Medikamente

Kein Fortschritt

Das Europa-Parlament hat eine Regelung der Welthandelsorganisation gebilligt, die armen Ländern den Import preisgünstiger Medikamente erleichtern soll. In der Praxis dürfte sich dadurch aber kaum etwas ändern, sagen Pharmaexperten.

Im Jahr 2005 hatte die Welthandelsorganisation (WTO) das Abkommen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) ergänzt: Arme Länder ohne eigene Pharmaindustrie dürfen unter bestimmten Bedingungen andere Länder beauftragen, patentgeschützte Medikamente nachzubauen und zu exportieren. Beide Seiten – sowohl das Importland, das den Auftrag vergibt, als auch das Hersteller- und Exportland – müssen dafür eine Zwangslizenz vergeben, die den Patentschutz außer Kraft setzt.

Eigentlich sollte die TRIPS-Änderung Anfang 2008 formal in Kraft treten. Bis November hatten aber nur elf Länder die Ergänzung ratifiziert. Erforderlich sind 100 Ratifikationen, zwei Drittel der WTO-Mitglieder. Der TRIPS-Rat verlängerte die Frist daraufhin um zwei Jahre bis Ende 2009. Die Billigung des Europa-Parlaments Ende Oktober gibt den 27 EU-Mitgliedern grünes Licht, das Abkommen in nationales Recht zu übernehmen.

Die TRIPS-Ergänzung geht zurück auf die so genannte Doha-Erklärung zu geistigem Eigentum und öffentlicher Gesundheit, die von der WTO-Ministerkonferenz 2001 in der Hauptstadt von Katar verabschiedet wor­den war. Zwei Jahre später hatten die WTO-Mitglieder das Zwangslizenz-Verfahren beschlossen, weil die Doha-Erklärung keine Regelung für Län­der ohne Pharmaindustrie vorsah. 2005 beschloss der TRIPS-Rat, die Ausnahme in das TRIPS-Abkommen zu integrieren. Die Ratifikation würde den Vorgang besiegeln.

Experten rechnen aber nicht damit, dass sich dadurch der Zugang zu Medikamenten für arme Länder verbessern würde. Das Verfahren gilt nämlich als äußerst bürokratisch und langwierig. Seit 2003 haben nur zwei Länder davon Gebrauch gemacht: Im Sommer 2007 beauftragte Ruanda Kanada, die Generika-Version eines AIDS-Medikaments herstellen zu lassen. Die Regierung in Ottawa autorisierte daraufhin ein kanadisches Unternehmen, das patentgeschützte Mittel nachzubauen und in der gewünschten Menge an Ruanda zu liefern.

Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder die BUKO-Pharmakampagne fordern schon seit langem, das Verfahren zu vereinfachen. Nur dann könne es wirksam die Medikamentenversorgung in armen Ländern ohne Pharmaindustrie verbessern helfen. Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen sieht die Ratifizierung des Abkommens denn auch mit gemischten Gefühlen: Die Ausnahme vom Patentschutz würde zwar endgültig festgeschrieben, aber gleichzeitig wären Korrekturen an der Regelung wohl endgültig vom Tisch. (ell)