Internet

Regeln für Afrikas Datenautobahnen

Auf ihrem Gipfel Anfang Februar hat die Afrikanische Union (AU) In­for­ma­tions- und Kommunikationstechno­lo­gien zur Priorität erklärt. Die AU-Kom­mission soll nun eine digitale Agenda entwerfen. Unterstützung be­kommt sie von der Internationalen Fern­melde­union. Es geht vor allem darum, die Infrastruktur geschickt aus­zubauen und po­li­ti­sche Rahmen­bedingungen für univer­sel­len Zugang zu schaffen.

In Afrika hat manch einer sein Mobiltelefon schon zum Bezahlen genutzt, als in Europa davon noch nicht die Rede war. Inzwischen geht das zwar auch in Europa, aber durchsetzen wird es sich wohl nicht. Überhaupt sind Handys in Afrika nicht nur Telefone, sondern für viele auch Zugang zum Internet. In Südafrika etwa gehen doppelt so viele Menschen mobil ins Internet wie über PCs. In Europa und Nordamerika hingegen ist der Computer immer noch das wichtigste Gerät, um sich ins weltweite Datennetz einzuklinken.

„Internet und Mobiltelefonie sind in Afrika ganz eng miteinander verbunden“, sagt Geraldine de Bastion. Sie ist Beraterin bei newthinking, einer Berliner Agentur für Open-Source-Strategien. Und die Zahlen steigen rasant: 2005 nutzten 138 Millionen Afrikaner Mobiltelefone, 2008 waren es mehr als doppelt so viele, nämlich 370 Millionen. Inzwischen gibt es auf dem Kontinent 40 Mal so viele Handys wie feste Telefonleitungen. Und trotz der Wirtschaftskrise ist die Nachfrage weiterhin hoch.

Weil Internet und Kommunikation überhaupt für die Entwicklung der Wirtschaft so wichtig sind, haben die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union das Thema bei ihrem Gipfel Anfang Februar zur Priorität gemacht und die AU-Kommission damit beauftragt, eine digitale Agenda zu entwerfen. De Bastion hält das für eine „sehr positive Entwicklung“. Nie zuvor habe sich die afrikanische Politik des Themas mit dieser Dringlichkeit angenommen.

Die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die sich seit 1865 mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschäftigt und inzwischen eine Sonderorganisation der UN ist, soll die Kommission dabei unterstützen. Auf dem politischen Parkett ist das Thema Internet noch relativ jung: Erst die Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in den Jahren 2003 und 2005 haben das Thema in Afrika auf die Agenda gebracht. 2006 und 2008 trafen sich dann afrikanische Minister, um sich über die neuen Technologien zu beraten.

Der Ausbau der Daten-Infrastruktur geht derweil voran: Im vergangenen Jahr wurde Ostafrika an zwei neue Unterseekabel angeschlossen (siehe auch E+Z/D+C ­7-8/2009). Ein drittes wird gerade verlegt. Glasfaserkabel in den Ozeanen sind die Hauptschlagadern des internationalen Datenverkehrs: Sie transportieren den Großteil der weltweit verschickten Daten und verbinden die Kontinente miteinander. Ostafrika war bis vor kurzem von diesen Verbindungen ausgeschlossen.

Wenn die Leitung des Eastern Africa Submarine Cable Systems im August kommerziell in Betrieb gehen wird, liegen rund um den afrikanischen Kontinent hochleis­tungsfähige Glasfaserkabel. Einige Länder bereiten sich bereits auf die neuen Möglichkeiten vor: Sambia, Ruanda, Kenia und Ghana beispielsweise bauen ihre Kabelnetze aus. Bisher werden größtenteils Satellitenverbindungen genutzt – doch das ist teuer und langsam. Zur flächendeckenden Verbreitung aber ist es noch ein weiter Weg. „Das wird Jahre dauern“, meint de Bastion.

Abgesehen von der Infrastruktur gibt es aber auch zahlreiche technische und rechtliche Fragen. Wo werden Datenkabel über die Grenzen hinweg verlegt? Für welchen Preis können Daten aus dem Inneren des Kontinents durch die Netze anderer Länder geleitet und auf die Datenautobahnen unter dem Meer geschickt werden? Muss der Markt reguliert werden oder herrscht freier Wettbewerb?

Wie werden Frequenzen und Übertragungskapazitäten verteilt? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich ein Projekt der ITU, in dessen Zentrum die Harmonisierung der Regelungen zu den Kommuni­kationstechnologien im südlichen Afrika (HIPSSA) steht. Das Geld kommt von der EU, auch Deutschland ist mit im Boot. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) berät die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bei der Regulierung und die Südafrikanische Ent­wick­lungsgemeinschaft (SADC) zu der Frage, wie möglichst alle Zugang zum Internet bekommen können. 2008 hat die ITU das Projekt gestartet. Eine erste Bestandsaufnahme zu bereits existierenden nationalen und regionalen Politikansätzen legte sie den Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union auf deren Gipfeltreffen vor.

Aus dem Bericht geht hervor, dass es schon einige Regelungen und auch zuständige Behörden gibt. Die Umsetzung in nationales Recht aber sei teilweise sehr schwierig, meint Jean-François Le Bihan, der das Projekt für die ITU koordiniert. Schwerpunkte der nun anstehenden Regulierung sind laut ITU zum einen die Vergabe von Lizenzen, das Management von Frequenzen und Nummern und Internetsicherheit. Zum anderen geht es darum, wie möglichst viele Menschen Zugang zum Internet bekommen und wie sich die Staaten untereinander besser vernetzen können. Bisher werden noch zahlreiche Telefonanrufe in Nachbarländer über Europa geleitet, weil die direkten Verbindungen fehlen. Das aber ist teuer und dauert länger.

Ein weiteres Problem sind Monopole, die mancherorts die Verbindungen verteuern. Doch das ändert sich bereits. „Man kann in vielen Ländern den sprießenden Wettbewerb beobachten“, sagt de Bastion. Das ist aber nicht immer leicht und dauert seine Zeit. In Nigeria beispielsweise versucht die Regierung seit fast neun Jahren, das ehemalige staatliche Telefonunternehmen Nitel zu verkaufen.

Anders als in der Europäischen Union gibt es in Afrika nicht nur die politischen Ebenen der Einzelstaaten und der AU. Auch die regionalen Staatenverbünde spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Telekommunikation. Sie funktionieren nach sehr unterschiedlichen Modellen. Während die einen Empfehlungen an ihre Mitgliedsstaaten aussprechen, entwerfen andere verbindliche Regeln. Die ITU will mit ihrem Projekt auf allen Ebenen ansetzen. Sie sieht sich dabei vor allem als Plattform, auf der die Themen diskutiert werden können. „Es wäre gut, wenn sich die afrikanischen Länder stark untereinander austauschen“, meint auch de Bastion. „Vorreiterländer wie zum Beispiel Südafrika könnten andere beraten.“

Claudia Isabel Rittel