Militär
Transformation der Kriegsführung
Viele Experten sehen in Konflikten eine Störung des Globalisierungsprozesses. Teresa Koloma Beck von der Berliner Humboldt-Universität widerspricht dem und meint, für die Menschen vor Ort sei es genau andersherum. Greifen internationale Streitkräfte in ihrem Land ein, werden sie plötzlich mit ausländischen Truppen und Organisationen konfrontiert.
Der Kontext ist nach Ansicht Becks entscheidend. In Angola beispielsweise gab es eine internationale Intervention in einer Post-Konflikt-Situation mit dem Ziel der Friedenssicherung. Diese hat nach Becks Beobachtung bei den Menschen vor Ort eine positive Vorstellung von Globalisierung gefördert. Wenn eine militärische Intervention allerdings einen laufenden Konflikt beenden soll, kann dies eine Eskalation der Gewalt und die Ablehnung der ausländischen Truppen hervorrufen. Das Beispiel Afghanistan zeige, dass die globalisierte Welt oft als ein System von Hierarchie und Asymmetrie erlebt werde. Wegen der angespannten Sicherheitslage blieben die Mitglieder der internationalen Streitkräfte von den Einheimischen getrennt, was die Probleme verstärke.
In klassischen Kriegen waren früher üblicherweise die Staaten selbst Hauptakteure, heute setzen Konfliktparteien laut Conrad Schetter vom Bonn International Center for Conversion (BICC) zunehmend auf Netzwerke. Im Zeitalter der Globalisierung und des Internets nehme Propaganda eine immer wichtigere Rolle ein, vor allem in Social-Media-Netzwerken. Legitimität in der Öffentlichkeit zu haben sei eine wichtige Ressource.
Nach den gescheiterten und kostspieligen Einsätzen in Afghanistan und im Irak scheuten westliche Regierungen inzwischen davor zurück, Bodentruppen in konfliktbetroffene Länder zu schicken, sagt Max Mutschler vom BICC. Bürger wollten nicht, dass ihre Landsleute im Krieg stürben, vor allem, da die strategischen Ziele in der Regel nicht erreicht würden.
Dementsprechend werde der Kampf gegen die Terrormiliz ISIS im Irak und in Syrien heute mithilfe von Luft- und Drohnenangriffen durchgeführt. Militärische Interventionen unterliegen einem technologischen Wandel, bei dem zunehmend Roboter Menschen ersetzen. Laut Niklas Schorning vom Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) besitzt eine wachsende Zahl von Ländern Militärroboter. Diese Kampfmaschinen ermöglichen es, den Krieg aus der Ferne zu führen und die Zahl der Opfer in den eigenen Truppen zu reduzieren. Laut Schorning haben auch nichtstaatliche Gruppen begonnen, selbstgebaute Kurzstrecken-Drohnen einzusetzen, die zwar technisch weniger weit fortgeschritten seien als die der regulären Armeen, aber dennoch verheerend sein können. Einfache Drohnen böten somit ein günstiges Mittel für diese Gruppen, den Staat anzugreifen.
Während einer von BICC organisierten Konferenz in Bonn im Oktober warnte Schorning, dass eine „unbemannte Kriegsführung“ zu einer „Ära der geheimen Interventionen“ führe. Er fordert strengere Regeln und Kriterien bezüglich der Verwendung von unbemannten Systemen. Roboter und Drohnen könnten moderne Kriegsführung von ihren geographischen Dimensionen entkoppeln und die Öffentlichkeit ablenken. Schließlich seien Bürger meistens um die Sicherheit der Soldaten ihres eigenen Landes besorgt.
Ohne physischen Kontakt am Boden blieben darüber hinaus eine Missachtung der Menschenrechte und ein Bedarf an humanitären Maßnahmen oft unbemerkt. Das jüngste Beispiel für die Wichtigkeit einer weltweiten Medien-Aufmerksamkeit ist Madaja. In der seit Monaten belagerten syrischen Stadt verhungern die Menschen. Nachdem ihr Leiden weltweit bekanntwurde, wurde eine humanitäre Mission möglich, da die Konfliktparteien sich um ihr öffentliches Image sorgten.
Floreana Miesen