Keine Kulturkonflikte
Michael Waibel, Ralf Jordan
und Michael Schneider (Hg.):
Krisenregion Südostasien.
Alte Konflikte und neue Kriege.
Horlemann Verlag, Bad Honnef 2006, 172 S., 14,90 Euro, ISBN 3-89502-217-9
Zwei Leitmotive ziehen sich durch dieses Buch. Zum einen prüft es, inwieweit Theorien über „neue Kriege“ zum Verständnis der Gewaltkonflikte in Burma, Aceh (Indonesien), Süd-Thailand, den Philippinen und auf den Salomonen beitragen. Es bezieht sich vor allem auf die Konfliktforscherin Mary Kaldor: Sie sieht neuartige Kriege unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Kriegsparteien sich kaum um Rückhalt in der Bevölkerung bemühen, sondern diese terrorisieren, und dass die Grenzen zum organisierten Verbrechen verschwimmen. Zum anderen fragt das Buch, ob Samuel Huntingtons Thesen, Krieg entstehe aus Kulturkonflikten und islamische Gesellschaften neigten besonders zu Gewalt, in Südostasien Bestätigung finden.
Die Antwort auf die zweite Frage fällt eindeutig aus: Huntingtons Thesen sind abwegig. Das macht einer der stärksten Beiträge des Buches klar, der die Konflikte im Süden Thailands und in den Süd-Philippinen vergleicht. In beiden Gebieten leben muslimische Minderheiten. Doch nicht die Religion war der Grund der Gewalt, sondern in Thailand der staatliche Assimilierungsdruck auf die Minderheit und die brutale Unterdrückung ihrer Proteste, in den Philippinen der Konflikt um Nutzland infolge staatlich organisierter Zuwanderung. Dass die USA mit Hilfe beider Regierungen diese Gebiete zum Schauplatz des „Kriegs gegen den Terror“ machen, droht erst jene islamistische Radikalisierung zu verursachen, die eigentlich bekämpft werden soll.
Den Thesen Kaldors können die meisten Beiträge mehr abgewinnen: Sie passen recht gut auf den Krieg in Aceh und auf einige Züge der anderen Konflikte. Allerdings erklären sie eher den Verlauf als die strukturellen Ursachen der Kriege. Diese liegen in Südostasien, so eine Kernthese des Buches, nicht in der Schwäche oder dem Versagen von Staaten, sondern in erster Linie in Spannungen zwischen dem politischen Zentrum eines Landes und seiner Peripherie. Und dies, so die Einleitung, hängt zusammen mit der Transformation in moderne Nationalstaaten.
Bernd Ludermann