Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Flussmanagement

Vorbild Westafrika

Viele Wasserprobleme in Afrika betreffen gleich mehrere Länder, es bedarf daher internationaler Lösungen. Die „Autorité du Bassin du Niger“ (ABN) setzt gerade einen umfassenden Plan zur Entwicklung des Nigerbeckens um. Andere Regionen können von ihrer Erfahrung profitieren.


[ Von Peter Pieck ]

In den Jahren nach der Gründung 1980 in Guinea arbeitete die ABN wie viele afrikanische Organisationen: eher bürokratisch, mäßig produktiv und fast ohne Unterstützung. Das änderte sich 2002, als die neun Mitgliedsstaaten – Burkina Faso, Benin, Côte d’Ivoire, Guinea, Kamerun, Mali, Niger, Nigeria und Tschad – das Exekutivsekretariat beauftragten, eine „gemeinsame Vision“ zur Entwicklung des Nigerbeckens zu erarbeiten. Dies wurde 2005 in der Pariser Erklärung bestätigt, seither unterstützt die Gebergemeinschaft die ABN in beträchtlichem Umfang. Wassermanagement hat inzwischen weltweit Priorität, zunehmend sollen Regionalorganisationen die Entwicklung gestalten.

Die nachhaltige Entwicklung des Flussbeckens durch integriertes Management der Wasserressourcen und Ökosysteme soll die Lebensbedingungen der Bevölkerung bis 2025 verbessern – der Niger ist mit über 4000 Kilometern Länge immerhin der drittgrößte Strom Afrikas, in dessen Einzugsgebiet 105 Millionen Menschen leben.
Grundpfeiler der „gemeinsamen Vision“ („Vision partagée“) sind:
– Entwicklung von Infrastruktur (Staudämme, Wasserkraftwerke, Bewässerungsperimeter),
– Erhaltung und Schutz der Ökosysteme des Flussbeckens,
– Förderung der Akteure der Entwicklung (Capacity Building).

Die gemeinsam erarbeitete Entwick­lungsstrategie schlug sich in einem Aktionsplan samt Investitionsprogramm nieder. Darin sind mehr als 600 Projekte und Programme und deren geschätzte Kosten aufgelistet. Das Investitionsprogramm erstreckt sich über vier Fünfjahrespläne (2008–2027), für die 5,5 Milliarden Euro benötigt würden. Davon sind rund 80 Prozent für die Infrastruktur vorgesehen. Schon der erste Fünfjahresplan soll die Energieproduktion erhöhen und mehr landwirtschaftliche Flächen schaffen. Die Mitgliedsstaaten haben im April 2008 den Aktionsplan, das Investitionsprogramm sowie eine Wassercharta – die die Rechte und Pflichten jedes Staates sowie der ABN im Umgang mit dem Niger als Ressource definiert – angenommen. Die Geber machten im Juni 2008 mehr oder weniger verbindliche Zusagen in Höhe von 900 Millionen Euro. Nun ist es an der ABN, die Vision zu realisieren.

Die neun Mitgliedsländer der ABN werden politisch von ihren Staatschefs oder den nationalen (Wasser-)Ministern repräsentiert, auf der „Arbeitsebene“ von ihren technischen Experten. Etwa 55 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter des Exekutivsekretariats der ABN mit Sitz in Niamey (Niger) setzen die politischen Entscheidungen um.

Ein zentrales Problem ist die Kommunikation zwischen „Zentrum“ und „Peripherie“, also zwischen Exekutivsekretariat und Mitgliedsländern. Die ABN hat daher eine „Structure Focale Nationale“ in jedem Land eingerichtet, das sind Teams, bestehend aus einem festen Ansprechpartner und Fachleuten verschiedener Disziplinen. Sie sind das Bindeglied zwischen den nationalen Regierungen und dem Exekutivsekretariat der ABN. Sie ermöglichen eine ständige Kommunikation zwischen Zentrale und Ländern und verfügen über die nötige Expertise.

In allen ABN-Ländern ist auch die Zivilgesellschaft vertreten – etwa durch Repräsentanten von Bauern-, Fischer- und Frauenverbänden. Seit 2008 gibt es „Coordinations nationales“, die bei allen wichtigen Treffen der ABN als Interessenvertreter teilnehmen.

Das Mandat

Es ist nicht leicht, das Mandat der ABN genau zu definieren. Sie soll über das Wassermanagement die sozioökonomische Entwicklung des Flussbeckens planen, die Umsetzung überwachen und, wenn nötig, korrigieren. Es geht um so unterschiedliche Dinge wie Umweltschutz, Landwirtschaft, internationales Recht, Hydrologie, Schifffahrt, Energieproduktion oder die Förderung des Privatsektors. Zum Vergleich: Die Donaukommission beschränkt sich im Wesentlichen auf die Überwachung der Wasserqualität und den Erhalt der Ökosysteme.

Aus dem Mandat soll ein Konzept entstehen, dessen Einzelteile sich synergetisch ergänzen. Darauf legen auch die Geber Wert. Für die ABN bedeutet das mehr Arbeit, kompliziertere Handlungsabläufe und mehr Bedarf an qualifizierten Fachkräften – vor allem, da es nun an die Umsetzung der Pläne geht.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung. 2005 wurde das Exekutivsekretariat reorganisiert, um es an die neuen Aufgaben anzupassen. So wurden auch höher qualifizierte – und damit teurere – Fach- und Führungskräfte angestellt. Dabei ist die Arbeit der ABN ohnehin nicht billig: Zu jedem Workshop müssen Repräsentanten aus allen neun Ländern anreisen. Auch übernimmt sie immer mehr Aufgaben – obwohl der Jahresbeitrag der Mitgliedsländer (gestaffelt nach Größe und Wirtschaftskraft) über die Jahre gleich geblieben ist. Vergangenen November haben die Fachminister beschlossen, die Beiträge der Mitgliedsländer um 50 Prozent zu erhöhen – was auch ihre Wertschätzung der ABN belegt.

Eine von der ABN in Auftrag gegebene Studie soll neue Wege für eine nachhaltige Finanzierung aufzeigen. Die Geber stellen zwar immer mehr Geld zur Verfügung – 2008 gaben sie 30 Millionen Euro, die Beiträge der Mitgliedsländer beliefen sich auf 1,4 Millionen Euro –, damit wächst aber auch die Arbeit, sie sinnvoll zu „absorbieren“. Die meisten Geber sind bereit, Projekte oder einmalige Investitionen zu finanzieren, aber nicht laufende Kosten. Die Eigenfinanzierung neuer Stellen etwa sehen sie vielmehr als Indikator für den Kooperationswillen des Trägers. Künftig werden die Geber aber nicht umhinkönnen, zumindest einen Teil der Managementkosten für Projekte und Programme, die die ABN durchführt, zu übernehmen.

Eigentlich hat die ABN zwei Mandate: Zum einen soll sie die Entwicklung des Flussbeckens mitplanen und monitoren, die Initiativen aufeinander abstimmen und verschiedene Ansätze harmonisieren. Zum anderen führt sie selbst für Geber Entwick­lungsprojekte durch. Eine Flussgebietsorganisation ist glaubwürdiger, wenn sie die Lebenssituation der Menschen verbessert und nicht nur Strategiepapiere oder Gesetzesvorlagen erarbeitet. Die ABN sammelt unter anderem hydrologische Daten und wertet sie aus, kämpft gegen die Versandung des Flusses an, rehabilitiert Wasserkraftwerke und führt Maßnahmen des Capacity Building durch – mitfinanziert vom deutschen Entwicklungsministerium (BMZ). Wichtige andere Geber sind die Weltbank, EU, Kanada und Frankreich. Das Doppelmandat der ABN ist unangefochten.

Nationale versus regionale Interessen

Die ABN bewegt sich in einem aus nationalen Interessen einerseits und regionalen Interessen andererseits bestehenden politischen Kraftfeld. Dabei ist sie zweifellos Anwalt der regionalen Interessen: Sie will die geplanten Entwicklungsmaßnahmen für das gesamte Flussbecken optimal gestalten und nicht nur für einzelne Staaten. Allerdings müssen nationale Interessen berück­sichtigt werden, um längerfristig keine Partikularisierung der Mitgliedsstaaten oder gar den Bruch der Einheit der Staatengemeinschaft – bisher ihre größte Stärke – zu riskieren.

Das zeigt sich etwa am Bau und künftigen Betrieb der drei geplanten Großstaudämme und Wasserkraftwerke Fomi in Guinea, Taoussa in Mali und Kandadji in Niger. Ein Staudamm kann die Energie- und Nahrungsmittelproduktion erhöhen, zugleich aber flussabwärts den Wasserstand senken, Produktionskapazitäten verringern und der Umwelt schaden. Die Mitgliedsstaaten haben zwar prinzipiell festgelegt, einen Teil ihrer Souveränität zugunsten des Gemeinwohls an die ABN abzugeben. Bei konkreten Projekten könnten die nationalen In­te­res­sen jedoch auseinander­gehen.

Hier liegt nun die Kernaufgabe der ABN: Sie hat zwar keine hoheitlichen Befugnisse und kann beispielsweise keinem Mitgliedsland verbieten, ein bestimmtes Großprojekt durchzuführen. Sie kann aber sehr wohl für die übergeordneten Interessen des gesamten Beckens eintreten. So kümmert sie sich darum, dass vor Beginn eines Projektes Studien erstellt werden, die nach international gültigen Kriterien die positiven und negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die sozioökonomischen Folgen eines Staudammbaus aufzeigen. Die ABN organisiert den Input internationaler Expertise. Sie sorgt dafür, dass In­formationen schnell und umfassend zu allen Mitgliedern gelangen. Sie initiiert Dis­kussions- und Abstimmungsprozesse auf politischer und technischer Ebene. Und, wenn nötig, vermittelt sie zwischen den Parteien.

Um die unterschiedlichen Interessen auszutarieren, braucht es diplomatisches Geschick, politische Unabhängigkeit, Beharrlichkeit und gute Argumente. Für viele Probleme hat die ABN Lösungen erarbeitet, einige Fragen sind noch nicht vollständig geklärt, zum Beispiel:
– Wie können die Länder, die im Fluss­­becken, aber nicht direkt am Niger liegen, an der Entwicklung teilhaben („benefit sharing“)?
– Wer ist der „Herr der Staudämme“, wenn diese ihren Betrieb aufgenommen haben, und welche Rolle wird der ABN dabei zukommen?

Die ABN erscheint als die Organisation, die am ehesten in der Lage ist, die richtigen Antworten zu finden – dank ihrer Planungsarbeit und Projekterfahrungen sowie ihrer Fähigkeit, die zwischenstaatliche Kommunikation zu organisieren.

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.