Welthandel
Blockierte Wachstumschancen
Von Peter Hauff
Die Schweizer Organisation Global Trade Alert dokumentiert Protektionismus in aller Welt. Sie meldete schon im November 2011 zunehmende Spannungen im Welthandel. Ursache seien die Folgen der Finanzkrise von 2008. Auch der jüngst veröffentlichte Jahresbericht der Welthandelsorganisation (WTO) warnt vor immer mehr Hindernissen im Warenverkehr. Der WTO-Generaldirektor Pascal Lamy spricht sogar von „wirtschaftlichem Nationalismus“. Im Nachfeld der Finanzkrise verbuchte seine Organisation im vergangenen Jahr 340 neue protektionistische Maßnahmen, gegenüber 220 im Jahr 2010.
Zur Warnung erinnert die WTO ihre Mitgliedsstaaten an die Depression der 1930er Jahre: Damals hätten viele Länder ihre wirtschaftlichen Beziehungen unterbrochen und auf Binnenmärkte gesetzt. Dadurch wurde die Krise der Weltwirtschaft weiter verschärft. Auf einem ähnlichen Weg befinden sich in Lamys Augen derzeit vor allem Schwellenländer. Viele von ihnen versuchten, die eigenen Märkte abzuschotten. Die Importzölle der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur zum Beispiel seien seit 2011 deutlich gestiegen.
Argentinien hält laut Global Trade Alert den Weltrekord – mit fast 200 neuen Handelsbeschränkungen. Nach der wirtschaftlichen Krise im Jahr 2002 hat Buenos Aires seine Vorschriften, Gebühren und Verbote keineswegs gestrichen, sondern im Nachfeld der Finanzkrise sogar ausgeweitet. Präsidentin Cristina Kirchner beschränkt Importe, um die Wertschöpfung im Land zu erhöhen. Das stört andere Mercosur-Mitglieder. Rund ein Drittel der argentinischen Importe stammt aus Paraguay, Brasilien und Uruguay.
Brasilien kommt laut Global Trade Alert ebenfalls auf 81 neue protektionistische Maßnahmen. Südamerikas größte Volkswirtschaft hat beispielsweise vor kurzem Steuern auf Importautos erhöht. Russland ergriff laut Global Trade Alert 172 neue protektionistische Maßnahmen, China 95 und Indien 101.
Weitere Faktoren beeinträchtigen laut WTO den Welthandel. Dazu gehören unter anderem die hohe Verschuldung reicher Industrienationen, aber auch Naturkatastrophen – wie das Erdbeben und der Tsunami in Japan. Auch die unterbrochene Ölproduktion durch den Machtwechsel in Libyen schwächte den Handel. Sie führte zu einem Rückgang der Exporte afrikanischer Länder um acht Prozent, schreibt die WTO. Zudem hätten die Revolutionen in Tunesien und Ägypten das Handelsklima beeinträchtigt.
Peter Hauff