Internationale Finanzinstitution

„Junge Afrikaner müssen in Afrika beschäftigt werden“

Akinwumi Adesina ist seit vergangenem Sommer Präsident der multilateralen Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). In einem Interview mit E+Z/D+C spricht er über seine Ziele.
Die Zukunft Afrikas hängt von Jobs für die junge Generation ab: Straßenverkäufer in Nairobi. dem Die Zukunft Afrikas hängt von Jobs für die junge Generation ab: Straßenverkäufer in Nairobi.

Ihr Vorgänger, Donald Kaberuka, hat viel dafür getan, die AfDB professioneller und wirksamer zu machen. Wie sehen Sie aktuell die Leistung der Bank und was sind die wichtigsten institutionellen Herausforderungen, die auf Sie zukommen?
Tatsächlich hat Dr. Kaberuka in seiner Amtszeit Großes geleistet – zum Beispiel hat er die Tätigkeiten des Privatsektors der Bank von 200 Millionen Dollar auf 2 Milliarden Dollar pro Jahr gesteigert. Er konnte das Triple-AAA-Rating der Bank selbst inmitten der globalen Finanzkrise aufrechterhalten, zudem hat er die Africa50-Investment-Plattform eingerichtet, über die Infrastrukturausbau in Afrika finanziert werden soll. Auf diesen Erfolgen möchte ich aufbauen. Bei meinem Amtseintritt beschrieb ich eine Fünf-Punkte-Vision. Die High Fives sind:

  • Afrika mit Licht und Strom zu versorgen,
  • Afrika zu ernähren,
  • Afrika zu integrieren,
  • Afrika zu industrialisieren und
  • die Lebensqualität der Menschen in Afrika zu verbessern.

Die AfDB ist nur einer von mehreren Akteuren auf den fünf Feldern, die Sie hervorheben – und nicht einmal der größte. Kann sie wirklich etwas bewirken?
Afrikas strukturelle Herausforderungen sind so vielfältig und tief verwurzelt, dass sie nicht von einer einzigen Institution behoben werden können. Als führendes Finanzinstitut in Afrika hat die AfDB aber die Verantwortung, den Weg für die Finanzierung und Unterstützung von anderen Entwicklungspartnern zu ebnen. Um mehr erreichen zu können, müssen wir starke Partnerschaften aufbauen, nicht nur auf unserem Kontinent, sondern global. In jedem der fünf Bereiche, die wir als besonders wichtig erachten, hat die Bank bereits deutliche Spuren hinterlassen. Auf dem Pariser Klimagipfel im Dezember etwa haben wir die ehrgeizige African Renewable Energy Initiative (AREI) gestartet. Dabei sollen 300 Gigawatt (GW) Strom bis zum Jahr 2030 für den Kontinent generiert werden. Damit kommen wir unseren Zielen näher. Afrika kann, 137 Jahre nachdem die Glühbirne erfunden wurde, nicht länger im Dunkeln bleiben.

Viele junge Afrikaner machen sich auf den gefährlichen Weg durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Europa in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wie gehen Sie dieses Problem an?
Dieses Migrationsproblem ist vor allem ein afrikanisches Problem, und die afrikanischen Regierungen und Institutionen wie die AfDB müssen mutige Schritte tun, um es in den Griff zu bekommen. Wir dürfen keine Mühen scheuen. Die internationale Gemeinschaft spielt eine Rolle, aber Afrika muss die Führung übernehmen. Die Industrialisierung Afrikas wird entscheidend sein, damit afrikanische Unternehmen entstehen, Kompetenzen aufgebaut und neue Möglichkeiten geschaffen werden. Es gibt keinen Königsweg, aber Industrialisierung ist sicherlich ein wichtiger Schritt hin zur Bewältigung des Abwanderungsproblems in Afrika. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere jungen Leute für die Jobs vorbereitet sind, die die Industrialisierung mit sich bringt. Statt unter hohem Risiko nach Europa auszuwandern, muss die afrikanische Jugend in Afrika beschäftigt und von der afrikanischen Industrie bezahlt werden. Gemeinsam mit der Afrikanischen Union und der UN-Wirtschaftskommission für Afrika planen wir gerade eine Initiative zur Beschäftigung junger Menschen in Afrika. Das wird enorm viel verändern und vor allem jungen Menschen und Frauen im ländlichen Raum zu Jobs verhelfen. Andererseits kann Migration auch helfen, das Gleichgewicht auf dem globalen Arbeitsmarkt wiederherzustellen. Über Migranten, vor allem über ausgebildete, sollte man nicht die Nase rümpfen.

Bisher neigen afrikanische Länder noch immer dazu, Rohstoffe zu exportieren. Was kann – und sollte – die AfDB tun, um Diversifizierung zu fördern?
Die überwältigende Mehrheit der afrikanischen Volkswirtschaften hängt tatsächlich immer noch von Rohstoffen ab – ohne die Produktion zu diversifizieren. Zum Beispiel machen in 41 Ländern Afrikas Rohstoffe durchschnittlich rund 60 Prozent der Warenexporte aus. Das macht sie sehr anfällig für Schockereignisse von außen wie den aktuellen Rückgang der Rohstoffpreise, der die Länder hart getroffen hat. Deren Steuereinnahmen gingen dramatisch zurück und in den meisten Ländern kam es zu einer raschen Abwertung der Wechselkurse. Um widerstandsfähiger zu werden und nachhaltiges und langfristiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, müssen die afrikanischen Länder wirtschaftliche Diversifizierung fördern. Im Jahr 2015 genehmigte die AfDB zu diesem Zweck Darlehen und Zuschüsse in Höhe von 6,3 Milliarden Dollar.
 
Afrikanische Volkswirtschaften sind tendenziell auf den Export nach Europa, Asien und Nordamerika ausgerichtet, haben dabei aber wenig Austausch mit den Nachbarländern. Welchen Stellenwert hat dieses Thema auf Ihrer Agenda?
Regionale Integration zählt zu den Top-Prioritäten der Bank. Das Ziel ist es, größere, attraktive Märkte zu schaffen und den innerafrikanischen Handel zu fördern, damit sich der Kontinent entwickeln kann. Jüngste Schätzungen zeigen, dass der intraregionale Handel lediglich 12 Prozent aller afrikanischen Exporte ausmacht. 52 Prozent der Exporte hingegen gehen nach Asien, 26 Prozent nach Lateinamerika. Regionale Integration könnte den afrikanischen Ländern helfen, Ersparnisse durch Produktionsvergrößerung zu erreichen, wirtschaftlicher zu werden und die hohen Geschäftskosten auf dem Kontinent zu senken. Allein im Jahr 2015 belief sich die Unterstützung der Bank für die regionale Integration auf 2,1 Milliarden Dollar – das sind 33,3 Prozent mehr als 2014. Zu den von der AfDB unterstützten Projekten gehörte das Kenia-Tansania Stromverbundprojekt, das tansanische Transportsektor-Programm und das Projekt zur Sanierung der Chinsali-Nakonde-Straße in Sambia.

Internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank oder dem Internationalen Währungsfonds wird oft vorgeworfen, zu geberorientiert zu sein, wohingegen die Entwicklungsländer wenig zu sagen haben. Wie sichert die AfDB Afrikas Ownership?
Der Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Hilfe und dem Aktionsplan von Accra folgend hat sich die Bank kontinuierlich darum bemüht, ihre Ownership zu wahren. Die Bank ermutigt Regierungen der regionalen Mitgliedsländer dazu, Führung in ihren politischen Prozessen zu übernehmen und sich zudem mit ihren Bürgern und über die Parlamente stärker einzubringen. Die Bank unterhält über politischen Dialog, Beratung, regelmäßige Projektüberwachung und Außenstellen sehr enge Beziehungen zu ihren 54 afrikanischen Mitgliedsländern. Diese sind die wirklichen Eigentümer. Mehr als zwei Drittel der Aktionäre sind Afrikaner, es gibt nur 26 nichtafrikanische Mitgliedsländer. Laut Gründungsabkommen der Afrikanischen Entwicklungsbank muss der Präsident – der zugleich Vorstandsvorsitzender ist – Afrikaner sein.

Geberländer wollen, dass die afrikanischen Länder mehr von ihren eigenen Ressourcen für die Entwicklung nutzen. Wie sehen Sie das?
Afrika nutzt gewiss nicht alle vorhandenen Möglichkeiten, die für die strukturelle Transformation nötig sind. Potenzielle Ressourcen bringen aber nichts – wir müssen sie in tatsächliche Ressourcen umwandeln. Die AfDB möchte afrikanische Führer zum Umdenken bringen. Wir müssen den privaten Kapitalmarkt in Schwung bringen, mehr Ressourcen und Steuern mobilisieren, das Potenzial der Landwirtschaft erschließen und den Bauern helfen, von Subsistenzwirtschaft auf kommerzielle Landwirtschaft umzuschwenken. Wir müssen in die Fähigkeiten und den Unternehmergeist junger Menschen investieren. Mit anderen Worten: Wir müssen natürlichen Reichtum nutzen, um physischen und finanziellen Reichtum zu schaffen.

 
Eine Grundbedingung für wirtschaftliche Entwicklung ist ein stabiler Staat. Wie hilft die AfDB, Staatlichkeit und gute Regierungsführung zu stärken?
Schlechte Regierungsführung und mangelnde öffentliche Rechenschaftspflicht gehörten schon immer zu den größten Hürden des afrikanischen Strukturwandels. Korruption ist eines der offensichtlichsten Zeichen schlechter Regierungsführung; sie kostet Afrika rund 150 Milliarden Dollar pro Jahr. Dies ist ein Aderlass ohnehin knapper Ressourcen, der die Afrikaner um gute Lebensbedingungen bringt. Für Entwicklung benötigte Einkünfte gehen verloren. Die AfDB nimmt die Themen Governance und Rechenschaftspflicht sehr ernst, vor allem in fragilen Staaten – und das nicht nur, weil diese mehr als 200 Millionen Afrikaner beheimaten, sondern weil auch deren Nachbarländer in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Der Bank liegt sehr viel an Transparenz in Ressourcennutzung und Verwaltung, Governance im öffentlichen Sektor und Rechtsstaatlichkeit sowie daran, institutionelle Kompetenzen und Rahmenbedingungen für Investitionen aufzubauen.

Sie sind ehemaliger Landwirtschaftsminister von Nigeria und Entwicklungsökonom. Ihre Vorgänger waren meist Finanzminister und Zentralbanker. Haben Sie einen anderen Blick auf die Dinge?
Nun, Aufgabe der Bank ist es nicht nur, Projekte und Programme zu finanzieren, sondern auch den Prozess der afrikanischen Transformation zu vertiefen und auszuweiten. Das geschieht vor allem, indem sichergestellt wird, dass Wachstum geteilt und nicht isoliert wird – und zwar für alle afrikanischen Bürger und Länder, nicht nur für einzelne. Afrika muss einen breiten und ganzheitlichen Ansatz wählen, um seine Probleme zu lösen. Finanzierung ist ein Thema, Planung ein weiteres, am heikelsten ist aber wahrscheinlich die Umsetzung. Ich glaube, ich kann einen Beitrag dazu zu leisten. Und ich bin glücklich, Ihnen sagen zu können, dass es viele engagierte Männer und Frauen an meiner Seite gibt, die mit großer Leidenschaft zur Entwicklung Afrikas beitragen wollen.


Akinwumi Adesina ist Präsident der multilateralen Afrikanischen Entwicklungsbank.
http://www.afdb.org

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.