Investitionsklima

Zündende Ideen für Unternehmer

Schlechte Wirtschaftsbedingungen gehen meist mit einem Mangel an verlässlichen Wirtschaftsmedien einher. In reichen Ländern gehören Wirtschaftszeitungen zu den renommiertesten Publikationen. In den meisten Entwicklungsländern fehlen solche Medien – Unternehmer und Manager müssen also ohne entscheidende Informationen auskommen. In Kenia hat die vor vier Jahren gegründete Tageszeitung Business Daily die Lage verändert.

Von Jenny Luesby

Seit einem Jahr verdient die Familie Thambu, die hoch in den Bergen Zentralkenias lebt, mehr als je zuvor. Der Grund: Ihr in Nairobi lebender Sohn hatte einen Artikel über ein neues, preiswertes Bewässerungssystem gelesen und beschlossen, es bei seinen Eltern zu installieren. Das Problem, warum die Familie auf ihrem Hügel die Ernte nicht steigern konnte, war gelöst.

Der Sohn grub am Fuß des Hügels ein Wasserloch, installierte eine Wasserpumpe und das Bewässerungsgerät. Das Ganze kostete nur einige hundert Dollar, aber er schuf damit ein nachhaltiges Bewässerungssystem, welches das Familieneinkommen langfristig erhöhen kann. Er brauchte lediglich die Information, dass es diese Option gibt – und diese fand er im Business Daily, einer 2007 gegründeten Zeitung der Nation Group, des führenden Verlagshauses des Landes.

Das ist nur eines von unzähligen Beispielen, wie die neue Zeitung die ökonomische Lage in Ostafrika verändert. Und trotzdem findet die Rolle der Wirtschaftsmedien für die Ökonomie in der Entwicklungsdebatte weiterhin kaum Beachtung. Es gibt keine Untersuchungen über die Wirkung der Medien auf Wachstum, Investitionen oder Business Performance eines gut ausgebauten und lokal relevanten Informationsumfeldes. Und es wird sehr wenig Geld in die Hand genommen, um Wirtschaftsjournalisten auszubilden oder Wirtschaftspublikationen zu gründen.

Stattdessen erwarten die Geberorganisationen von Geschäftsleuten in Entwicklungsländern, dass sie neue Wege zum Wachstum beschreiten, ohne verlässliche Marktinformationen zu haben. In den fortgeschritteneren Nationen könnte die Lage unterschiedlicher kaum sein. Die Wirtschaftsbosse in der reichen Welt hängen von professioneller Berichterstattung ab (siehe Kasten).

Der Unterschied

In den meisten Schwellenländern gibt es kaum zugängliche und leicht verständliche Informationen darüber, welche Märkte wachsen und welche nicht. Es gibt keine ausreichende verlässliche Berichterstattung über Preise – egal ob für Rohstoffe oder Endprodukte, Gehaltsniveau oder Mietpreise. Managern und Unternehmern in Entwicklungsländern fehlen daher entscheidende Informationen. Es ist für sie extrem schwer, präzise herauszufinden,
- welche Aktivitäten derzeit die höchsten Profite
bringen,
- welche Unternehmen schnell wachsen,
- welche Marktsegmente an Überangebot leiden,
- wer dringend Mitarbeiter sucht oder
- welche neue Konkurrenz von Übersee droht.

Ein anderes Beispiel aus Kenia illustriert, welche Rückschläge das Fehlen solcher Informationen nach sich ziehen kann. In den 1990er Jahren wurde Kenia zu einem der Hauptlieferanten von Schnittblumen für Europa. 2006 begann China Tausende Morgen Land mit Rosenbüschen für die Schnittblumenproduktion zu pflanzen – unterstützt von der neuesten Tiefkühlverpackungstechnologie und speziellen Luftfrachteinrichtungen. Kaum wurden die chinesischen Rosen tatsächlich nach Europa verschifft, halbierten sich innerhalb weniger Wochen die Preise für Blumen aus Kenia.

Die Chinesen kombinierten ihre Investitionen aus zahlreichen neuen Partnerschaften mit denselben Großhändlern am Rotterdamer Blumenmarkt, die zuvor 70 Prozent der kenianischen Schnittblumen gekauft hatten. Die ostafrikanischen Blumenfarmen kämpften um ihr Überleben und machten dabei Verluste – erhielten aber keine finanzielle Unterstützung oder Kredite.

Es wäre natürlich möglich gewesen, gleich über die Pläne der Chinesen zu berichten, als die Strategie eingeleitet wurde. Dann hätten die kenianischen Blumenproduzenten zwei Jahre Zeit gehabt, sich gegen die neue Konkurrenz zu wappnen und Lösungen zu finden – und zwar, als sie noch gesunde Profite machten. Aber leider ignorierten die kenianischen Medien die Entwicklung am internationalen Blumenmarkt, obwohl das Einkommen hunderttausender Familien davon abhängt. Heute berichtet der Business Daily über Themen wie diese.

Die Agenda von Wirtschaftsnachrichten

Es ist eine traurige Wahrheit, dass nationale Nachrichtenagenden in vielen Ländern sich nicht mit Fragen beschäftigen, die das Leben ihrer Leser betreffen. In seinem Roman „Blue Gold“ lässt Clive Cussler eine seiner Figuren über die Medien in der früheren Sowjetunion sagen: „Sex, Verbrechen und noch mehr Sex. Ich weiß nicht, was seltsamer sein könnte als die russische Presse… Sie ist wie die amerikanischen Boulevardzeitschriften zum Thema Hormone. Ich vermisse geradezu die Traktorenproduktionsstatistik.“

In Entwicklungsländern behaupten Medienbarone gewöhnlich, dass man mit Wirtschaftsgeschichten keine „Zeitungen verkauft“. Das stimmt nicht unbedingt. Die Auflage des Business Daily in Kenia ist um 40 Prozent gestiegen und beträgt nun 8000. Die Zeitung trägt sich; im vergangenen Jahr machte sie einen Profit von etwa 1,5 Millionen Kenianischen Schilling – etwa 14 000 Euro.

Verleger sollten auch den Fall Indien berücksichtigen, ein Land mit verschiedenen Wirtschaftszeitungen und -zeitschriften. In Indien stehen Wirtschaftsnachrichten häufig auf der Titelseite. Wirtschaftsberichterstattung beeinflusst mittlerweile politische Debatten, verändert die öffentliche Meinung und schafft ein Wirtschaftsklima, das wiederum die Attraktivität von Wirtschaftsnachrichten fördert.

So sieht es auch in den Industrienationen aus. Zeitungen wie das Wall Street Journal in den USA, die Financial Times in Großbritannien oder Il Sole/24 Ore in Italien gehören zu den führenden Medien in ihren Ländern. Sie werden auch international hoch geschätzt, nicht nur von Wirtschaftsführern, sondern auch von Politikern. Studien haben immer wieder den Einfluss der Finanzpresse aufgezeigt und auch, dass diese ein soziopolitisches Umfeld schafft, welches Unternehmen fördert.

In Kenia haben Business Daily und innovative Business-to-Business-Internetseiten einen Wandel in Gang gesetzt. In einer Ära der Liberalisierung spielen sie eine wichtige Rolle. Sie verbreiten Informationen, mit denen die Aneignung wirtschaftlicher Vorteile durch Privilegien verhindert und Märkte für fairen Wettbewerb geöffnet werden können.

Weltweit ist der wichtigste Beitrag der Wirtschaftsmedien wahrscheinlich die Verbreitung von Business-Know-how. In allen Ökonomien sind kleine und mittlere Unternehmen die Hauptwachstumsmotoren. Laut US-Ministerium für Arbeit wurden die meisten neuen Jobs in den USA in Mikrounternehmen geschaffen, die weniger als zehn Mitarbeiter haben. In Europa sieht es ähnlich aus. In Afrika weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum die Mehrheit der Bevölkerung erreichen muss, damit sie genügend Schwung gewinnt, um Armut auszumerzen und mit dem Bevölkerungswachstum mitzuhalten. Aber nur eins von zehn Unternehmen überlebt die ersten drei Jahre. Der Hauptgrund für das Scheitern der übrigen 90 Prozent ist fehlendes Business-Know-how.

Fehlende Fachkenntnisse

Natürlich setzt eine aktuelle, relevante und informative Wirtschaftsberichterstattung professionelle Kenntnisse voraus, die in vielen Schwellenmärkten kaum vorhanden sind. Bei einer Überprüfung journalistischer Fähigkeiten in Südafrika – dem fortgeschrittensten Land des Kontinents – zeigte sich, dass bis zu 95 Prozent der Journalisten keine Interviewtechniken beherrschten. Zwei Fünfteln wurden schlechte Schreibfähigkeit attestiert und ein Viertel der Reporter war nicht einmal in der Lage, ein Ereignis korrekt wieder zu geben.

Wirtschaftsberichterstattung erfordert zudem weitaus mehr Know-how als allgemeine Berichtserstattung. Wirtschaftsjournalisten müssen verstehen, wie die Märkte funktionieren, aber auch die Politik und die Rahmenbedingungen, die sie beeinflussen. Sie brauchen Grundkenntnisse in Jura und Management. Sie müssen Bilanzen lesen können. Ohne diese Fähigkeiten können sie nicht die Informationen liefern, die Unternehmer und Wirtschaftsführer brauchen. Wenn die Geber ernsthaft das Investitionsklima in Afrika und anderen armen Regionen der Welt verbessern wollen, ist das ein Thema, das sie angehen müssen.

Die Herausforderungen sind groß. Die Wirtschaft wird weltweit komplexer und daher ist mehr Wissen gefragt. Lou Ureneck, Vorsitzender des Bildungskomitees der American Society of Newspaper Editors, schreibt in einem Bericht: „Anfang des 20. Jahrhunderts gab es so etwas wie den globalen Handel mit Kreditausfallversicherungen nicht, genauso wenig wie Haushypotheken als verbriefte Unternehmenskredite (CDO), die über nationale Grenzen hinaus verkauft und wiederverkauft wurden.“ Zudem führte er aus, dass das Zentralbanksystem der Vereinigten Staaten als Instrument zur Durchsetzung makroökonomischer Politik erst 1929 nach dem Wirtschaftscrash eingeführt wurde. Das gilt auch für die US-Börsenaufsichtsbehörde, der börsennotierte Unternehmen ihre Ergebnisse berichten müssen. „All das ist heute das Arbeitsgebiet eines guten Wirtschaftsjournalisten“, so Ureneck.

Kenia hat heute sowohl einen Hypothekenmarkt wie auch einen Unternehmensaktienhandel. Über eine Agrarrohstoffbörse wird nachgedacht, eine Co2-Handelsbörse ist geplant. Invoice Factoring und forderungsbesicherte (Asset-backed) Finanzierung sind angelaufen. Es gibt zudem enorme Veränderungen, was betriebliche Möglichkeiten angeht aber auch hinsichtlich Verbrauchertrends, der Märkte allgemein sowie bei Ausbildung und Humankapital. Die Redakteure des Business Daily müssen nicht befürchten, dass ihnen relevante Themen ausgehen. Vielmehr werden ihre Artikel auch von Zeitungen aus den Nachbarländern abgedruckt, die zur Nation Group gehören – wie etwa im Monitor in Uganda.

Über Veränderungen in der Wirtschaft sollten nicht nur Wirtschaftführer, sondern auch der Otto-Normalverbraucher Bescheid wissen. Daher müssen Journalisten sie darüber informieren. Das ist besonders in Entwicklungsländern, wo Leser und Hörer oder Zuschauer tendenziell schlecht gebildet sind, eine große Herausforderung. Die Leute sind nicht dumm – meist konnten sie einfach nicht viel Zeit in der Schule verbringen. Höhere Schulabschlüsse sind selten in Entwicklungsländern. Viele Leute sind Analphabeten, aber sie schätzen gute Radio- und TV-Berichterstattung. Der informelle Sektor in Entwicklungsländern lebt von Leuten mit geringer formaler Bildung. Diese Leute sind aber sehr wichtig, und insoweit sie nicht lesen und schreiben können, profitieren sie sicher von kompetenter Wirtschaftsberichterstattung in Radio und Fernsehen.

Bedarf auf dem Land

Die Herausforderungen an die Berichterstattung – hinsichtlich Angebot und Nachfrage – zeigen sich in den ländlichen Gebieten am massivsten. Dort sind Armut und fehlende Bildungsmöglichkeiten am deutlichsten. Analphabetismus und schlechte Infrastruktur schwächen auch die Möglichkeiten des Internets, die Menschen mit Informationen zu versorgen. Dennoch kann das Netz einiges verändern.

Vor kurzem lautete eine Überschrift im Business Daily „Wie Google meine Kartoffeln rettete“. Es war eine Geschichte über einen Bauern, der, als seine Kartoffelernte einzugehen drohte, zum nächsten Internetcafé radelte und sich über die Symptome schlau machte. Er entdeckte, dass Ameisen das Problem waren und er es lösen konnte, wenn er Asche um die Pflanzen streute. Er rettete seine Ernte. Dieser Landwirt kaufte später ein UMTS-Handy. Er durchkämmt heute systematisch das Web nach Informationen, die für die lokalen Bauern relevant sind, übersetzt sie in Suahili und heftet in den Dörfern Berichte darüber ans schwarze Brett. Zudem hat er eine Quelle aufgetan, die die Gründung einer Informationsstelle für lokale Farmer finanziert. Aber auch seine Bemühungen werden vom Fehlen lokal relevanter Informationen behindert.

In Kenia ist die Landwirtschaft der weitaus größte Industriezweig und die Plattform, die die Regierung für den wirtschaftlichen Aufschwung nutzen will. In diesem Sektor haben relevante Informationen – wie in jedem anderen Bereich auch – große Veränderungskraft. Die Bauern müssen ihre Optionen kennen, um das Beste daraus zu machen.

Die Nachrichten müssen natürlich erkennbar relevant sein. Nehmen wir das Beispiel einer Agrarproduzentin am Anfang der Kette, die auf ihrer Farm sehr lukrative Pilze anbaut und für den Export trocknet. Ihr Problem ist, dass die Transportkosten den Profit auffressen. Das würde sich ändern, wenn sie wüsste, dass es in einer nahe gelegenen Stadt ein Café gibt, wo Lastwagen leere Ladeflächen für die Rückfahrt zum Hafen in Mombasa anbieten.

Derselbe Artikel über neue Transportlösungen war auch für viele andere lokale Produzenten wichtig. Auch Lastwagenfahrer, die bis dahin nichts von dieser neuen Möglichkeit wussten, ihr Einkommen zu steigern, lasen ihn. Tatsächlich trägt genau diese Art der Berichterstattung dazu bei, dass sich ein neuer Trend – in diesem Fall im Transportwesen – etablieren kann. So funktioniert Wirtschaftsberichterstattung. Der typische Ansatz von Entwicklungsorganisationen hingegen wäre festzustellen, dass man die Transportkosten „beobachten muss“. Aber selbst wenn man das mit aller Sorgfalt täte – wie erfahren die Kleinbauern von ihren Möglichkeiten? Informationen sind nutzlos, wenn sie nicht die erreichen, die etwas damit anfangen können.

Sicherlich versuchen viele Entwicklungsorganisationen, ihre Erkenntnisse weiter zu geben. Einige entwickeln eigene Medien und erreichen so ein paar Tausend Menschen. Aber Entwicklungsländer haben Medienindustrien. In Kenia gibt es mehr als 70 Radiosender, etliche Zeitungen, Fernsehkanäle und Zeitschriften. Die wahre Herausforderung ist Capacity Buildung im Bereich Wirtschaftsberichterstattung.

Jenny Luesby