Kommentar

Bittersüßer Nachgeschmack

Viele Entwicklungsländer haben sich intensiv auf das High Level Forum on Aid Effectiveness in Busan vorbereitet – und mussten dort feststellen, dass ihre Anliegen kaum beachtet wurden.

Von Karin Slowing Umaña

Die Delegationen aus Guatemala, El Salvador, Honduras, Costa Rica, Panama, Bolivien und der Dominikanischen Republik hatten eine gemeinsame Position, als sie nach Busan reisten. Wir wussten, was wir wollten. Zwei Jahre lang hatten wir uns intensiv miteinander vorbereitet – auf dem Gipfel fanden wir ­jedoch kaum Gehör. Ähnlich erging es D­elegationen aus anderen benachteiligten Weltgegenden.

Wir erhofften uns einen Dialog auf Augenhöhe, um die Schritte abzustimmen, mit denen die Ziele erreicht werden, die solche hochrangigen Foren wie 2005 in Paris und 2008 in Accra formuliert hatten. So wäre etwa eine Diskussion darüber sinnvoll gewesen, warum viele Geberins­titutionen ihre Pariser Verpflichtungen nicht ausreichend beherzigen, wie eine Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gezeigt hat. Das wurde in Busan zwar erwähnt, hatte aber für die neue Gipfelerklärung kaum Konsequenzen. Das verheißt für die Implementierung der neuen Vereinbarung nichts Gutes.

Ich habe den Eindruck, dass die Teilnehmer sich mit typischer Gipfelrhetorik begnügten, anstatt handfeste Ergebnisse zu erreichen. Ich habe vier Thesen dazu, was Busan bedeutet:
– Die Allianz der Geber mit Afrika wurde bekräftigt. Das ist gut, überdeckt aber, dass Länder mit mittleren Einkommen – besonders in Lateinamerika – mit Problemen ungleicher Verteilung kämpfen. Weil das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen das nicht widerspiegelt, sollte es nicht das einzige Kriterium für Entwicklungshilfe sein.
– Lateinamerika muss damit rechnen, dass es bald weniger offizielle Entwicklungshilfe bekommt. Die traditionellen Geber wollen als Ausgleich mehr Engagement von nichtstaatlichen Akteuren. Aber in Guatemala zum Beispiel kommen viele Privatunternehmen ihren Pflichten als Steuerzahler und faire, gesetzestreue Arbeitgeber kaum nach. Beim Aufbau stärkerer staatlicher Strukturen wäre Geberunterstützung weiterhin wertvoll.
– Die Geber formulieren neue und teilweise beunruhigende Ideen. Ja, die Messbarkeit von Ergebnissen ist wichtig. Aber die Sprache mancher Vertreter der reichen Welt weist auf eine neue Generation der Konditionierung von Entwicklungshilfe hin. Dabei hieß es in Paris und Accra, Entwicklungshilfe werde nicht an Bedingungen geknüpft. Auch wenn Geber statt Entwicklungshilfe nun Entwicklungsfortschritte betonen, klingt das manchmal so, als wollten sie sich aus der Verantwortung stehlen.
– Busan hat erstmals die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) als Geber einbezogen. Das ist für die traditionellen Geber sinnvoll, aber welche Konsequenzen für Umfang und Qualität der Entwicklungshilfe es auf Dauer hat, bleibt abzuwarten.

Es gab selbstverständlich auch positive Ergebnisse. Die Süd-Süd-Kooperation nimmt in der neuen Erklärung viel Raum ein. Das war ein lateinamerikanisches Anliegen. Unser Subkontinent hat eine erfolgreiche Tradition gegenseitiger Hilfe. Auch die Geber bewerten die Süd-Süd-­Kooperation nun als wertvolles und wirkungsvolles Instrument. Allerdings kann sie die traditionelle Entwicklungshilfe nicht ersetzen.

Das vierte High Level Forum hinterlässt einen bittersüßen Nachgeschmack – und mehr Fragen als Antworten. Was kommt nach Busan? Ist der Zyklus von Nachdenken und Handeln, der 2003 in Rom begann und zwei Jahre später in Paris einen ersten vielversprechenden Höhepunkt erreichte, nun zu Ende? Wann werden die Geberversprechen erfüllt? Wir werden uns um positive Antworten bemühen müssen, von selbst ergeben sie sich nicht.

Wir hatten von Busan eine Orientierung für die nächsten Schritte erwartet. Wir sind aber ohne solch ein Gefühl abgereist. Also werden sich lateinamerikanische Regierungen Anfang 2012 erneut treffen, um die Lage zu beraten. Und das ist auch Ausdruck des wichtigsten Ergebnisses der bisherigen Aid-Effectiveness-Agenda. Wir Empfängerländer sind stärker geworden. Wir entwickeln unsere eigenen Konzepte und schmieden unsere eigenen Allianzen. Dass wir auf Entwicklungspartnerschaften auf Augenhöhe mit den Gebern bestehen, ist wirklich ein hochrangiges Ergebnis – aber es reicht nicht.

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