KfW

„Das Umdenken hat begonnen“

Mobilität ist zu einem Megathema unserer Zeit geworden: Alternative Antriebe und Techniken stellen die bisherigen Verkehrssysteme in Frage. Dazu kommen permanente Staus in vielen Städten rund um den Globus, die neue Lösungen erfordern. Im Interview erläutert KfW-Bereichsleiter Roland Siller, ob und wie ärmere Länder ihren städtischen Verkehr umsteuern. Dieses Interview entstand im Rahmen einer KfW-Beilage zu E+Z/D+C.
Freie Fahrt für den Schienenverkehr. KfW Bankengruppe/Florian Lang Freie Fahrt für den Schienenverkehr.

Was verbinden Sie mit dem Begriff nachhaltige Mobilität?
Damit verbinde ich Verkehr, der fließt, ohne Stau. Er ist umweltfreundlich, komfortabel, bezahlbar und bedient nicht nur die Reichen, sondern alle Menschen.

Meinen Sie damit Autos oder öffentliche Verkehrsmittel?
Beides. Ein Verkehrssystem sollte so angelegt sein, dass es die Masse der Menschen über öffentliche Transportmittel bewegt und sich dann intelligent mit individuellen Verkehrsmitteln verknüpft, am besten natürlich mit umweltfreundlichen wie Fahrrädern, Fußwegen, aber auch energieeffizienten Autos und später verstärkt Elektrofahrzeugen.

Hierzulande sprechen wir dauernd von neuen Verkehrsformen, vom autonomen Fahren, von E-Mobilität und smarten Lösungen über Apps. Sind das Debatten, die auch in den Entwicklungsländern geführt werden?
Tatsächlich sehen wir auch dort Bewegung. Der Leidensdruck ist in den wachsenden Städten des Südens sehr groß. Beispiel Indien: Prognosen zufolge kommen in den nächsten Jahren 200 Millionen Menschen zusätzlich in die Städte. Das hat mit Abwanderung in die Metropolen zu tun, aber auch mit dem Bevölkerungswachstum. Mehr Menschen verursachen mehr Verkehr, zumal wenn der Lebensstandard steigt. Jeder, der es sich leisten kann, schafft sich dann ein eigenes Auto an – und produziert noch mehr Verkehr. Mehrere Stunden im Stau zu stehen ist in vielen Städten mittlerweile trauriger Alltag.

Und deshalb wird jetzt Abhilfe geschaffen?
Ja, das Umdenken hat begonnen. In Indien beispielsweise sollen die 25 größten Städte alle ein Verkehrssystem bekommen, zum Teil mit U-Bahnen, zum Teil mit Stadtbahnen, je nach Größe und auch Kosten der Investition.

In Asien tut sich viel in puncto Mobilität. In China zum Beispiel fließen große Summen in nachhaltige Mobilität. Was ist mit anderen Weltgegenden?
Auch in Lateinamerika sehen wir Veränderungen; in zahlreichen Metropolen entstehen schnelle Busspuren, genannt „Bus Rapid Systems“, Stadt- oder U-Bahnen. Auch ungewöhnlichere Verkehrsmittel wie Seilbahnen sind im Kommen, wie zum Beispiel in Medellín (Kolumbien). In Afrika sehen wir das noch nicht im selben Maß, aber die Beschäftigung mit dem Thema wird auch dort schnell an Bedeutung zunehmen. Das ist absehbar und hängt ebenfalls mit der wachsenden Bevölkerung zusammen. Bis 2050 soll sich die Zahl der Stadtbewohner in Afrika auf rund 1,2 Milliarden verdreifachen.

In Deutschland heißt es, die Verkehrswende sei die nächste Energiewende. Gilt das auch für Entwicklungsländer?
Ja, allerdings würde ich die Dimen­sion vergrößern, weil Mobilität zusätzlich zum Umwelt-Aspekt ganz starke wirtschaftliche Folgen hat. Es kann deshalb nicht darum gehen, Mobilität einzudämmen; sie ist entscheidend für wirtschaftlichen Fortschritt, sondern Transport und Verkehr umweltfreundlich und intelligent zu gestalten.

Was ist notwendig, damit das auch wirklich geschieht?
Aus meiner Sicht vor allem gute Planung. Verkehrsmittel können ein Stadtbild für Jahrzehnte, manchmal sogar Jahrhunderte prägen. Nehmen Sie die Londoner U-Bahn als Beispiel. Umso wichtiger ist es, Investitionsentscheidungen dieser Größe gut zu planen und in integrierten Systemen zu denken. Das ist in vielen Städten bisher nicht geschehen, aber dahin müssen wir kommen.

Was unternimmt die KfW, um die weltweite Verkehrswende zu befördern?
Auch bei uns geht es erst richtig los. Wir haben in den letzten Jahren unser Engagement hochgefahren, aber wir wollen noch eine Menge mehr tun. Die Bundesregierung hat vor zwei Jahren die Initiative TUMI ins Leben gerufen. Sie sieht vor, jedes Jahr 1 Mrd. EUR in nachhaltige Mobilität zu investieren. Wir setzen diese Initiative für die Bundesregierung um, aber klar ist auch: Solche Projekte haben eine große Vorlaufzeit.

Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Bisher sind wir am stärksten in Asien und Lateinamerika engagiert, noch nicht so sehr in Afrika. Das wird sich ändern, aber im Moment ist das der Status quo. Wir fördern jeweils angepasste Lösungen von Fahrradwegen über Stadtbahnen bis hin zu U-Bahnen.

Gehört dazu auch schon Elektromobilität jenseits vom Schienenverkehr?
Zum Portfolio der Entwicklungsbank bisher nicht, aber wir verhandeln gerade über eine größere Zahl von Elektrobussen für Indien. Ich gehe davon aus, dass das mehr wird. Denkbar wären zum Beispiel auch E-Bikes mit Lastenaufsätzen à la Streetscooter und anderes mehr. Wichtig ist für uns allerdings nicht allein die Art des Antriebs, sondern dass sich ein KfW-Projekt in ein nachhaltiges Gesamtsystem einpasst.

Neben guter Planung und Geld liegt ein weiterer Faktor bei den Menschen selbst. Sie sitzen einfach lieber im eigenen Auto als in einer U-Bahn. Wie bekommt man dieses Denken aus den Köpfen?
Das ist in der Tat eine Herausforderung. Man wird das nur schaffen, wenn der öffentliche Nahverkehr modern gestaltet ist. Er muss angenehm sein und einen Mehrwert bieten, zum Beispiel Surfen, Entertainment oder Arbeiten zulassen. In heißen Ländern sollte er klimatisiert sein, in kalten gut beheizt. Bahnhöfe und Zubringerwege müssen attraktiv, beleuchtet und sicher sein. Solche Veränderungen dauern. Umso wichtiger ist, dass wir keine weitere Zeit verlieren und Mobilität in Städten vorrangig behandeln.

Das Interview führte Friederike Bauer.


Link

KfW-Beilage in E+Z/D+C
https://www.kfw-entwicklungsbank.de/PDF/Download-Center/PDF-Dokumente-Medienkooperation-mit-E-Z/2018_10_NachhaltigeMobilität_DE.pdf