Fachliteratur
Versprechen einhalten
Ownership, Alignment und Geberharmonisierung.
[ Von Imme Scholz ]
Der Klimawandel ist bereits zu spüren. Die globale Temperatur wird mindestens um zwei Grad ansteigen, und das wird Struktur und Funktionsweise terrestrischer und maritimer Ökosysteme verändern – mit negativen Folgen für die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Das hält die Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC 2007 fest (Parry et al. 2007).
Entwicklungspolitisch ist eine weitere Aussage ihres Berichts spannend: Die Vulnerabilität für die Folgen des Klimawandels hängt vom eingeschlagenen Entwicklungspfad ab. Von Nahrungsknappheit, Überschwemmungen oder auch Wasserknappheit werden nämlich umso mehr Menschen betroffen sein, je höher das Bevölkerungswachstum und je niedriger das Pro-Kopf-Einkommen ausfallen. Das bedeutet, dass typische entwicklungspolitische Interventionen – etwa für die Armutsbekämpfung oder die Stärkung der Stellung von Frauen – auch mit Blick auf die Anpassung an den Klimawandel wichtig sind. Klar ist auch, dass höheres Wirtschaftswachstum nicht per se die Anpassungsfähigkeit stärkt. Es kommt darauf an, worauf es beruht, welche Verteilungseffekte es gibt und ob soziale Grunddienstleistungen (Gesundheit, Bildung) verbessert werden.
Solche Überlegungen greift das UNDP (2008) in seinem aktuellen Bericht zur menschlichen Entwicklung auf. Darin heißt es, der Klimawandel sei „das alles überragende Problem der menschlichen Entwicklung in unserer Generation“ (deutsche Zusammenfassung,
S. 9). Notwendig sei, „unsere Sichtweise des Fortschritts“ in Frage zu stellen, „unsere Wirtschaftsaktivitäten und unseren Konsum wieder in Einklang mit den ökologischen Tatsachen zu bringen“ und „Umweltschutzerfordernisse in den Mittelpunkt der Volkswirtschaft“ zu stellen (S. 34 f.). Das UNDP benennt fünf zentrale Problemfelder:
– Agrarproduktion und Ernährungssicherung,
– Wasserknappheit und ungesicherte Wasserversorgung,
– Ansteigen des Meeresspiegels und Anfälligkeit gegenüber extremen Wetterereignissen,
– Veränderungen der Ökosysteme und Rückgang der Biodiversität sowie
– neue Gesundheitsgefahren.
Das UNDP warnt vor negativen, sich selbst verstärkenden Wirkungsketten. In Notlagen sind arme Haushalte gezwungen, Produktionsmittel zu verkaufen, weniger zu essen und Bildungs- und Gesundheitsausgaben einzusparen. Folglich schwinden ihre Chancen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Daraus folgt die UNDP-Forderung, „den Faktor Anpassung in alle Bereiche der Maßnahmenentwicklung und der Planung der Armutsbekämpfung einzubeziehen“ (S. 31).
Entscheidend sei, dass die Industrieländer neue und zusätzliche Mittel bereitstellen. Über das bestehende Versprechen hinaus, die staatliche Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung der OECD-Länder zu erhöhen, seien weitere 0,2 Prozent für die Anpassung an den Klimawandel erforderlich.
Offenkundig muss geklärt werden, wie Entwicklungs- und Klimapolitik zueinander stehen sollen und wie die nötigen Mittel aufgebracht werden können. Diesen Fragen widmen sich drei kurze Studien des World Resources Institute (McGray et al. 2007), des Oxford Institute for Energy Studies (Müller 2008) und einer Autorengruppe im Auftrag von WWF und Heinrich-Böll-Stiftung (Porter, Bird, Peskett 2008).
Die Gruppe um Heather McGray versteht „Anpassung“ als komplexes, multidimensionales Politikfeld, das vorbeugende und reaktive Maßnahmen umfasst. Klar ist dabei, dass entwicklungspolitische Interventionen Armut auf Dauer nur dann reduzieren können, wenn sie den Klimawandel von vornherein mitberücksichtigen. Investitionen in das Ressourcenmanagement allein helfen nicht, wenn künftige Engpässe nicht mitbedacht werden. Hier besteht ein erheblicher konzeptioneller und praktischer Lernbedarf für die Entwicklungspolitik und ihre Organisationen. Das gilt aber auch für das Bundesumweltministerium, dessen Internationale Klimainitiative ebenfalls auf Anpassung eingehen soll. Die Politikfelder Entwicklung und Umwelt müssen sich, so die Botschaft, komplementär ergänzen.
Müller (2008) untersucht Vorschläge, die zur Finanzierung von Anpassung im UNFCCC-Rahmen und außerhalb gemacht wurden. Akzeptabel erscheinen ihm nur radikale Ansätze für ein Klimaregime, das sich nicht mit inkrementellen Schritten (etwa in der Entwicklungspolitik) begnügt und das Mittel zuverlässig und in ausreichender Höhe generiert. Zwei Konzepte genügen diesem Anspruch laut Müller:
– erstens der norwegische Vorschlag, einen kleinen Teil der Emissionsrechte (zum Beispiel zwei Prozent) in einem einzurichtenden internationalen Kohlenstoffmarkt zurückzuhalten, über eine internationale Organisation zu versteigern und die Einnahmen (bei zwei Prozent etwa 14 Milliarden Dollar im Jahr) für die Anpassungsfinanzierung über einen Fonds zu verwenden, und
– zweitens die Idee, die unter anderem von Brasilien und Frankreich propagiert wird, den internationalen Luftverkehr zu besteuern und so vier bis zehn Milliarden Dollar zu erheben.
Die WWF/Böll-Studie (Porter et al. 2008) analysiert die Haltung bi- und multilateraler Geber. In den vergangenen 18 Monaten wurden 14 neue Fonds (davon acht bilateral und sechs multilateral) aufgelegt, die sich sowohl Fragen der Emissionsminderung als auch der Anpassung widmen sollen. Die Autoren bezweifeln, dass diese Vielfalt sinnvoll ist. Sie bemängeln Überlappung der Initiativen und hohe Transaktionskosten. Offenbar wollten sich einzelne Geber profilieren. Zu Gunsten von Effizienz und Legitimität seien Harmonisierung und Reformen in multilateralen Institutionen von Weltbank bis zu den UN nötig.
Mit Gerechtigkeitsfragen des Klimaregimes beschäftigt sich ein Sammelband von Neil Adger et al. (2006). Die Beiträge bilden den Stand der Anpassungsforschung in Bezug auf Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit ab. Die Herausgeber konstatieren, dass Gerechtigkeitsüberlegungen bisher auf die Minderung von Treibhausemissionen abzielten, aber Probleme der Anpassung an die Folgen noch kaum berücksichtigt haben.
Die Autoren warnen, es gehe nicht nur um Verteilungsfragen (und die Bereitstellung von Geld). Der Klimawandel sei ein vielschichtiges Phänomen, dessen Bewältigung an den Kern bestehender Entwicklungsstrategien gehe. Dabei werde es Gewinner und Verlierer geben. Vier wichtige Prinzipien werden konstatiert:
– universelle Partizipation,
– Verantwortung der Industrieländer für den Klimawandel,
– ihre entsprechende Verpflichtung, verletzlichen Gesellschaften beizustehen, und
– Vorrang der Unterstützung der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen.
Klar ist, dass die akademische Anpassungsdebatte damit den Kernbereich des aktuellen entwicklungspolitischen Diskurses erreicht: Es geht auch hier um Policy Ownership, Alignment und Geberharmonisierung.
Lesenswert ist in diesem Zusammenhang eine Monographie von Timmons Roberts und Bradley Parks (2007). Die Autoren untersuchen die Nichtkooperation, die seit langem die Klimapolitik lähmt. Sie schreiben, die Dritte-Welt-Rhetorik vieler Unterhändler aus Entwicklungsländern sei nicht hohl, sondern beruhe auf der Erfahrung, dass die volkswirtschaftlich stärksten Staaten ständig die globalen Regeln neu schreiben, zugleich aber eingegangene Verpflichtungen nicht erfüllten.
Die Autoren stellen die Klimapolitik in den Kontext asymmetrischer globaler Wirtschaftsbeziehungen. Während die Industrieländer Klima- von anderen Verhandlungen (etwa über den Welthandel) abtrennten, weigerten sich die Entwicklungsländer zu Recht, eine unterschiedliche Moral und Logik in unterschiedlichen globalen Arenen zu akzeptieren.
Als konstruktive Elemente einer neuen Strategie schlagen die Autoren den Industrieländern unter anderem vor:
– dem Süden sichtbare, irreversible, unkonditionierte und aufwendige Angebote zu machen,
– Versprechen in der Handelspolitik oder der öffentlichen Entwicklungshilfe (0,7 Prozent) zu erfüllen und
– Lasten fair zu verteilen (wie beispielsweise im Montreal Protokoll über den Schutz der Ozonschicht bereits geschehen).