Weltgemeinschaft war beim Erdgipfel in Rio 1992 schon klar, dass der Treibhauseffekt gefährlich ist. Seither wurde viel verhandelt, aber die Emissionen stiegen rasant weiter.
Weil die Fachpolitiker viel zu wenig bewirkt haben, wurde Kopenhagen zur Chefsache. Aber offensichtlich waren am Schluss auch die Präsidenten, Premierminister und Kanzler damit überfordert, die Versäumnisse von 17 Jahren internationaler Klimapolitik zu korrigieren.
Es war eine Katastrophe, dass die reichen Länder die Pflichten, die sie im Kyoto Protokoll 1997 übernahmen, so lax gehandhabt haben. Dadurch haben sie viel Glaubwürdigkeit verspielt. Um sie zumindest teilweise wiederzugewinnen, müssen die reichen Nationen sofort all das implementieren, was sie an sinnvollen Maßnahmen in Kopenhagen in Aussicht gestellt haben. Das gilt vor allem für die USA; aber auch die EU täte gut daran, ihr Maximalangebot nun freiwillig zu erfüllen.
Die Sorge ist begründet, dass emissionsreiche Industrien dann in Schwellenländer abwandern. Als Mittel dagegen sind Klimazölle legitim – und sie würden vermutlich auch vor der WTO Bestand haben. Erhoben würden die Zölle indessen vermutlich nie werden, denn Handel ist das Thema, auf das China, der größte Bremser in Kopenhagen, besonders sensibel reagiert. China hat sich klimapolitisch auch schon bewegt – in Kopenhagen zwar kaum, davor aber sehr wohl. Die Führung in Peking weiß, dass Exporterfolge Ballungsräumen wie Shanghai oder dem Perlflussdelta keinen Schutz vor den verheerenden Folgen des Klimawandels bieten.
Erfreulich war, dass die Vertreter der kleinen und ärmsten Entwicklungsländer in Kopenhagen nicht brav abgenickt haben, was die Spitzenleute der großen Schwellenländer im kleinen Kreis mit den USA ausgehandelt hatten. In der Tat haben die aufsteigenden Industrieriesen klimapolitisch andere Interessen als „least developed countries“. Es war von vornherein absurd, dass die Gruppe der 77, der wichtigste Zusammenschluss der Entwicklungsländer, sich in Kopenhagen ausgerechnet von der Öl-Diktatur Sudan vertreten ließ, dessen Regime vom Wohlwollen Pekings abhängt.
In Kopenhagen ist – um ein Bild zu benutzen – das Kind in den Brunnen gefallen. Ertrunken ist es noch nicht. Schnelles Handeln kann das Schlimmste noch verhindern. Diejenigen, die am Gipfel beteiligt waren, wissen was zu tun ist. Sie müssen entsprechend handeln – und zwar leider ohne sich dabei auf verbindliche weltweite Beschlüsse stützen zu können.