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Überfischung

Der zweittiefste See der Welt ist doch nicht gesperrt

Mitte Mai sollte der Tanganjikasee in Ostafrika für ein Vierteljahr für den Fischfang gesperrt werden. So sollten schwindende Bestände gerettet werden. Das hätte aber schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung in Anrainerstaaten wie Burundi gehabt und wird in drei Staaten nun nicht umgesetzt.
Bis August 2023 sind noch weniger Boote auf dem Tanganjikasee zu sehen. picture alliance / Xinhua News Agency / Dong Jianghui Bis August 2023 sind noch weniger Boote auf dem Tanganjikasee zu sehen.

Der Tanganjikasee ist der zweittiefste See der Welt. Er beherbergt eine Vielfalt an Fischen, die sonst nirgendwo zu finden ist. Zu den beliebtesten gehören die Mukeke- und Ndagala-Fische.

Der See ist mittlerweile überfischt. Damit sich die Bestände erholen können, hatten sich die vier Anrainerstaaten Burundi, Demokratische Republik Kongo (DRC), Tansania und Sambia nun darauf geeinigt, den Tanganjikasee längerfristig zu sperren.

Achtzehn Fischerstrände und zahlreiche Fischereihäfen liegen an der burundischen Küste. Die burundischen Behörden wollten den See zunächst nur für eine Woche schließen, wurden aber überstimmt.

Menschen, die vom Fischfang abhängen, machten sich große Sorgen. Georges arbeitet als Fischer im Hafen von Rumonge im Süden Burundis. Der vierfache Vater erwog, in seine Heimat im Norden des Landes zurückzukehren, weil er keine alternative Einkommensquelle sah.

Claudette ist Fischhändlerin und Mutter von zwei Kindern. Jeden Morgen besorgt sie Ndagala am Hafen von Karonda, um ihn weiterzuverkaufen. Damit verdient sie umgerechnet zwei bis drei Euro am Tag. Gleichzeitig sind die Fische Grundnahrungsmittel für ihre Kinder. Auch sie hätte eine alternative Erwerbsgrundlage gebraucht.

Anfang Juni war die Sperrung in Burundi, der DRC und Tansania aber praktisch ausgesetzt. Die Staaten taten nichts zur Durchsetzung. Es gab auch keine neuen Termine. Das Leben geht wie gewohnt weiter – und die Überfischung auch. In Sambia gilt das Moratorium dagegen.

Überfischung und Wasserverschmutzung

Tatsächlich werden immer weniger Fische gefangen. Im Jahr 2016 waren es in Burundi 26 000 Tonnen, 2019 bereits 6000 Tonnen weniger. Somit gehen auch die Exporte zurück. Außerdem gibt es infolge der gestiegenen Fischereiabgaben ohnehin immer weniger Fischer*innen. Nach Angaben von Gabriel Butoyi, dem Vorsitzenden des burundischen Fischer- und Verbraucherverbandes, ist der Fischereiertrag Burundis nicht genug, um die bestehende Nachfrage zu decken. Das führt zu steigenden Preisen.

Ununterbrochener Fischfang und verbotene Fanggeräte wie Kiemennetze sind Gründe für den Ertragsrückgang im See. Doch auch die starke Wasserverschmutzung führt zu Fischsterben. Bereits die Laichgründe der Fische werden durch die Erschließung von immer neuen Ackerbauflächen und Wohngebieten zerstört. Umweltschützer fordern die Einhaltung des burundischen Wassergesetzes, das besagt, dass Gebäude nicht näher als 150 Meter am See und 50 Meter an Flüssen errichtet werden dürfen. Allzu oft wird gegen dieses Gesetz verstoßen.

Ausbau der Fischzucht

Eine alternative Lösung des Problems ist verstärkte Fischzucht. Im See Cohoha in der nordburundischen Provinz Kirundo zum Beispiel züchten burundische und ausländische Investoren Tilapia. Die Produktion liegt aktuell bei 1000 Tonnen pro Jahr.

Auch an anderen Orten werden Fischzuchten ausgebaut, etwa durch Aqua Burundi. Das Unternehmen hat sich auf nachhaltige Fischzucht spezialisiert. Aber die Fische lassen sich bisher aufgrund mangelnder Infrastruktur nur schlecht konservieren. Insbesondere Elektrizität und Kühlschränke fehlen. Oft werden die Fische geräuchert, wofür allerdings viel Holz nötig ist.

Die Burundier hoffen, dass die Bestände sich erholen und die Fangzahlen dann auch wieder steigen. Ohne Moratorium ist das aber unwahrscheinlich. Die überstaatliche Tanganjikaseebehörde hatte die Seesperrung konzipiert – aber von ihr ist jetzt nichts zu hören. Die regionale Kooperation funktioniert offenbar nicht richtig.

Die Situation ist verwirrend. Die Menschen in Burundi sind froh, dass ihnen kurzfristige Pein erspart bleibt. Die langfristige Perspektive ist jedoch nach wie vor beunruhigend.

Mireille Kanyange ist Journalistin und Reporterin bei Radio Isanganiro in Burundi.
mika.kanyange@gmail.com