Migration in Lateinamerika

Auf der Suche nach einem besseren Leben

Die mexikanische Diaspora ist nach der indischen die zweitgrößte der Welt. Armut, zunehmende Kriminalität und geringe Aufstiegschancen bringen viele Mexikaner*innen dazu, ihr Land zu verlassen. Gleichzeitig kommen immer mehr Menschen nach Mexiko, weil die Situation in ihren Ländern noch schlechter ist.
Migrant*innen Ende Dezember 2023 in Mexiko auf dem Weg in die USA. picture-alliance/EPA/Juan Manuel Blanco Migrant*innen Ende Dezember 2023 in Mexiko auf dem Weg in die USA.

Schätzungsweise 38 Millionen Menschen mexikanischer Herkunft leben im Ausland; 98 % davon in den USA. Nach Angaben des Pew Research Center und des U.S. Census Bureau gaben 61,5 % (37,2 Millionen) der in den USA lebenden Hispanics an, mexikanischer Herkunft zu sein. Davon wurden etwa zwölf Millionen in Mexiko geboren, und 26 Millionen sind mexikanischer Herkunft in erster, zweiter oder weiterer Generation.

Neben der geografischen Nähe verbindet die USA und Mexiko eine weit zurückreichende Geschichte des Migrationsaustauschs. Einzelpersonen und Familien sind über die Landesgrenzen hinweg miteinander verwoben. Die meisten H-2A- und H-2B-Visa vergeben die USA an Mexikaner*innen, hauptsächlich für befristete Arbeit in der Landwirtschaft und andere Dienstleistungen. 2022 erhielten außerdem 82,8 % der mexikanischstämmigen Bevölkerung in den USA eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung durch familiäre Beziehungen. Sechs Prozent erlangten sie durch Beschäftigung.

Mexikanische Vertretungen schätzen, dass fast 400 000 Mexikaner*innen in anderen Ländern als den USA leben, darunter Kanada, Spanien, Brasilien, das Vereinigte Königreich und Deutschland.

Laut dem Nationalen Institut für Statistik und Geografie (Instituto Nacional de Estadística y Geografia – INEGI) waren Auswanderungsgründe für Mexikaner*innen 2020 Familienzusammenführung (36,5 %), Suche nach Arbeit (16,4 %), ein Jobangebot (12,4 %), Heirat (9,2 %), Studium (6,7 %) sowie Kriminalität oder Gewalt (4 %). Im Durchschnitt sind die Migrant*innen zwischen 18 und 29 Jahre alt, gefolgt von Personen zwischen 30 und 40 Jahren.

Ein Studium im Ausland ist der fünftwichtigste Grund für Auswanderung – etwa, um besser ausgebildet oder von einer bestimmten Lehrkraft betreut zu werden.

Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Ein Auslandsstudium kann den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. Schätzungen der OECD zufolge steigt die Erwerbsfähigkeit mit dem Bildungsniveau und erreicht in Mexiko 81 % nach dem ersten Studien- und 85 % nach dem zweiten Studienabschluss. Außerdem zeigen Daten des mexikanischen Instituts für Wettbewerbsfähigkeit (IMCO), dass die Gehälter mexikanischer Hochschulabsolvent*innen je nach Abschluss, Spezialisierung und Standort um 30 bis 70 % steigen können. In den USA etwa verdient jemand mit Bachelorabschluss im Durchschnitt 8,5-mal mehr als in Mexiko.

Es überrascht daher nicht, dass die USA die erste Wahl für ein Auslandsstudium sind, wie das von Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) Research, der BBVA-Stiftung und dem Nationalen Bevölkerungsrat veröffentlichte Yearbook of Migration and Remittances 2023 zeigt. 2020 gingen 41,6 % der mexikanischen Studierenden im Ausland in den USA zur Universität, gefolgt von Spanien (10,1 %), Deutschland (9,9 %), Kanada (7,9 %), Frankreich (6,5 %) und dem Vereinigten Königreich (5,4 %). Die Daten zeigen auch, dass zwischen 2015 und 2020 rund 100 000 Mexikaner*innen zu Bildungszwecken ins Ausland gingen.

2022 hat Deutschland die USA als wichtigstes Zielland für Masterstudiengänge abgelöst, während das Vereinigte Königreich bei Promotionen an erster Stelle steht. Das liegt neben Hochschulrankings unter anderem an den guten Chancen, Studien- und Arbeitsvisa, Praktika und Stipendien zu bekommen.

Zu Hause in Mexiko ist die Situation im Bildungssektor entmutigend. Im Jahr 2024 hat die Regierung das Budget für Wissenschaft, Technologie und Innovation gekürzt und die Investitionen in die Hochschulbildung um 14,6 % verringert. Die Hochschullandschaft blickt unsicheren Zeiten entgegen. Nur wenige bekommen Stipendien für ein Auslandsstudium.

Steigende Kriminalitätsrate

Daneben vertreibt auch die Gewaltspirale, in der sich Mexiko befindet, viele Menschen. Die Zahl der Morde, Femizide und verschwundenen Personen steigt rapide an. Nach Angaben des Mexikanischen Instituts für Menschenrechte und Demokratie entfallen 50 % der Vermissten auf die Bundesstaaten Jalisco, Tamaulipas, Estado de México, Veracruz und Nuevo León. Die Bundesstaaten, in denen die meisten jungen Menschen von Verbrechen betroffen sind, sind Guanajuato, Chihuahua, Michoacán, Baja California und Jalisco.

Erschwerend kommt der Einfluss des organisierten Verbrechens hinzu. Junge Menschen werden Opfer von Zwangsarbeit oder selbst kriminell. Im Jahr 2021 schätzte eine Studie des Netzwerks für Kinderrechte (REDIM) und der Nationalen Zivilen Beobachtungsstelle für Sicherheit, Justiz und Rechtsstaatlichkeit, dass zwischen 145 000 und 250 000 Kinder und Jugendliche in Mexiko gefährdet sind, von kriminellen Gruppen rekrutiert zu werden. Es verwundert daher nicht, dass aktuell so viele Kinder und Jugendliche Mexiko verlassen wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Ihr Ziel sind in der Regel die USA und dort lebende Verwandte.

In der globalen Migrationslandschaft ist Mexiko mittlerweile jedoch nicht mehr nur Herkunftsland, sondern auch Transit- und Zielland. Es ist Teil des größten Migrationskorridors der Welt, den jeden Monat tausende Menschen auf ihrem Weg in die USA durchqueren.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist die Zahl der Einwanderer in Mexiko zwischen 2000 und 2020 um 123 % gestiegen. In den letzten zehn Jahren hat vor allem die Zahl der Asylbewerbungen zugenommen. Die IOM schätzt, dass von 118 478 Anträgen im Jahr 2022 fünf von zehn von Menschen aus Honduras (26,2 %), Kuba (15,3 %) oder Haiti (14,4 %) gestellt wurden.

Pamela Cruz ist Special Project Coordinator bei Comunalia, einem Netzwerk von Bürgerstiftungen in Mexiko, und strategische Beraterin bei MY World Mexico.
pamela.cruzm@gmail.com

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