Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Aufstrebendes Schwellenland

Kohle, Sonne, Atom

Südafrika braucht mehr Energie. In den letzten Jahren stand das Land immer wieder vor Versorgungsengpässen. Wie viele andere Entwicklungs- und Schwellenländer muss sich Südafrika zwischen teuren Investitionen in erneuerbare Energien und der Nutzung der reichlich vorhandenen fossilen Brennstoffe entscheiden. Die aktuelle ­Diskussion über Green Economy ist eine Chance, Geld für erneuerbare Energien zu akquirieren.

Von Anna Cavazzini und Melanie Müller

Der CO2-Ausstoß Südafrikas liegt mit etwa 10 Tonnen pro Kopf und Jahr auf dem Niveau von EU-Ländern wie Deutschland oder Britannien. Die ANC-Regierung hat es seit dem Ende der Apartheid nicht geschafft, eine flächendeckende Energieversorgung aufzubauen. Trotz eines groß angelegten Programms für Elektrifizierung im Jahr 2008 gibt es immer noch Regionen, in denen die Menschen ohne den nötigen Energiezugang leben. Bis 2029 will die Regierung von Präsident Jacob Zuma deshalb weitere rund 63 Milliarden Euro in die Stromversorgung investieren.

Der Energiebedarf des Landes wird weiter steigen. Die hohe Arbeitslosigkeit von offiziell 24 Prozent soll verringert werden. Im Trend der vergangenen Jahre beträgt das Wirtschaftswachstum Südafrikas rund drei Prozent. Laut Weltbank wären sieben Prozent Wirtschaftswachstum nötig, um die große Ungleichheit im Land zu verringern. Entsprechend strebt die südafrikanische Regierung höheres Wachstum an. Dafür muss die Energieversorgung besser werden.

Bislang gewinnt das Land 90 Prozent der Energie aus Kohle. Es verbrennt davon jedes Jahr rund 17 Millionen Tonnen – mit steigender Tendenz. Um eine halbwegs sichere Energieversorgung für die nächsten Jahre zu gewährleisten, wurden zwei stillgelegte Kohlekraftwerke kürzlich wieder in Betrieb genommen und weitere Kohlevorkommen erschlossen.

Darüber hinaus baut der Energieversorger Escom gerade zwei neue Kohlekraftwerke. Sie sollen bis 2017 fertiggestellt werden und mit einer Kapazität von 4800 Megawatt zu den größten Kraftwerken weltweit gehören. Die Kosten betragen laut Escom rund 20 Milliarden Euro. Wirtschaftsminister Ebrahim Patel rechtfertigt die Pläne mit niedrigen Stromkosten. Zudem werde ein Teil der Gewinne aus der Kohleenergie zur Subventionierung von erneuerbarer Stromerzeugung genutzt.

Neben diesem Ausbau sollen laut Regierung erneuerbare Energien und die Kernkraft den hohen Energiebedarf decken und gleichzeitig Emissionen reduzieren. Bislang liefern zwei Kernkraftwerke nahe Kapstadt etwa fünf Prozent der Energie des Landes. Südafrika plant sechs neue Reaktoren bis 2030, die fast ein Viertel der benötigten Energie liefern sollen. Kürzlich veröffentlichte die südafrikanische Wochenzeitung Mail and Guardian einen Report, in dem Fachleute verschiedene Kostenszenarien entwarfen. Demnach könnten sich die Kosten für die sechs Kraftwerke auf zwischen 30 Milliarden und 130 Milliarden Euro belaufen. Diese hohen Kosten haben für einen Aufschrei in Südafrika gesorgt, wo Kernkraft als billige Energiequelle galt, und auch eine Debatte über die Sicherheitsaspekte von Kernkraftanlagen losgetreten. Die südafrikanische Umweltbewegung sähe das Geld lieber komplett in erneuerbare Energien investiert.

Chancen für Erneuerbare

Das Potential für die Nutzung erneuerbarer Energien ist hoch. Südafrika hat 300 Tage intensive Sonneneinstrahlung im Jahr. Daher sehen einige Fachleute vom Energy Research Center der Universität in Kapstadt hohe Chancen für die großflächige Implementierung von Solarenergie. Ähnlich optimistisch ist die Einschätzung für Windkraft und Biomasse. Im Jahr 2010 lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung laut Schätzungen bei etwa zwei Prozent. Wenn die Regierung ihr vorgegebenes Ziel erreichen will, bis zum Jahr 2030 rund 42 Prozent der Energie aus Erneuerbaren zu gewinnen, steht das Land in den nächsten Jahren vor einem enormen Transformationsprozess.

Damit dieser Prozess auch gelingt, hat Südafrika die South African Renewables Initiative (SARI) ins Leben gerufen. Die Regierung will so die großflächige Entwicklung von erneuerbaren Energien sowie industrielle Entwicklung vorantreiben und Energiesicherheit und ökonomisches Wachstum mit der Eindämmung des Klimawandels in Einklang bringen. Die erste Phase der Initiative läuft von 2012 bis 2015. Sie wird durch ein Sekretariat koordiniert, welches regelmäßige Treffen zwischen der Regierung, beteiligten Finanzinstitutionen und lokalen Partnern organisiert. Bis zum Jahr 2030 werden wohl insgesamt 11 Milliarden Euro benötigt, um den Ausbau zu finanzieren – dazu sollen ausländische Geber rund ein Drittel beitragen. Darüber hinaus setzt die Regierung auf das Konzept der Green Economy, das auch auf der Tagesordnung der Rio+20-Konferenz stand. Darunter wird verstanden, dass die Wirtschaft ökologisch, nachhaltig und sozial inklusiv sein soll. Die Regierung sieht die Green Economy auch als Chance, Gelder für die Erzeugung erneuerbarer Energien ins Land zu holen.

Fakt ist: Alleine wird die südafrikanische Regierung die nötigen massiven Investitionen und den Wandel zu Erneuerbaren nicht stemmen können. Sie betont daher immer wieder die Bedeutung internationaler Akteure für den eigenen Transformationsprozess.

Die Rolle der EU

Insbesondere die Europäische Union (EU) ist in diesem Zusammenhang einen Blick wert, weil sie das Thema Erneuerbare im Rahmen ihrer Entwicklungspolitik hoch auf die Agenda gesetzt hat. EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs macht den Ausbau erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern zu einer Priorität. Vor kurzem wurde das Africa-EU Renewable Energy Cooperation Programme ins Leben gerufen. In der Strategie zur Neuausrichtung der EU-Entwicklungspolitik von 2011 „Agenda für den Wandel“ ist der Ausbau erneuerbarer Energien einer der Schwerpunkte. Piebalgs verkündete kürzlich, weder fossile noch nukleare Energie entwicklungspolitisch zu fördern, sondern ganz auf Erneuerbare zu setzen.

Die Europäische Union (EU) ist für Südafrika der wichtigste Geber staatlicher Entwicklungshilfe (Official Development Assistance, ODA). Die Europäische Kommission stellt 25 Prozent der ODA-Mittel bereit, die Südafrika bekommt, die Mitgliedsländer weitere 25 Prozent und die Europäische Investitionsbank (EIB) 20 Prozent. Insgesamt kommt Europa mithin für 70 Prozent der ODA auf, die Südafrika zugutekommt.

Allerdings ist nicht klar, wie viel Klimageld in dieser Rechnung bereits enthalten ist. Es ist zwar Konsens, dass die Klimafinanzierung zusätzlich zur Entwicklungshilfe geleistet werden soll. Allerdings gibt es weder auf internationaler Ebene noch in der EU eine Defini­tion für diese „Zusätzlichkeit“ (siehe Kasten unten).

Energie ist jedenfalls ein Kerngebiet der Kooperation von EU und Südafrika. Die EIB hat für SARI eine Anschubfinanzierung von 40 Millionen Euro bereitgestellt.

Unumstritten ist die Politik der ausländischen Geber allerdings nicht. Am Beispiel der Energiekoopera-tion mit Südafrika zeigt sich das Dilemma der EU sehr deutlich. Die Speicherung von Kohlenstoff (CCS) ist in Europa umstritten, weil der Nutzen noch nicht bewiesen ist. Dennoch fördern europäische Institutionen diesen Ansatz in Südafrika im Kontext des Baus der neuen Kohlekraftwerke. Die beiden geplanten Kohlekraftwerke werden auch mit der Beteiligung der deutschen KfW IPEX-Bank finanziert, und deutsche Unternehmen sind am Aufbau beteiligt.

Südafrika ist zudem auch als Kohleexporteur ein wichtiger Partner. Die EU muss mehr als die Hälfte der für Kohlekraftwerke benötigten Kohle einführen. Süd­afrika liefert fast 16 Prozent der in die EU importierten Kohle. Für das Klima ist es aber egal, wo Treibhausgase ausgestoßen werden.

Für eine nachhaltige Energiepolitik spielen nicht nur Investitionen in erneuerbare Energien eine Rolle. Ein effizienter Umgang mit Ressourcen ist unabdingbar. Unabhängig von der Energiebeschaffung sind auch Investitionen in die Infrastruktur nötig. Südafrikanische Experten haben in Kooperation mit der Regierung bereits formuliert, was dies bedeuten kann: ein effizienter Umgang mit Ressourcen, CO2-arme Technologien und beschäftigungsorientierte Strategien. Südafrika muss im Energiebereich einen Wandel vorantreiben, um die dringlichsten Probleme anzugehen. Jetzt besteht die Chance für ein „leapfrogging“ – den umweglosen Übergang zu modernster Energietechnik. So kann ein nachhaltiger Pfad eingeschlagen werden.

Die Entwicklungspolitik kann dabei eine treibende Kraft sein. Insbesondere die EU-Entwicklungspolitik nimmt im Energiebereich eine Vorreiterrolle ein. Allerdings konterkarieren die eigenen Energieinteressen der EU und ihrer Unternehmen die hehren Ansprüche in Südafrika. Europäische Entscheidungsträger müssen für mehr Kohärenz im Sinne der in Rio beschworenen weltweiten nachhaltigen Entwicklung sorgen.