Klimawandel

Zusätzliche Aufgaben

Die Europäische Union hat zum erklärten Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, und setzt sich hierfür in den internationalen Verhandlungen ein. Aber selbst ein derart begrenzter Anstieg wird erhebliche, negative Auswirkungen auf Ökosysteme haben. Deshalb ist die gesteuerte Anpassung menschlicher Lebensräume notwendig. Die Erfahrungen und Instrumente der internationalen Entwicklungszusammenarbeit müssen genutzt werden, um diesen ungewohnten Herausforderungen gerecht zu werden.


[ Von Manfred Konukiewitz und Laura Schmidt ]

Entwicklungsländer sind angesichts des Treibhauseffekts besonders verletzlich. Drei Faktoren bestimmen das Ausmaß der Vulnerabilität:
– die Exposition (wie stark die Veränderungen in einem Land ausfallen),
– die Empfindlichkeit (welche Konsequenzen der Wandel hat) und schließlich
– die Anpassungskapazität (die Möglichkeiten, sich auf Veränderungen einzustellen und sich vor negativen Folgen zu schützen).

Alle drei Faktoren machen den Handlungsbedarf in armen Staaten besonders groß. Anders als die meisten Industrieländer, die in gemäßigten klimatischen Zonen liegen, sind sie aufgrund ihrer geographischen Lage stark exponiert. In den Tropen und Subtropen kommen Extremwetterlagen wie Wirbelstürme oder Dürren häufiger vor und fallen stärker aus. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) prognostizierte in seinem vierten Sachstandsbericht 2007, dass die Intensität und Häufigkeit solcher Ereignisse zunehmen werden.

Viele Entwicklungsländer sind zudem besonders empfindlich, weil die wetterabhängige Landwirtschaft ihre Ökonomien prägt. Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Teil der Bevölkerung von Subsistenzlandwirtschaft lebt.

Diese Menschen verfügen nicht über die Kaufkraft, um auf Nahrungsmittelimporte zurückzugreifen. Die Einkommens- und Nahrungsmittelsituation wird sich in diesen Ländern wegen der globalen Erwärmung verschlechtern. In Afrika dürften bis zum Ende des Jahrhunderts wegen knapper werdenden Wassers neun Prozent der gesamten Anbaufläche verlorengehen.

Auch um die Anpassungskapazitäten ist es in Entwicklungsländern typischerweise schlecht bestellt. Zum einen fehlt es an Geld für gezielte Maßnahmen, zum anderen herrscht oft Mangel an kompetentem Personal und handlungsfähigen Institutionen. Dies gilt besonders dort, wo politische Verhältnisse instabil sind oder Staaten sogar fragil sind.

In folgenden Regionen ist die Verletzlichkeit laut IPCC besonders hoch:
– in ganz Afrika wegen der erwarteten starken Klimafolgen und der geringen Anpassungskapazität,
– in den kleinen Inselstaaten, welche der Anstieg des Meeresspiegels in ihrer Existenz bedroht, und
– in den Großdeltaregionen und Küstenregionen in Asien und Afrika mit hohen Bevölkerungsdichten, die regelmäßig Überschwemmungen und Stürmen ausgesetzt sind.

Global können die Folgen des Klimawandels mit Hilfe von Temperaturanstiegsszenarien zunehmend sicher vorhergesagt werden. Regionale und lokale Prognosen sind dagegen weniger genau; es fehlt an ausreichenden Daten.

Festzustellen ist ein Nord-Süd-Gefälle. Die Datenlage ist in reichen Nationen sehr viel besser als in armen Staaten. Dennoch ist klar, dass Anpassung an den Klimawandel schon heute in alle Entwicklungsstrategien einbezogen werden muss. Der Handlungsbedarf ist immens.

Kohärente Strategien

Anpassung an den Klimawandel ist eine neue Aufgabe, darf aber kein zusätzlicher Sektor werden. Es geht nicht um separate Aktivitäten, sondern um kohärente Entwicklungsstrategien in armen Ländern. Das Stichwort „Adaptation“ wird diese Strategien zunehmend prägen. Der Treibhauseffekt muss als übergreifender Faktor in der Politik begriffen werden. Staaten und Zivilgesellschaft brauchen Unterstützung dabei, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eine langfristige Anpassungsstrategie zu formulieren, die ihr Engagement gegen die Armut und ihre Ursachen sinnvoll ergänzt und unterstützt.

Anpassung ist keine für Entwicklungsländer spezifische Aufgabe. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Strategie für Deutschland, damit künftig alle Ressorts den Klimawandel in ihrem Handeln berück­sichtigen. Die Entwicklungsländer sind allerdings auf internationale Unterstützung angewiesen. Als Hauptverursacher dieses Umweltproblems haben sich die Industrieländer in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) dazu verpflichtet, diese zu leisten.

Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt und berät Partner in Fragen der Anpassung an den Wandel. Vorrang hat zunächst die Integration von klimaspezifischen Faktoren in die allgemeine Entwicklungsplanung. So wird in Indien gemeinsam mit der Regierung erprobt, wie die Folgen des Klimawandels in der In­vestitions- und Entwicklungsplanung für den ländlichen Raum berücksichtigt werden können. In Tunesien und Indonesien wurde die Entwicklung von nationalen Anpassungsstrategien in den Bereichen Wasser und Landwirtschaft unterstützt.

Insgesamt muss sich die Entwicklungspolitik fragen, was zu tun ist, um die politische und sozioökonomische Verletzlichkeit der Menschen zu verringern und ihre individuellen und kollektiven Anpassungskapazitäten zu stärken. Wie bei der Armutsbekämpfung kommt es auf Dinge wie Einkommen, Zugang zu Land und Kredit, Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung und dergleichen mehr an.

Die deutsche Entwicklungspolitik wird darüber hinaus aber ihre Maßnahmen künftig einem „Klimacheck“ unterwerfen. So wird sichergestellt, dass sie
– klimaverträgliche Entwicklungspfade fördern,
– die Folgen und Risiken des Treibhauseffekts berück­sichtigen und
– maximal zur Stärkung der Anpassungskapazitäten beitragen.

Finanzfragen

Im Auftrag der britischen Regierung hat der prominente Ökonom Nicolas Stern die Folgen des Klimawandels für die Weltwirtschaft untersucht. Sein Bericht erregte Ende vergangenen Jahres großes Aufsehen. Eine Kernaussage war, dass ehrgeizige Emissionsminderung zwar teuer, aber notwendig ist, weil die Kosten der Anpassung um so höher ausfallen, je stärker der Klimawandel sein wird, und die der Prävention auf alle Fälle übersteigen dürften.

Zu den Kosten der Anpassung in Entwicklungsländern gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Laut UN-Klimasekretariat müssen im Jahr 2030 zusätzlich jährlich 28 bis 67 Milliarden Dollar aufgebracht werden. Dazu dienen Haushaltsmittel der jeweiligen Regierungen sowie Investitionen des Privatsektors. Doch das wird nicht reichen. Nötig sind auch externe Finanzhilfen.

Dem absehbar hohen Bedarf stehen bislang nur recht geringe Mittel gegenüber.
– Bislang verwaltet die Global Environment Facility (GEF) einschlägige Fonds und Programme von insgesamt etwa 300 Millionen Dollar.
– Vom nächsten Jahr an werden per anno 80 bis 300 Millionen Dollar aus dem Adaptation Fonds der UNFCCC hinzukommen. Dieser Anpassungsfonds wurde auf der Klimakonferenz in Bali beschlossen und wird aus einer Abgabe auf den Clean Development Mechanism (CDM) gespeist. Das Mittelvolumen wird entsprechend davon abhängen, wie sich der Markt für Emissionszertifikate entwickelt.
– Die Weltbank plant im Rahmen des kürzlich neu aufgelegten Climate Investment Funds Anpassungsaktivitäten mit einem Finanzvolumen von 500 Millionen bis 1 Milliarde Dollar.
– Auch bei der letzten Auffüllung der Weltbanktochter IDA (International Development Association), die den ärmsten Ländern konzessionäre Kredite gewährt, wurden zusätzliche Ressourcen für die Anpassung an den Klimawandel bereitgestellt.

Deutschland ist einer der Hauptbeitragszahler der multilateralen Einrichtungen GEF und Weltbank. Darüber hinaus stellt die Bundesregierung bilateral erhebliche Ressourcen zur Verfügung, die der Steigerung der Anpassungskapazität in Entwicklungsländern dienen.

Allein im Wassersektor hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick­lung für 2008 etwa 170 Millionen Euro für einschlägige Maßnahmen veranschlagt.

Im Haushaltsentwurf 2009 sieht die Bundesregierung insgesamt 5,7 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit vor und ist damit auf gutem Weg, seine Verpflichtungen im Rahmen des europäischen ODA-Stufenplans (0,51 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2010 und 0,7 Prozent bis 2015) zu erfüllen.

Dies schließt rund 100 Millionen Euro aus der Versteigerung von Emissionsrechten unter dem Europäischen Emissionshandelssystem ein. Weitere Mittel aus diesem innovativen Finanzierungsinstrument nutzt das Bundesumweltministerium für internationale klimapolitische Maßnahmen (inklusive Anpassung).

Es zeichnet sich ab, dass die externe Unterstützung überwiegend von den Institutionen und Fonds der Entwicklungsfinanzierung getragen wird. Entsprechend ist es essentiell, dass die Politik der Anpassung an den Klimawandel von den Entwicklungsländern selbst verantwortet wird. Prioritätensetzung und Schaffung von Kohärenz muss im nationalen Kontext geschehen. Noch sehen allerdings viele Regierungen Anpassung leider als reines Umweltthema. So wird es kaum gelingen, dauerhaft ausreichende Mittel aufzubringen und gesamtstaatliche Politik hinreichend zu koordinieren.

Perspektiven

Die Vertragsstaaten der UNFCCC beraten derzeit umfangreiche internationale Vereinbarungen zum Klimawandel für die Zeit nach 2012, also dem Ende der Bindungsdauer des Kyoto-Protokolls. Der Bali-Aktionsplan, das auf der Vertragsstaatenkonferenz im Dezember 2007 angenommene Verhandlungsmandat, stellt Anpassung an die Folgen des Klimawandels auf eine Stufe mit Minderung von Treibhausgasen.

Ein Schwerpunkt der Verhandlungen ist die Kooperation von Industrie- und Entwicklungsländern. Weil die Investitionen für Anpassung in Entwicklungsländern gewaltig steigen müssen, rückt dieses Thema ins Zentrum der Entwicklungsfinanzierung.

Es müssen Vereinbarungen über den Finanzbedarf, die Finanzierungsquellen sowie die Mittelverwendung getroffen werden. Auch die Prioritätensetzung ist umstritten. Das gilt auch für die Architektur der Klimafinanzierung, also die Aufgaben unterschiedlicher Akteure wie etwa der UN-Organisationen, der Bretton-Woods-Institutionen sowie der Regierungen der Industrie- und Entwicklungsländer selbst.

Wegen des immensen Mittelbedarfs müssen innovative Finanzquellen erschlossen werden. Vielversprechend sind Vorschläge, die Erlöse aus der Zuteilung beziehungsweise Veräußerung von Verschmutzungsrechten einbeziehen. Ein innovatives Beispiel ist in Deutschland bereits Praxis, denn Geld aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten fließt in die Finanzierung internationaler klimapolitischer Maßnahmen.

Wichtig ist jedoch auch, dass keine neuen Bürokratien in Form von Vergabeinstitutionen und Mittelabflusswegen geschaffen werden. Die Menschheit darf angesichts der Klimakrise keine Zeit vertrödeln. Die Hilfe wird auch nur dann effektiv die Verletzlichkeit der Menschen verringern, wenn sie die Erfahrungen und die neuen Instrumente und Verfahren der Entwick­lungszusammenarbeit nutzt, wie sie in der Paris Dec­la­ration vereinbart und erst jüngst in der “Accra Agenda for Action” weiterentwickelt wurden.