Bildende Kunst in China
Kunst als Widerschein kosmischer Harmonie
Es geht der traditionellen chinesischen Kunst nicht darum, die Wirklichkeit abzubilden, geschweige denn um die bildnerische Aussprache einer Persönlichkeit – sondern um die Annäherung an eine ideale Welt, als Widerschein allumfassender, kosmischer Harmonie. Ihre fein getuschten Konturen entgrenzen sich mystisch, und mit ihnen der Betrachter.
Konfuzianisch geschult, bemühten sich die Adepten vor allem darum, ihre Meister bestmöglich zu kopieren, vielleicht sogar einen noch leichteren Strich zu führen, eine noch erhabenere Landschaft zu entfalten. Eng verbunden ist die traditionelle chinesische Malerei mit der Kalligraphie, der anderen großen Kulturdisziplin von ebenfalls meditativem Charakter.
Das Interesse an westlicher Kunst und Freiheit des Ausdrucks kam erst auf, als das chinesische Kaiserreich im 19. Jahrhundert unter dem Druck der Kolonialmächte in sich zusammenstürzte. Einige Maler wollten sich nicht mehr träumerischer Innerlichkeit hingeben, sondern die Wirklichkeit ins Auge fassen – ohne jedoch ganz mit der Tradition zu brechen. Xu Beihong (1895–1953) etwa malte stolz galoppierende Pferde als Symbol einer wieder erwachenden Nation. Unter Maos Diktat beschränkte sich die bildende Kunst weitgehend auf Propagandakitsch. Das bedeutete 30 Jahre Stillstand.
Die Zeit nach Maos Tod war geprägt von erneuter Begeisterung für die westliche Kunst. Stilistisch bedeutete das vielfach Adaption. Kommerziell setzte sich eine Pekinger Variante der Pop Art durch: bunt, plakativ, karikierend, laut. Einer der ersten Entdecker der neuen chinesischen Szene war der Schweizer Diplomat Uli Sigg. Seine Sammlung gilt heute als größte und wichtigste ihrer Art. 2018 will er sie dem Museum M+ für Bildende Kunst in Hongkong übereignen. (fa)