Schulgesundheit
Fitte Kinder
Wenn Kinder zur Schule gehen, müssen sie gesund sein, um lernen zu können, und lernen, gesund zu bleiben. Dies ist das Motto von Schulgesundheitsprogrammen. Kinder im Schulalter (5 bis 14 Jahre) sterben sehr selten, aber wenn sie krank oder mangelernährt sind, passen sie im Unterricht nicht auf, fehlen viele Tage und werden manchmal erst gar nicht eingeschrieben.
Der kumulative Verlust von intellektuellem Potenzial ist enorm. Bei chronischer Unterernährung, Anämie oder Wurmbefall kommt es laut Experten bei Kindern zum Verlust von IQ-Punkten. Forscher schätzen, dass auf der Welt etwa 45 Millionen Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung leben, die man im Kindesalter hätte verhindern können.
Schulen sind hervorragende Ausgangspunkte für die Gesundheitsbildung, denn sie sind von der Bevölkerung respektierte und dauerhafte Institutionen. Außerdem gehören Schulgesundheitsprogramme zu den kosteneffizientesten Maßnahmen im Gesundheitsbereich. Entwurmen kostet ungefähr ein Zehntel so viel wie eine Schulspeisung und nur ein Zwanzigstel so viel wie die Subvention von Schuluniformen. Programme zur Gesundheit und Ernährung für Schulkinder tragen zur Qualität der Erziehung bei.
Die Grundelemente von Schulgesundheitsprogrammen wurden im Jahr 2000 vom Welterziehungsforum „Erziehung für alle" in Dakar als Konsens zwischen den Vereinten Nationen (WHO, Weltbank, UNESCO und UNICEF) und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unter dem den Namen FRESH festgelegt. FRESH bedeutet „Focusing Resources on Effective School Health" (Ressourcen auf effektive Schülergesundheit konzentrieren) und beinhaltet:
Die Schulpolitik muss gesundheitsbezogen und sozial gerecht sein. Dazu gehören zum Beispiel Regeln für den Verkauf von Nahrungsmitteln auf dem Schulhof oder Verordnungen, die den Schulbesuch von jugendlichen Müttern erlauben, denn in vielen Ländern werden sehr junge Mütter der Schule verwiesen.
Lehrräume müssen sicher und hygienisch sein. Nötig sind etwa Waschbecken mit Seife oder getrennte Toiletten für Jungen und Mädchen. Besonders für weibliche Teenager ist eine hinreichende sanitäre Ausstattung wichtig, damit sie während ihrer Regelblutung nicht der Schule fernbleiben.
Die Gesundheitsbildung muss gesunde Verhaltensweisen praktisch vermitteln, wobei das Kind selbst im Mittelpunkt steht. Eine Reihe von Themen von A wie Abwasser bis Z wie Zähne sind wichtig, und sie sollten in den Sprach-, Rechen-, natur- und sozialwissenschaftlichen Unterricht integriert werden. So kann man in Mathematik die Kubikmeter einer Latrinengrube errechnen oder in Chemie das Salz auf seinen Jodgehalt prüfen. Auch die Sexualaufklärung darf im Zeitalter von HIV/Aids nicht fehlen.
Es muss Dienstleistungen im Gesundheits- und Ernährungsbereich für Kinder im Schulalter geben. Dies beinhaltet meist Entwurmungskuren, Vitamin- oder Eisentabletten und Erste-Hilfe-Kästen, aber auch regelmäßige Kontrolle der Seh- und Hörfähigkeit. Derlei kann eine Grundschullehrerin problemlos durchführen.
Fortschritt in Haiti
Die internationale NGO Save the Children unterhält Schulgesundheitsprogramme in 32 Ländern, die im Jahr 2012 etwa 3,5 Millionen Kinder erreichten. Beispielsweise in Haiti, wo Henock Savain Leiter des Gesundheitsamts im Bezirk Déssalines ist. Er erklärt, dass seit dem Ausbruch einer Cholera-Epidemie nach dem katastrophalen Erdbeben im Januar 2010 das Bewusstsein darüber gewachsen sei, dass das Land sowohl Gesundheitserziehung als auch Behandlungszentren brauche: „Save the Children hat uns bei beiden Ansätzen unterstützt, vor allem bei der Gesundheitserziehung in den Schulen."
Derzeit ist in Haiti laut Savain das größte Problem die Medikamentenversorgung: „Wir haben deshalb Save the Children gefragt, ob sie uns mit Medikamenten unterstützen, dann können wir die Kinder im Schulalter behandeln, wenn sie krank werden." Die Kinder bekämen dann zumindest die Basismedikamente und die Sprechstunde umsonst, so eine Art Schülerversicherung.
Der Gesundheitsamtsleiter erklärt, dass zwar viele internationale Gelder nach Haiti kämen, die Behörden aber bei der Planung der Gesundheitsversorgung sich selbst überlassen seien: „Wir müssen hier ja zum Teil auf Pferden in die Dörfer reiten, damit alle geimpft werden." Die verschiedenen Sektoren Gesundheit, Erziehung und Wasser/Abwasser arbeiteten normalerweise nicht zusammen. Savain hat das Problem teilweise gelöst, indem er in seinem Distrikt viermal im Jahr eine Koordinierungssitzung mit NGOs und allen anderen Akteuren in seinem Bereich abhält. Er erarbeitet einen Jahresplan, was immerhin etwas mehr Koordination als früher bedeute.
Für die Betroffenen hat sich durch die Schulgesundheitsprogramme bereits viel zum Positiven verändert, wie die Direktorin der staatlichen Mädchenschule in Déssalines, Marie Michel Napoléon, findet: „Früher waren die Klassenräume immer verschmutzt. Jetzt werfen die Kinder den Müll in den Mülleimer." Der verbesserte Ernährungszustand sei für Eltern und Lehrer direkt spürbar, versichert die Mutter eines Mädchens aus einer Dorfschule: „Wenn die Kinder Eisen- und Vitamintabletten in der Schule bekommen, essen sie ordentlich und schlafen gut." Die Kinder hätten nun ein ganz anderes Verhältnis zur Sauberkeit. Sie achteten darauf, dass das Wasser mit Chlor behandelt werde, und liefen nicht mehr barfuß, da sie wüssten, dass sie von Hakenwürmern befallen werden könnten.
Caroline Sölle de Hilari ist Ärztin und arbeitet als Spezialistin für Schulgesundheit in Lateinamerika und der Karibik für Save the Children.
chilari@savechildren.org
Referenzen:
Gesundheit in Schulen: http://www.schoolsandhealth.org/pages/default.aspx
UNESCO, UNICEF, UNODC, World Bank, WHO, Save the Children, Partnership for Child Development, Education International, EDC, AIR., 2013: Monitoring and Evaluation Guidelines for School Health Programmes: Eight Core Indicatores to Support FRESH (Focusing Resources on Effective School Health.
http://www.unesco.org/new/health-education