Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Privatsektor

Politikwechsel

Wo die Rahmenbedingungen für eine funktionierende Markt­wirtschaft nicht gegeben sind, muss eine klare Wirtschaftspolitik her – mit Infrastrukturmaßnahmen, Krediten und Förderungen. Mosambik ist so ein Fall, aber es gibt dort noch viele Hürden.

Von Friedrich Kaufmann und Winfried Borowczak

Industriepolitik ist wieder in: Spätestens seit 2008 der chinesische Wissenschaftler Justin Lin zum Chefökonomen der Weltbank wurde – seine Amtszeit ist gerade abgelaufen –, ist der Begriff auch in der Entwicklungszusammenarbeit wieder salonfähig. Unter „Industriepolitik“ verstehen wir „industrial policy“, die sich auf die gesamte Ökonomie bezieht und nicht nur auf das verarbeitende Gewerbe, was dem herkömmlichen deutschen Sprach­gebrauch entspräche. Industriepolitische Vorbilder in Asien bleiben attraktiv. Die UNIDO (UN Industrial Development ­Organisation) baut derzeit ihre industrie­politischen Beratungskapazitäten wieder aus, denn die Nachfrage steigt. Die neo­liberale Marktgläubigkeit schwindet, und es verbreitet sich die Ansicht, dass Armut und Unterentwicklung nur wirksam bekämpft werden können, wenn die Arbeitsproduktivität in unterentwickelten Ländern erhöht wird. Das muss – so das entstehende neue Paradigma – in strategischen Sektoren politisch unterstützt werden.

Mosambik ist dafür ein gutes Beispiel. Der Privatsektor spielt dort eine wachsende Rolle und sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt steigt beständig. Die Produktivität der von kleinen und mittelständischen Unternehmen dominierten Wirtschaft ist aber weiterhin extrem niedrig. Eine Ausnahme bilden auslandsfinanzierte Großprojekte vor allem im Rohstoffsektor.

Derweil bemühen sich Staat und Regierung seit Jahren mit Unterstützung der Geber, die Rahmenbedingungen der Wirtschaft zu verbessern, um Wettbewerb, Innovationen und Investitionen zu stimulieren. Es ist aber eine große Herausforderung, eine kohärente und Gemeinwohl steigernde Industriepolitik zu formulieren und zu implementieren.

Zwei Schulen

Unumstritten ist die so genannte „funktionale“ Politik. Sie zielt auf bessere Rahmenbedingungen für die Gesamtwirtschaft ab. Dazu zählen Geldwertstabilität, Infrastruktur sowie Schul- und Berufsbildung. Auch die Veranstaltung von Messen und anderen Großevents kann sinnvoll sein. In Mosambik laufen derzeit sinnvolle funktionale Maßnahmen, leider bleibt ihre Wirkung aber begrenzt (siehe Kasten nächste Seite).

Das hat mit der umstrittenen „selektiven“ Industriepolitik zu tun. Diese fördert spezifische Unternehmen, Branchen oder Regionen mit Steueranreizen, vergünstigten Krediten, Zuschüssen, Schutzzöllen und anderen Instrumenten. Sie führt fast immer zu Interessenkonflikten, und es obliegt dann den politisch Verantwortlichen, einen Minimalkonsens darüber herzustellen, dass die jeweilige Intervention im Interesse aller geschieht. Auf diesem Feld ist in Mosambik stimmiges Handeln kaum zu erwarten, weil die Spitzenleute aus Politik und Wirtschaft über die FRELIMO, die Re­gierungspartei und frühere Unabhängigkeitsbewegung, eng verflochten, ja teilweise identisch sind und eher im Eigeninteresse handeln, als das Gemeinwohl zu fördern.

Grundsätzlich traut man entwickelten Ländern der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) mit guter Amts- und Regierungsführung eine erfolgreiche Industriepolitik zu. Darüber, ob Regierungen und Behörden von Entwicklungsländern dazu in der Lage sind, gibt es dagegen kaum gesicherte Erkenntnisse. Etwas Klarheit bringen zwei Studien des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Die erste untersucht die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche Industriepolitik in Entwicklungsländern (Altenburg 2011) und die zweite beschäftigt sich mit der Situa­tion in Mosambik (Krause und Kaufmann 2011).

Es gibt viele gute Gründe für Industriepolitik in Entwicklungsländern. Der simpelste Grund ist Marktversagen.

Erfolgsbedingungen

Dass Industriepolitik nötig ist, bedeutet aber noch nicht, dass sie auch möglich ist. Tilman Altenburg vom DIE zufolge hängt der Erfolg von vier Aspekten ab:
– Nötig ist eine klare Vision. Regierung und Verwaltung müssen die strategische Kapazität haben, eine am Gemeinwohl orientierte Industriepolitik zu entwerfen und mit Wirtschaft, Gesellschaft und Gebern abzustimmen und durchzusetzen.
– Regierung und Verwaltung müssen fähig und willens sein, faire Spielregeln zu definieren und diese auch durchzuhalten.
Sie dürfen dabei keine Einzelinteressen begünstigen und müssen jegliche Kartelle, Mono- und Oligopole konsequent regulieren.
– Der Staat braucht ausreichend kom­petentes Personal, um notwendige Dienstleistungen und Verwaltungsakte zu erbringen. Gebraucht werden eine transparente, integre und an Sachkrite­rien orientierte Verwaltung sowie Dialogplattformen mit der Wirtschaft.
– Für erfolgreiche selektive Industriepolitik sind schließlich in Regierung und Verwaltung der Willen und die Fähigkeit erforderlich, Wirtschaftssektoren, einzelne Branchen oder Regionen strategisch geschickt zu bevorzugen, ohne dass Dauerabhängigkeiten entstehen.

Mosambiks Realität

Diese Kriterien sind in Mosambik derzeit überwiegend nicht erfüllt. Bisher waren Regierung und Verwaltung nicht in der Lage, eine industriepolitische Vision zu entwerfen und auf dieser Basis eine Strategie zu formulieren, die andere Akteure überzeugt. Vielmehr handeln sie eher reaktiv. Sie folgen Gebervorstellungen und Vorgaben internationaler Investoren.

Das Ergebnis ist einerseits ein Flickenteppich diverser industriepoli­tischer Kleinmaßnahmen, Projekte und Programme und andererseits eine staatlich begünstigte, enklavenar­tige Roh­stoffökonomie, die von Großunternehmen dominiert wird. Das bedeutet mit anderen Worten: Schlecht gemachte selektive Politik schafft Privilegien und untergräbt damit an sich sinnvolle funk­tionale Maßnahmen.

Das Setzen und die Einhaltung klarer und transparenter Regeln bleiben ein Problem in Mosambik. Häufig begünstigt der Staat Einzelinteressen, etwa wenn auslandsfinanzierte Großprojekte Sonderbehandlungen erfahren und, wenn überhaupt, nur symbolische Steuern zahlen. Politische Entscheidungen sind ebenso intransparent wie das Verwaltungshandeln. In Sektoren wie Transport/Luftverkehr,
Tele­kommunikation und Energieversorgung gibt es öffentliche und private Monopol- und Oligopolunternehmen, die kaum Regulierungen unterliegen. Eine Kartellgesetzgebung gibt es bislang nicht.

Ministerien und nachgeordnete Behörden sind vielfach kaum fähig, qualitativ anspruchsvolle Dienstleistungen zu erbringen. Die Beamten sind nicht selten unzureichend qualifiziert oder schlecht motiviert. Obendrein sind die Behörden schlecht ausgestattet. Auch die Justiz funktioniert nur un­zureichend. Korrup­tion ist auf allen Ebenen verbreitet. Ein Grund dafür ist, dass Regierung und Behörden gleichermaßen von der FRELIMO durchdrungen sind.

Sie regiert, seit Mosambik 1975 unabhängig wurde. Für Personalentscheidungen hat politische Loyalität meist Vorrang vor Sachkriterien. Die Regierungspartei prägt derweil auch das Spitzenmanagement in der Wirtschaft. Präsident Armando Guebuza zählt zu den reichsten Unternehmern des Landes. Solcherlei Vermischung von Rollen und Interessen erschwert sachrationale Industriepolitik und deren objektive Evaluierung.

Die FRELIMO-Nomenklatura ist daran auch nur bedingt interessiert. Schließlich profitieren ihre Mitglieder in ihren wirtschaftlichen Zweitfunktionen von der boomenden Rohstoffindustrie, Finanzgeschäften, der Spekulation mit Klimazertifikaten, massivem Landraub und anderen Geschäften.

Fazit

Mosambik ist zurzeit kein fruchtbares Feld für selektive Industriepolitik. Für die FRELIMO-Spitze wäre ein dem DIE-Katalog entsprechendes Vorgehen sogar kontraproduktiv, da es ihre Spielräume einengen würde. Das Parlament mit seiner FRELIMO-Mehrheit und die politische Opposition gelten als schwach. Eine autonome Unternehmerschaft gibt es nicht. Systemkritische zivilgesellschaftliche Organisationen und aufgeklärte Wissenschaftler sind weitgehend isoliert.

Die Gebergemeinschaft, die Mosambik Budgethilfe gewährt, tut sich schwer, diese Probleme offen gegenüber der Regierung zu thematisieren und beispielsweise eine sachgemäße Regelung von Interessenkonflikten einzufordern. Die Rahmenbedingungen für eine zielführende Industriepolitik sind deshalb in Mosambik derzeit nicht gegeben. Den Erfolg an sich sinnvoller funktionaler Politikmaßnahmen unterminiert derzeit eine selektive Politik, die eindeutig Partikularinteressen, aber nicht dem Gemeinwohl dient.

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