Reform im öffentlichen Sektor

Was ist schiefgelaufen?

Tansania hat ein ehrgeiziges Programm zur Verbesserung der öffentlichen Verwaltung aufgelegt. Nach acht Jahren sehen die Resultate der Reformen aber nicht überzeugend aus. Es gibt zu wenig Kontrolle durch das Parlament und auch die Kommunen haben immer noch nicht die Autonomie, die sie brauchen.

[ Von Ian Mamuya ]

Anfang 2000 hat die tansanische Regierung mit einem auf 11 Jahre angelegten Reformprogramm begonnen – dem Public Service Reform Programme. Es hatte vier Schwerpunkte:
– eine Anhebung und Staffelung der Löhne der Verwaltungsangestellten, um die Motivation zu steigern und Korruption zu reduzieren,
– eine Verkleinerung des öffentlichen Sektors durch Privatisierungen, um staatliche Ineffizienz zu verringern,
– die Rationalisierung der Bürokratie, unter anderem durch die Einführung eines Monitoring-Systems, und
– die Dezentralisierung der Macht zugunsten der Kommunalverwaltung, um die Effizienz der staatlichen Dienstleistungen zu verbessern.
Evaluierungen des Reformprogramms unterstützten den Kurs der Regierung und hoben vor allem die vollzogene Restrukturierung der Verwaltung hervor. Kritik gab es eigentlich nur in Bezug auf das Tempo und die Sorgfalt bei der Durchführung der Reformen.

Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Trotz der viel gepriesenen Neuordnung des öffentlichen Beschaffungswesens und dem 1999 verabschiedeten Anti-Korruptions-Aktions-Plan gibt es jetzt mehr Korruption. Ein Beweis dafür ist der Skandal um Konzessionen für private Stromerzeuger auf dem Energiemarkt – dem Sektor, der als Flaggschiff für alle Liberali­sierungsprogramme dient. Die Reformen waren außer­dem darauf angelegt, die Bürokratie zu verschlanken. Stattdessen aber wurden neue Ministerien, Ämter und Agenturen geschaffen, so dass der Verwaltungsapparat größer geworden ist. Obwohl die Geber fast eine Dekade lang großzügig Programme wie das „Sustainable Cities Programme“ unterstützt haben, ist die Lebensqualität in den Städten rapide gesunken. Es gibt immer häufiger Epidemien wie Malaria und Cholera und die öffentliche Infrastruktur ist zusammengebrochen.


Reform der Kommunalverwaltung

Die tansanische Regierung hat erklärt, dass Reformen in der Kommunalverwaltung ein zentraler Punkt des gesamten Umstrukturierungsprogramms sind. Dabei geht es auch darum, den Zuständigkeitsbereich der Kommunen auf Sektoren wie die Grundschulausbildung, die Gesundheitsversorgung und öffentliche Versorgungseinrichtungen auszudehnen. Ihre finanzielle Autonomie soll erweitert, die legislative und exekutive Machtteilung neu definiert werden. Das höchste Gremium ist dabei jetzt der Gemeinderat, der aus gewählten Ratsmitgliedern besteht. Die Alltagsgeschäfte werden von der Kommunalverwaltung ausgeführt. Die Reformen haben es den einzelnen Kommunen möglich gemacht, ihre eigene Entwicklung selbst zu beeinflussen. Aber weil die Reformen noch nicht weit genug gehen, sind die Kommunalregierungen immer noch zu schwach, um ihre eigenen Entwicklungsprogramme zu implementieren.

Die Kommunalregierungen sind vor allem noch zu sehr zersplittert. Die niedrigen Steuereinnahmen in den Kommunen können den Verwaltungsapparat nicht unterhalten. Dazu kommt, dass die Dopplung der Infrastruktur auch die Qualität der Dienstleistungen beeinflusst. Gerade erst hat die Regierung angeordnet, dass jeder Stadtbezirk eine eigene weiterführende Schule haben muss – auch wenn in armen, dünn besiedelten Bezirken mit wenig Lehrern die Zusammenlegung von Ressourcen viel effizienter wäre.

Während die wirtschaftliche Not größer wird, haben die Leute gezeigt, dass sie Beiträge zum Erhalt der Sozialsysteme aufbringen können – zum Beispiel durch eine Kostenteilung im Gesundheitssektor. Darüber hinaus haben sie sich in informellen Gruppen zusammengetan, in denen Kredite auf Rotationsbasis vergeben werden. Sie haben genossenschaftliche Dorfbanken gegründet und Spar- und Kredit-Programme institutionalisiert. Während die meisten aus Konsumgründen an solchen Programmen teilnehmen – zum Beispiel um das Schulgeld für die Kinder zu bezahlen – nutzen immer mehr Leute diese Kredite, um ihr eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Die Kommunal­regierungen haben bei der Unterstützung dieser basisorientierten Initiativen versagt, denn viele der Spar- und Kredit-Programme werden schlecht verwaltet. Gelder werden veruntreut.

Politischer Pluralismus hat zur Schwächung der Kommunalregierung beigetragen. Auch Patronage behindert eine effiziente Umsetzung der öffentlichen Dienstleistungen. Die Gemeinderäte verabschieden oft Programme, deren Implementierung dann behindert wird – von den gleichen Ratsmitgliedern, die dann als Politiker in ihren Wahlkreisen auf Stimmenfang sind. Auch die Zentralregierung mischt sich immer noch in Bereiche ein, die – laut Gesetz – in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen fallen. Dies wirft die Frage auf, ob sich die Regierung dem Reformprogramm tatsächlich verpflichtet fühlt, denn die Einmischung von außen ist meistens politisch motiviert.

Ein wesentlicher Grund für die schwachen Kommunalregierungen liegt aber darin, dass ihre Zuständigkeitsbereiche immer noch sehr limitiert sind. Entscheidende Ämter der Zentralregierung wurden noch nicht dezentralisiert, was dazu führt, dass die Kommunalregierungen eher als Anhängsel des zentralen Regierungssystems verstanden werden und nicht als eigen­ständiger Teil des Regierungssystems. So sehr man also auch die Vorzüge des Reformprogramms hervorheben möchte – die Art und Weise wie es implementiert wurde, wirft große Zweifel über dessen Ernsthaftigkeit auf. Was also ist schiefgelaufen?


Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit

Das größte Problem ist die Rechenschaftspflicht und Kontrolle. Die Reformen der Regierung haben, ob aus Versehen oder bewusst, mehr und mehr Entscheidungsprozesse verlagert – weg von der parlamentarischen Kontrolle und der Überprüfung durch die Öffentlichkeit. Dies ist eine Erklärung dafür, warum die Korruption gestiegen ist.

Im Zuge der Reform bei den Lohnzahlungen haben Ministerien, Ämter und Agenturen bei der Festsetzung ihrer Gehaltsstabellen de facto freie Hand bekommen. In einer Zeit, in der die Löhne im Bildungs- oder Gesundheitssektor demotivierend sind, muss gefragt werden, ob die hohen Gehälter für leitende Verwaltungsbeamte gerechtfertigt sind. Ein Gärtner oder Fahrer im öffentlichen Dienst kann bis zu viermal mehr verdienen als ein ausgebildeter Lehrer oder Arzt. Die Reformen schaffen also eine privilegierte Klasse, der Nehmermentalität nachgesagt wird.

Auf der Kommunalebene werden die Steuerzahler mit immer mehr Abgaben belastet, bekommen davon aber nichts zurück: Adäquate und verlässliche öffentliche Leistungen werden immer weniger. Im Sinne der Gerechtigkeit fällt die Bilanz ebenfalls schlecht aus: Wenn man die Vergabe der öffentlichen Leistungen betrachtet, dann muss man sagen, dass sehr oft die Armen die Reichen subventionieren. Das gilt zum Beispiel für den Bau von Straßen oder deren Beleuchtung. Diese Projekte werden vor allem in den wohlhabenden Vierteln durchgeführt.


„Public-Private-Partnership“

Die wirtschaftlichen Reformen, die umgesetzt wurden, sollten dem Privatsektor Wachstum bescheren. Trotzdem muss gefragt werden: Tötet die Privatwirtschaft die Gans, die die goldenen Eier legt?

Public-Private-Partnerships (PPPs) verbessern nicht die Effizienz der staatlichen Leistungen, sondern haben schlechten Einfluss auf die Finanzen und Rechenschaftspflicht der Kommunalregierungen. Die lagern immer mehr Leistungen aus – sogar die Eintreibung der Steuern. Die Verträge mit der Privatwirtschaft sind dabei oft undurchsichtig. Es scheint, als ob Patronage und Eigeninteressen ausschlaggebend sind. Die Kommunen erhalten deshalb schlechten Service und haben bedeutend weniger Geld in der öffentlichen Kasse. Die Regulierungsmechanismen im öffentlichen Sektor haben bislang jedenfalls gezeigt, dass sie die Interessen der Privatwirtschaft fördern und dafür eine Benachteiligung der Konsumenten in Kauf nehmen – zum Beispiel bei den Gebühren für Strom und Wasser.
Die Verbindungen zwischen dem ausländischen Privatsektor und der Zentralregierung unterminieren ebenfalls das Reformprogramm. Die Genehmigung von Investitionen durch das Tanzania Investment Centre widerspricht manchmal den Autonomierechten der Kommunalregierungen. In anderen Fällen wiederum werden Kommunalregierungen unter Druck gesetzt, damit sie Konzessionen an private Investoren vergeben. Auf lange Sicht wird dies nicht nur die Glaubwürdigkeit der Kommunalregierungen aufs Spiel setzen, sondern auch das Wachstum im Privatsektor verhindern.


NRO und Kommunalpolitik

Nichtregierungsorganisationen, die von Gebern finanziert werden, führen wichtige und großangelegte Projekte durch – zum Beispiel im Bereich Wasser, Straßenbau und Gesundheit. Die Angewohnheit, die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) über NRO zu leiten, untergräbt aber die Kapazitäten und Glaubwürdigkeit der Kommunalregierungen.

NRO reißen die Aktivitäten der kommunalen Verwaltungen eher an sich, als sie zu unterstützen. Außerdem tendieren sie dazu, wichtige Ressourcen an sich zu binden, wodurch in anderen Bereichen Leistungen eingeschränkt werden müssen. Der psychologische Effekt einer solchen NRO-Dominanz ist schädlich.

Auf niedriger Ebene bringen NRO-Partnerschaften zwischen Geberländern und Kommunen in Tansania den dringend benötigten Input. Trotzdem haben NRO gezeigt, dass sie – strukturell bedingt – unfähig sind, mit anderen Initiativen zusammenzuarbeiten. Deshalb werden Ressourcen nicht gebündelt. Ein Beispiel dafür ist die NRO-Unterstützung für Berufsausbildungszentren in ländlichen Regionen. NRO stiften vor allem die Ausrüstung. Aber weil fast jede Gemeinde ein eigenes, voll ausgestattetes Berufsausbildungszentrum hat, gleichzeitig aber nicht die dafür nötigen Studentenzahlen aufbringen kann, fehlt das Geld für gute Lehrer. Das Ergebnis: Die Qualität der Ausbildung ist schlecht. Die gespendete Ausrüstung wird kaum, wenn überhaupt, benutzt.

Vor diesem Hintergrund war das Verhalten der Geber bislang sehr ambivalent. Auf der einen Seite fordern sie uns auf, mehr gegen Korruption zu tun – auf der anderen Seite unterstützen sie Programme, durch die Korruption möglich wird, weil sie die Transparenz und Kontrollmechanismen aushebeln.


Zusammenfassung

Die Reform der öffentlichen Verwaltung hat drei große Schwächen gezeigt:
– Sie wird außerhalb der konstitutionellen Kontrollmechanismen durchgeführt, was Korruption begünstigt und ein Gerechtigkeitsproblem verursacht,
– es gibt keine effektiven Regulierungsmechanismen, was dazu führt, dass die Steuern steigen, und
– Kommunalregierungen haben immer noch nicht genug Autonomie.

Geberländer haben die Pflicht, Entwicklungsprogramme zu verbessern – vor allem wenn es um die Vergabe von Krediten geht, die solche negativen Einflüsse begünstigen. Die Verwaltungsreform in Tansania muss umfassender werden, um die Potenziale, die in den Gemeinden selbst vorhanden sind, auch nutzen zu können.