Internationale Zusammenarbeit
Export der Energiewende
Das Interesse arabischer Staaten an erneuerbaren Energien steigt. Bessere Kooperation vor Ort und Unterstützung seitens multilateraler Partner würde erneuerbaren Energien und Innovationskraft im Nahen Osten und in Nordafrika (MENA) Schub verleihen, meint Nurzat Myrsalieva vom Regional Centre for Renewable Energy and Energy Efficiency (RECREEE) in Kairo. Das Centre unterstützt Mitglieder bei Vorhaben und bietet die Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs. RECREEE hat 16 Mitgliedsländer im Nahen Osten und Nordafrika. Partner wie beispielsweise Deutschland halfen bei der Gründung. Aus Myrdalievas Sicht ist RECREEE erfolgreich, weil das Centre eine „heimische“ Institution ist, das die Mitglieder steuern und kontrollieren. Das Centre stellt ihnen Daten und Fakten bereit. Mit RECREEE-Unterstützung haben mehrere Länder Energieeffizienzkonzepte entwickelt und arbeiten jetzt an Zielen für erneuerbare Energien.
„Multilaterale Zusammenarbeit ist wichtig“, sagt Myrsalieva. „Viele Projekte gäbe es ohne multilaterale Partner nicht“. Regionale Kooperation wecke Ehrgeiz und beuge Doppelarbeit vor. Myrsalieva sagt, kleine, bilaterale Projekte wirkten zwar auf viele Menschen erfolgsversprechend, weil sie genau auf Nachfrage zugeschnitten seien. Ihr Nachteil sei allerdings, dass „diese Projekte oft nicht langlebig sind, da sie nur für einen speziellen Interessenten zu einem bestimmten Zeitpunkt konzipiert werden“. Einzelprojekte führten zudem kaum zu langfristigem Interesse und entsprechenden Investitionen.
Die deutsche Perspektive
Aus deutscher Sicht ist RECREEE ein vielversprechender Partner. Deutschland ist der größte bilaterale Geldgeber was Energieeffizienz und erneuerbare Energien angeht. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat 2014 für gemeinsame Projekte mit 25 Ländern im Energiesektor 3 Milliarden Euro aufgewendet. Die Hauptziele sind, Energiearmut zu bekämpfen und Klimaschutz zu fördern, wie BMZ-Beamtin Kerstin Fährmann berichtet. Diese Politik hängt eng mit der deutschen Energiewende zusammen. Die Bundesregierung fördert erneuerbare Energien und Effizienz, während sie zugleich aus der Atomkraft aussteigt.
Sybille Röhrkasten vom Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) sieht Deutschland „in einer guten Position“, um für eine internationale Energiewende zu werben. Die Bundesrepublik hat die nötige technische Expertise und Erfahrung, wie sie kürzlich auf einer Konferenz ihres Instituts in Potsdam erläuterte. Deutschland will 2050, 60 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken.
Ein Ziel der deutschen Außenpolitik ist, andere Länder zum Mitmachen zu bewegen. Um Investitionen anzuregen, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. In vielen Ländern wäre auch Bürokratieabbau hilfreich. Der Privatsektor lasse sich mit Partnerschaften ins Boot holen, sagt Hans Köppel vom Auswärtigen Amt.
Deutsche Fortschritte werden für sich genommen allerdings wenig zur Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen beitragen, denn aus der Bundesrepublik stammen derzeit nur drei Prozent der globalen Klimagase. Deshalb ist es nötig, andere Länder vom deutschen Modell zu überzeugen.
Selbstverständlich modernisieren auch andere Regierungen ihre Energie- und Umweltpolitik. In den USA und China wird mehr Strom mit Windkraft generiert als in Deutschland. In Sachen Solarenergie ist Deutschland allerdings ungeschlagen. Weil die Preise für Solartechnik fallen, wächst derweil das Interesse in Nordafrika. Auch Windkraft wird dort bereits genutzt.
Afrikanische Ziele und Bedürfnisse
Marokko hat vor, 42 Prozent seiner Energie im Jahr 2040 mit Erneuerbaren zu generieren. Tunesien will 2030 einen Anteil von 30 Prozent Solarenergie erreichen. Algerien will 2030 sogar auf 40 Prozent kommen. Ägypten strebt 20 Prozent erneuerbaren Strom im Jahr 2022 an. Bislang deckt aber Nordafrika noch 95 Prozent des Energiebedarfs mit fossilen Brennstoffen.
In vielen Ländern ist die Energieversorgung zudem mangelhaft. Auf Stromnetze ist kein Verlass und Ausfälle sind Alltag. Viele arme Menschen haben gar keinen Stromanschluss. Afrikanische Länder plagt – anders als Deutschland – ein Elektrizitätsdefizit, wie Karoline Steinbacher vom Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin festhält.
Mehr Zusammenarbeit vor Ort würde dazu beitragen, „die Prioritäten deutscher Regierungsorganisationen mit denen nordafrikanischer Partner“ abzustimmen, urteilt Georgeta Vidican vom Deutschen Institut für Entwicklung (DIE). Ihrer Meinung nach sind deutsche Institutionen und Behörden nicht optimal aufgestellt. Mehrere Bundesministerien – von Auswertigen Amt und BMZ bis hin zu den Wirtschafts-, Bildungs- und Umweltressorts – sind involviert. Sie müssten sich besser abstimmen, meint Vidican. Zudem gäbe es zu viele Durchführungsorganisationen:
- Die GIZ berät in technischen Angelegenheiten.
- Die KfW Entwicklungsbank finanziert Vorhaben.
- Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) organisiert Wissenschaftskooperation.
- Handelskammern initiieren die Zusammenarbeit von Unternehmen.
Obendrein dürfe Energiepolitik nicht isoliert betrachtet werden, warnt Vidican. Themen wie Beschäftigung, Bildung und Privatsektorentwicklung seien ebenfalls relevant. „Entwicklungszusammenarbeit muss sich auf wirtschaftliche und soziale Themen konzentrieren; sie darf aber auch nicht vergessen, den Frieden im Land zu fördern“. Umweltschutz und Energiepolitik müssten sich im Tandem entwickeln, ergänzt die Wissenschaftlerin.
Der tunesische Energieexperte Mustapha el Haddad stimmt ihr zu: „Ohne Sicherheit gibt es keine Investitionen, und ohne Investitionen gibt es weder Arbeit noch Stabilität.“ Seiner Meinung nach steigt jedoch das Interesse der tunesischen Bevölkerung an Umweltthemen.
Ellen Thalman