Die Linke
Entwicklungspolitik muss aktive Friedenspolitik sein
Die weltweit zunehmende soziale Ungleichheit ist das größte Entwicklungshemmnis. In nur wenigen Jahren haben acht Menschen mehr Reichtum angehäuft, als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen besitzt. Die kolonialen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Nord und Süd wurden durch die neoliberale Politik der letzten drei Jahrzehnte noch ausgebaut und haben den Hunger von fast einer Milliarde Menschen hervorgebracht. Jährlich fließt aus Afrika doppelt so viel Kapital in die Industrieländer in Form von Kreditrück- und Zinszahlungen, Unternehmensgewinnen und Steuerflucht, als umgekehrt über staatliche Entwicklungsgelder und Direktinvestitionen nach Afrika. Soziale Sicherheit gibt es durch die tödliche Freihandelspolitik, Deregulierungen und Privatisierungen in vielen Ländern des Südens nur noch für sehr wenige. Das ungerechte Weltwirtschaftssystem hat ganze Regionen destabilisiert. So bleibt immer mehr Menschen nur noch die Flucht beziehungsweise eine Migration aus Not.
Die Linke kämpft deshalb für einen fundamentalen Politikwechsel für soziale Gerechtigkeit weltweit und eine Neuorientierung unserer Beziehungen zu den Ländern des Südens. Noch so viele gut gemeinte Projekte können Entwicklungschancen nicht nachhaltig fördern ohne den Rahmen einer friedlichen Außenpolitik und eines gerechten Welthandels. Wir wollen die Süd-Süd-Beziehungen und regionale Märkte stärken, die Verarbeitung von Rohstoffen und den Aufbau von Wertschöpfungsketten in den Ländern des Südens fördern und für gerechte Handelsstrukturen eintreten, die lokale Produzentinnen und Produzenten vor Preisdumping und Verdrängungswettbewerb schützen. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (sustainable development goals – SDGs) lassen sich nur durch eine solidarische Zusammenarbeit umsetzen, die an den strukturellen Problemen ansetzt, die durch die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung hervorgerufen werden.
Die Linke wird sich auch in der nächsten Wahlperiode gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik und den zunehmenden Missbrauch der Entwicklungszusammenarbeit zur Durchsetzung wirtschaftlicher, sicherheits- und migrationspolitischer Interessen der Geberländer und internationaler Konzerne einsetzen. Entwicklungspolitik muss aktive Friedenspolitik sein: Das Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit und das selbstgesteckte Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär und Kriegseinsätze lehnen wir ab. Stattdessen müssen die Instrumente der zivilen Konfliktprävention und -bearbeitung – wie etwa durch einen zusätzlichen europäischen zivilen Friedensdienst – massiv ausgebaut werden.
Wir wollen eine Entwicklungs- und Klimafinanzierung aus öffentlichen Mitteln und lehnen alle Instrumente zur „Hebelung“ von Privatkapital durch öffentliche Entwicklungsgelder, wie es etwa das G20-Instrument der „Compacts with Africa“ vorsieht, ab. Hierdurch werden die Länder des Südens in massive Abhängigkeit der Finanzmärkte gebracht und die Ungleichheit noch forciert. Unser mehrstufiges Modell setzt auf
- ein gerechtes und effektives internationales Steuersystem, die Verhinderung von Steuerflucht und -vermeidung und die Trockenlegung von Steueroasen,
- die Aufstockung der Entwicklungsgelder und Klimafinanztransfers und
- die Einrichtung eines UN-Kompensationsfonds für die Folgen des Klimawandels und des Kolonialismus. Die Energiewende sehen wir als globales Gemeingut und fordern einen solidarischen Wissens- und Technologietransfer.
Wir wollen eine selbstbestimmte Entwicklung und die Ernährungssouveränität in den Ländern des Südens stärken. Landraub, Nahrungsmittelspekulation und Agrospritimporte müssen verboten werden. Stattdessen setzen wir auf eine agro-ökologische Landwirtschaft, die Förderung von Kleinbäuerinnen und -bauern, angepasste Technologien und eine gerechte Land- und Ressourcenverteilung statt die von Bundesminister Gerd Müller gepäppelte Agroindustrie. Der Schutz von Menschen muss Vorrang vor Profitinteressen bekommen: Deutsche und europäische Konzerne müssen verpflichtet werden, die sozialen und ökologischen Standards und Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wertschöpfungskette einzuhalten. Hierfür muss Deutschland den UN-„Treaty Prozess“ im Menschenrechtsrat unterstützen, über den Unternehmensverantwortung völkerrechtlich verbindlich festgeschrieben werden soll.
Heike Hänsel ist entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.
heike.haensel@bundestag.de