Wertschöpfungsketten
Vielversprechende Agrargeschäfte
Es gibt vielerlei Befürchtungen, wenn Kleinbauern Teil der Wertschöpfungskette großer Unternehmen werden: Kritiker meinen, dies könne die Ernährungssicherheit der Kleinproduzenten beeinträchtigen. Wenn die Ernte ausbleibt oder der Käufer zurücktritt, so die Argumentation, haben die Bauern umsonst gearbeitet und ihren Familien geht es schlechter als zuvor.
Solche Risiken bestehen, der Ansatz hat aber dennoch Potenzial. Denn wenn die Einbindung der Kleinbauern vernünftig umgesetzt wird, kann dies die Armut der Bauern mindern und ihre Ernährungssicherheit verbessern. Es können neue Kleinst- und Kleinunternehmen, aber auch mittelständische Unternehmen entstehen und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Unternehmen können – und sollten sogar – landwirtschaftliche Produkte sowie Fisch und Nutzvieh von Kleinproduzenten beziehen. Sie können die Bauern unterstützen, ihre Produktion zu verbessern, indem sie ihnen Saatgut, Futter oder Dünger liefern oder ihnen Zugang zu Bewässerungssystemen und Landwirtschaftsmaschinen verschaffen. Für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben wir gemeinsam einen Leitfaden zu diesem Thema erstellt, den die GIZ im November 2012 veröffentlicht hat. Dieser Artikel basiert auf den Fallstudien und Experteninterviews des Leitfadens.
Grundlegende Erkenntnisse
Um mit Kleinbauern erfolgreiche Geschäfte tätigen zu können, müssen Unternehmensmanager sich deren Lebensbedingungen vor Augen führen. Kleinbauern sind vielen Risiken ausgesetzt, darunter schlechtes Wetter, Schädlingsplagen, Krankheiten und stark schwankende Preise. Gleichzeitig haben sie häufig keinen Zugang zu Ernteversicherungen oder anderen modernen Risiko-Management-Instrumenten.
In Krisenzeiten können Kleinbauernfamilien nur auf ihre Ersparnisse zurückgreifen, ihren geringen Besitz verkaufen oder sich Geld leihen. Da schon ein einziger Rückschlag ihre ganze Familie in große Not stürzen kann, versuchen sie, Risiken zu vermeiden, indem sie ihre Produktion diversifizieren. Häufig betreiben sie parallel Landwirtschaft, Viehwirtschaft und sammeln Forstprodukte. Sie stützen sich meist auf viele verschiedene Anbauprodukte und bevorzugen traditionelle, lokale Pflanzenarten. Diese bringen zwar keinen hohen Ertrag, benötigen aber wenig Input und sind sowohl an das Klima als auch an die regionalen Essgewohnheiten angepasst.
Kleinbetriebe sind, wie der Name schon sagt, von der Fläche her fast immer klein. Wenn arme Bauern überhaupt Land besitzen, dann besitzen sie meist nur ein paar Hektar und oft auch nur wenige Tiere. Auf diesem Land praktizieren sie vorwiegend eine Mischung aus kommerzieller und Subsistenzlandwirtschaft. Auf einem Teil der Felder werden Grundnahrungsmittel und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut, auf den übrigen Teilen Produkte für die regionalen Märkte.
Die Familien übernehmen sämtliche Arbeiten selbst und meist arbeiten nahezu alle Familienmitglieder im Betrieb mit. Zusätzlich arbeiten sie oft als Tagelöhner, führen kleine Läden oder stellen Handwerksprodukte her. Üblicherweise suchen einige Familienmitglieder in Zeiten, in denen sie nicht in der Landwirtschaft gebraucht werden, Arbeit in den Städten.
Aus guten Gründen wirtschaften Kleinbauern wenig risikofreudig. Selbst wenn die Preise für Exportgüter hoch sind, werden sie meist weiter Produkte für den Eigenbedarf anbauen – entweder, weil sie nicht genug Informationen über den Weltmarkt und seine Schwankungen haben und ihm auch nicht trauen, oder weil sie nicht wissen, wie sie die Standards von Unternehmen erfüllen können, und davor zurückschrecken, in Zertifizierungsmaßnahmen zu investieren. Kleinbauern können es sich einfach nicht leisten, nur den Profit zu maximieren. Sie müssen mit ihren geringen Mitteln vor allem versuchen, die Risiken zu reduzieren.
Wenn Unternehmensmanager diese Aspekte berücksichtigen, können sie Wertschöpfungsketten schaffen, von denen alle Beteiligten profitieren. Es gibt überzeugende Beispiele, bei denen Wirtschaftsinteressen und Ernährungssicherung so verknüpft wurden, dass sie sich gegenseitig bestärken.
COMPACI
Rund 20 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika sind direkt oder indirekt von der Baumwollproduktion abhängig. Lange Zeit aber bezog die internationale Textilindustrie diese wichtige Ware nicht aus Afrika. Die Hauptgründe waren niedrige Produktivität sowie schlechte und ineffiziente Marketing- und Vertriebssysteme.
Das hat sich durch COMPACI geändert (siehe E+Z/D+C 2011/12, S. 472 f.). Diese von der Bill & Melinda Gates-Stiftung und dem BMZ finanzierte Initiative bringt private Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der afrikanischen Baumwollproduzenten zu erhöhen und die Lebensbedingungen für Kleinbauern in Benin, Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Malawi, Sambia und Mosambik zu verbessern. Deren Einkommen soll um 45 Prozent und die lokale Nahrungsmittelproduktion um 15 Prozent steigen.
COMPACI schult Kleinbauern in nachhaltigen Agrarmethoden, etwa darin, ausgewählte Pestizide und organischen Dünger sicher und im richtigen Maße anzuwenden. Gelehrt wird auch die sogenannte Wechselwirtschaft, also auf demselben Land zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedliche Produkte anzubauen, um die Fruchtbarkeit des Feldes zu erhöhen. Zudem werden die Kleinbauern durch Mikrokredite unterstützt, Investitionen zu tätigen, etwa in Viehzucht.
Damit verbunden ist eine Initiative der Aid for Trade Foundation. Ihr gehört das Label „Cotton made in Afrika“ (CmiA), das Baumwolle auszeichnet, die nach strikten ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien produziert wurde. Die Foundation kooperiert mit verschiedenen Partnern, darunter Handelsunternehmen (wie die Otto-Gruppe, Rewe und Tchibo), Modemarken (wie Tom Tailor, Puma, S’Oliver) und nichtstaatlichen Organisationen (wie dem World Wildlife Fund (WWF), der Welthungerhilfe und dem Naturschutzbund Deutschland). Selbstverständlich arbeitet die Stiftung auch mit afrikanischen Baumwollproduzenten und -händlern zusammen. Die CmiA-Lizenzgebühren werden in die COMPACI reinvestiert. Bisher wurden mehr als 450 000 Kleinbauern in modernen Agrarmethoden geschult. In den sechs beteiligten Ländern erhöhten 320 000 Kleinbauern ihr Einkommen um bis zu 40 Prozent. Zurzeit wird die Ausweitung der Initiative auf andere Länder erwogen.
Jain Irrigation Systems
Jain Irrigation Systems Ltd (JISL) ist ein indisches Unternehmen, das Kleinbauern Mikrobewässerungssysteme verkauft. Dem Management von JISL ist bewusst, dass ihre Kunden sich Mikrobewässerungssysteme nur leisten können, wenn diese ihre Produktivität erhöhen und sie Zugang zu verlässlichen Vermarktungskanälen erhalten. Dementsprechend ist der Geschäftsansatz mit dieser spezifischen Zielgruppe dreigleisig und deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab:
- JISL liefert seinen Kunden Geräte, technische Beratung und relevanten Input wie Saatgut und Dünger.
- Das Unternehmen bietet Fortbildungen zum Thema Produktivitätssteigerung an sowie Kredite für den Kauf benötigter Inputs.
- Es kauft Früchte und Gemüse der Kunden auf und verarbeitet sie so, dass sie besser vermarktet werden können.
Dank JISL konnten viele Bauern ihre Produktivität steigern. Ihre Netto-Einkommen sind je nach Produkt um bis zu 1000 Dollar pro Morgen (4027 qm) gestiegen. Die bessere Bewässerung erhöht zudem auch den Ertrag der Felder, auf denen für den Eigenbedarf angebaut wird. Die Investition eines Kleinbauern in eine JISL-Mikrobewässerungsanlage amortisiert sich normalerweise innerhalb eines Jahres. Für Bauern mit weniger als fünf Hektar Land subventioniert die indische Regierung die Investition.
CleanStar Mozambique
CleanStar Mozambique (CSM) ist ein Jointventure des dänischen Biotechnologieunternehmens Novozymes und der New Yorker Beteiligungsfirma CleanStar.
CSM unterstützt Kleinbauern bei umweltfreundlicher Forstwirtschaft und Wiederaufforstung in Gebieten mit Umweltschäden. Das Programm ist auf den Anbau verschiedener Bäume und Nutzpflanzen, unter anderem Maniok, spezialisiert. Da Kleinbauern normalerweise keinen Zugang zu hochqualitativem Saatgut und anderen Landwirtschaftsinputs haben, unterstützt CSM sie dabei. Auch kennen Bauern oft nur wenig nachhaltige Methoden zur Vermeidung von Bodenverarmung und Entwaldung, weshalb CSM ihnen Schulungen dazu anbietet. Da den meisten Bauern der Zugang zu Märkten fehlt, kauft CSM ihnen ihre Produkte ab, verarbeitet sie und verkauft sie weiter. Mit guten Preisen stellt CSM sicher, dass die Kleinbetriebe weiter wachsen. Einen Teil der produzierten Nahrungsmittel konsumieren natürlich auch die Familien selbst.
CSM hat in der Nähe der Kleinbauern Fabriken zur Verarbeitung errichtet und organisiert den Transport der Produkte dorthin. Das Unternehmen verkauft weiterverarbeitete Waren wie qualitativ hochwertiges Maniokmehl, Sojamehl für Tierfutter und Kochbrennstoff auf Ethanol-Basis an Käufer mit niedrigem Einkommen in städtischen Gebieten.
Fazit
Wie die drei Beispiele zeigen, eröffnen inklusive Geschäftsmodelle Chancen für alle Beteiligten. Kluges Wertschöpfungsketten-Management kann zur Ernährungssicherheit beitragen, indem es sowohl das Einkommen der Kleinbauern als auch ihren Zugang zu Nahrungsmitteln erhöht. Es gibt noch mehr Möglichkeiten für Unternehmen, die Ernährung zu verbessern. Zum Beispiel können sie mit Kleinbauern den Anbau besonders nahrhafter Pflanzensorten vereinbaren, beispielsweise durch Biofortifikation veränderte orange-fleischige Süßkartoffeln, und diese vermarkten. Andere Optionen sind die Weiterverarbeitung von Nebenprodukten, Wechselanbau mit Hülsenfrüchten oder die Kombination von Fischzucht und Reisanbau. Unternehmen können in die Weiterbildung von Kleinbauern auch Gesundheits- und Ernährungsfragen einbeziehen sowie den Zugang zu Abwasser- und Abfallentsorgung, Trinkwasser- und Gesundheitsversorgung unterstützen.
Inklusive, die Armen unterstützende Wertschöpfungsketten zu schaffen setzt Entschlossenheit voraus. Die lokalen Besonderheiten und Beschränkungen müssen sorgfältig geprüft werden, damit alle Beteiligten profitieren. Die Stimme und die Leistungsfähigkeit der Kleinbauern zu stärken ist eine Voraussetzung für dauerhafte und gleichberechtigte Geschäftsbeziehungen. Auch kontinuierliches Monitoring und regelmäßige Evaluierung der Geschäftsergebnisse sind nützlich. Damit lassen sich Gewinn und Gewinnverteilung besser verstehen, und es hilft, das Programm weiterzuentwickeln.
Christina Gradl ist Geschäftsführerin von endeva, einem unabhängigen Forschungsinstitut, das auf Wirtschaft und Entwicklung spezialisiert ist. Sie dankt Juliane Schmidt von endeva, Christina Kükenshöner und Christiane Ströh de Martínez von der EZ-Beratungsfirma joyn-coop, sowie Diana Hollmann und Till Rockenbauch von der GIZ für ihre Unterstützung.
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