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Muhammad bin Salman

Der saudische Putin?

Der junge Kronprinz Saudi-Arabiens lässt einflussreiche Prinzen, Geschäftsleute und Medienmogule verhaften und will damit seine Macht konsolidieren. Ein riskantes Vorgehen.
Der junge saudische Thronfolger Muhammad bin Salman will seine Macht festigen. picture-alliance/abaca Der junge saudische Thronfolger Muhammad bin Salman will seine Macht festigen.

Was derzeit in Saudi-Arabien geschieht, ist ein politisches Erdbeben. In der Nacht zum 5. November ließ der saudische Thronfolger und Königssohn Muhammad bin Salman in einer umfassenden Verhaftungswelle elf hochrangige Prinzen, vier Minister, schwerreiche Geschäftsleute sowie drei einflussreiche Medienmogule festnehmen.

Dieses Vorgehen hat weitreichende Auswirkungen auf das Land. Drahtzieher der „Säuberungsaktion“ ist der junge Kronprinz Muhammad bin Salman, genannt MbS. Er ist seit der Machtübernahme seines Vaters Salman im Januar 2015 der Hans-Dampf-in-allen-Gassen: Als amtierender Verteidigungsminister verantwortet er den desaströsen Krieg im Jemen und das ambitionierte innenpolitische Wirtschaftsreformprogramm „Vision 2030“. Seit Kurzem ist er auch noch Leiter einer neu eingerichteten Anti-Korruptions-Behörde, die die aktuellen Verhaftungen anordnete. Den Festgenommenen wird vorgeworfen, der saudischen Nation geschadet zu haben, da sie Gelder veruntreut hätten und „schwache Seelen“ seien.

MbS präsentiert sich als knallharter Reformer und Korruptionsbekämpfer. Bislang galten Mitglieder des Königshauses und andere Günstlinge aber als immun. Damit ist es nun vorbei: MbS räumt auf. Dafür wird er vor allem von der jungen Genera­tion in Saudi-Arabien gefeiert. Viele junge Saudis sind es leid, dass die oberen Zehntausend Millionen verprassen und sie ihrer beruflichen Aufstiegschancen berauben. MbS macht sich dieses Frustpotenzial clever zunutze, indem er die Message verbreitet: Niemand steht über dem Gesetz, niemand ist vor mir sicher. Denn ich bin das Gesetz.

Dabei ist der Kampf gegen Korruption nur ein Vorwand. Das Hauptziel des Thronfolgers ist, seine Macht als künftiger König zu konsolidieren. Im Gegensatz zu seinem Vater und seinen Vorgängern, die erst in einem deutlich reiferen Alter so viel Macht übernahmen, verfügt der 32-Jährige noch nicht über den Respekt des Alters. Stattdessen muss er liefern; die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass er der Richtige ist, das Land in einer schwierigen Phase anführen zu können.

Krisen gibt es genug: Die Wirtschaft lahmt und außenpolitisch steckt das Königreich in dem Konflikt mit dem Erzrivalen Iran fest. Neben dem Jemen hat Saudi-Arabien auch noch den Libanon in den Konflikt hineingezogen, der nun im Chaos zu versinken droht. Gerüchten zufolge soll der libanesische Premierminister Saad Hariri auf Initiative von MbS zum Rücktritt gezwungen und in Saudi-Arabien festgehalten worden sein. Hariri verneint dies. Der Grund könnte aber sein, dass die mit dem Iran verbündete schiitische Hizbollah-Miliz Teil der Hariri-Regierung war. MbS heizt die Dämonisierung des Irans an, muss aber irgendwie einen Ausweg aus dem Konflikt finden.

Innenpolitisch ist sein Lösungsansatz eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie: Einerseits geht er kompromisslos gegen mögliche Gegner vor. Andererseits präsentiert er sich als aufgeschlossener Herrscher der Jugend, der ein neues, modernes Saudi-Arabien schaffen will. So ließ MbS verkünden, dass Frauen ab Sommer 2018 Auto fahren dürfen und Kinos eingeführt werden sollen. Sein Credo: Wirtschaftliche Reformen und gesellschaftliche Liberalisierung sind zwar ein notwendiges Ziel, doch oberste Priorität hat die Stabilität seiner Herrschaft.

Allerdings ist sein Machtspiel riskant: Bislang beruhte die saudische Politik auf einem ausgeklügelten System des Kompromisses. Innerhalb der Königsfamilie wurden Prinzen mit Posten versorgt, um sie gefügig zu machen. Einflussreiche Geschäftsleute erhielten Staatsaufträge, was ihre Loyalität zum König stärkte. Es war ein System des Gebens und Nehmens. MbS bricht nun mit dieser stillschweigenden Übereinkunft und stellt sich an die Spitze einer moralischen Anti-Establishment-Bewegung, zu der er selbst gehört. Der mittlerweile in seiner Heimat in Ungnade gefallene saudische Journalist Jamal Khashoggi nennt MbS demnach auch den „saudischen Putin“, der eine Ein-Mann-Herrschaft installieren will. Zwar war Saudi-Arabien schon immer eine absolute Monarchie, doch Entscheidungen wurden im Kreis der Familie getroffen. Dass nun MbS allein entscheiden will, rüttelt an den Säulen der saudischen Familientradition.


Sebastian Sons ist Saudi-Arabien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
sons@af.dgap.org

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