Demokratie

Legitimitätskrise

Kenia ist politisch gespalten. Auf der einen Seite steht die Regierung, in der dreiste Straflosigkeit und gerichtliche Einschüchterung an der Tagesordnung sind. Auf der anderen Seite steht die Opposition, die mit zivilem Ungehorsam liebäugelt, die Gesetzesgrenzen testet und an ihrem Comeback arbeitet.
Raila Odingas symbolische Vereidigung. picture-alliance/photoshot Raila Odingas symbolische Vereidigung.

Akademiker treibt die Frage um, ob das ostafrikanische Land noch eine Demokratie ist oder inzwischen autokratisch regiert wird. Die Antwort lautet: Die Sache ist kompliziert. Grundlage jeder Demokratie sind freie und faire Wahlen, und das waren die Präsidentschaftswahlen vom 8. August 2017 nicht. Der Supreme Court hat sie aufgrund von Unregelmäßigkeiten annulliert. Allerdings waren die Neuwahlen am 26. Oktober aus mehreren Gründen ebenfalls unglaubwürdig:

  • Präsident Uhuru Kenyatta hatte seine Mehrheit im Parlament dafür genutzt, das Wahlrecht zu ändern.
  • Er schüchterte Richter öffentlich ein.
  • Die Wahlkommission war zerstritten, ein Mitglied floh in die USA, und der Vorsitzende warnte lange, freie und faire Wahlen könnten nicht garantiert werden.
  • Einen Tag vor der Wahl hatte der Supreme Court zu wenige Richter, um zu entscheiden, ob sie stattfinden sollte oder nicht. Der Oberste Richter David Maraga gab selbst am nächsten Tag seine Stimme ab, aber das allein legitimiert keine Wahl.

Das größte Problem bestand jedoch im Boykott durch die Opposition. Präsidentschaftskandidat Raila Odinga hatte Reformen als Voraussetzung für freie und faire Wahlen gefordert, war damit aber gescheitert. In vielen seiner Hochburgen gab es Proteste. Rund zwei Drittel der registrierten Wähler stimmten nicht ab.

Kenyatta hat nunmehr seine zweite Amtszeit angetreten. Im engen rechtlichen Sinne war das korrekt. Sein Problem ist jedoch die fehlende Legitimität: Er gewann eine zweifelhafte Wahl.

Ende Januar vereidigte Odinga sich selbst in einer öffentlichen Zeremonie als „Präsident des Volkes“. Formal hatte das keine Auswirkung, war aber politisch schlau. Dem Oppositionsführer gelang es so, Kenyatta in Zweifel zu ziehen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Odingas Anhänger werden Kenyatta niemals als Staatschef akzeptieren. Sie werteten die geringe Wahlbeteiligung als Zeichen, dass Odinga gewonnen hätte, wenn er angetreten wäre und die Wahlen fair verlaufen wären. Diese Behauptung ist allerdings nicht zu beweisen. Da Kenyatta der Sieg ohne Odingas Teilnahme ohnehin sicher war, könnte es auch sein, dass einige seiner Anhänger zu Hause geblieben sind, da es auf ihre Stimme nicht ankam.

Nichtsdestotrotz reagierte Kenyattas Regierung äußerst empfindlich auf die Anschuldigungen der Opposition – und verlor damit weiter an Glaubwürdigkeit. Sie schloss zeitweise private Fernsehsender und nahm die Juristen fest, die Odinga den „Amtseid“ abgenommen hatten. Einen von ihnen schob sie illegalerweise nach Kanada ab, da er auch die kanadische Staatsbürgerschaft hat. Die Regierung annullierte auch die Pässe mehrerer Führungspersonen der Opposition. Sie ist für ihre autoritären Tendenzen bekannt, und diese kommen immer deutlicher zum Vorschein.

Auch westliche Regierungen haben an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die traditionellen Vorreiter der Demokratie warfen beiden Seiten Verfehlungen vor und riefen sie zum Dialog auf. Westliche Diplomaten legten Odinga sogar nahe, Kenyatta als Präsidenten anzuerkennen. Die Kenianer haben aber nicht vergessen, dass dieselben Länder Kenyatta wegen der Gewalt nach den Wahlen 2007 vor dem Internationalen Strafgerichtshof sehen wollten. Der Fall scheiterte an der Einschüchterung von Zeugen in Kenia. Der Präsident hatte zunächst zugesagt, mit dem Gericht zu kooperieren, wandte sich aber später dagegen.

Die Haltung westlicher Regierungen scheint nicht auf Prinzipien zu beruhen. Der Verdacht liegt nahe, dass Wirtschaftsinteressen für sie eine größere Rolle spielen als demokratische Regierungsführung.

So hat Kenia jetzt eine rechtmäßige Regierung ohne Legitimität und eine Opposition mit berechtigten Vorbehalten, die zu zivilem Ungehorsam neigt. Die Medien befinden sich im Würgegriff einer regierungstreuen Wirtschaftselite, und Bürgerrechte sind nicht länger garantiert. Wie das endet, bleibt abzuwarten.


Alphonce Shiundu ist ein kenianischer Journalist, Redakteur und Faktenchecker. Er studiert gerade als Chevening-Stipendiat Medien und Entwicklung an der University of Westminster in London
shiunduonline@gmail.com

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