Bildung

Motor für Wachstum und Wohlstand

Die Bedeutung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ist nahezu unumstritten. In den vergangenen Jahrzehnten haben Maßnahmen wie die UNESCO-Weltdeklaration „Bildung für alle“ und das internationale Engagement zur Förderung universeller Grundschulbildung zu großen Fortschritten auf dem Weg zu nachhaltigen universellen Bildungsperspektiven beigetragen. Doch der Fokus auf grundlegende Schulbildung und Einschulungsquoten reicht nicht aus, denn in vielen Entwicklungsländern bestehen weiterhin vor allem Defizite bei der Qualität von Bildung. Persönliches und gesellschaftliches Potenzial bleibt so oft ungenutzt.
Grundschule in Hevie, Benin. picture-alliance/robertharding Grundschule in Hevie, Benin.

Die Bedeutung von Bildung für wirtschaftliches Wachstum beschäftigt sowohl Bildungs- und Wirtschaftswissenschaftler als auch politische Entscheidungsträger schon lange. Der vor allem von Ökonomen oft verwendete Begriff „Humankapital“ bezieht sich auf einen wirtschaftlichen und sozialen Wert, der üblicherweise mit dem Erwerb von Bildung und Fähigkeiten einhergeht. In der ökonomischen Wachstumsforschung, in der Ökonomen historische Wachstums- und Entwicklungsprozesse verschiedener Länder zu erklären versuchen, gewinnt der Faktor Bildung zunehmend wieder an Bedeutung.

Auf makroökonomischer Ebene entsteht durch Bildung ein Fundament für wirtschaftliches und gesellschaftliches Wachstum, denn Bildung erhöht die Produktivität und ermöglicht es, das soziale Leben zu reflektieren. Aus mikroökonomischer Perspektive des Einzelnen dient eine solide (Aus-)bildung als Grundlage für Selbstvertrauen, gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Weiterentwicklung. Nicht zuletzt ermöglicht Bildung für den Einzelnen die Finanzierung des Lebensunterhalts.

Die Verantwortung für den Zugang zu grundlegenden Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten wird im Allgemeinen dem Staat zugeschrieben. Bildung und der Zugang zu ihr unterliegen jedoch weltweit einer starken Ungleichverteilung. Während beispielsweise in Deutschland junge Menschen heute durchschnittlich 13 Jahre die Schule besuchen, sind es in Subsahara-Afrika gerade einmal 5,4 Jahre. Bildung nimmt deshalb einen wichtigen Stellenwert in der internationalen Zusammenarbeit ein. Das Recht auf Bildung ist Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 26) und damit zwar nicht völkerrechtlich bindend, aber eine freiwillige Übereinkunft der 193 UN-Mitgliedstaaten.

Das Engagement der internationalen Gemeinschaft zur Verbesserung von Bildungsperspektiven wurde bereits im Rahmen der Millennium Development Goals (MDGs) deutlich, welche 2000 verabschiedet wurden. Eines der Ziele war es, allen Kindern bis zum Jahr 2015 eine abgeschlossene Grundschulausbildung zu garantieren (MDG 2). In dieser Hinsicht gab es seither erhebliche Fortschritte. Insbesondere für Subsahara-Afrika zeigen Zahlen der Weltbank einen Anstieg der Einschulungsraten in Grundschulen um etwa 25 Prozent von 54 Prozent (1996) auf 78 Prozent (2015). Gleichzeitig jedoch schlossen laut Schätzungen mehr als 125 Millionen Kinder weltweit die Grundschule ohne Basiskenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen ab.

Ein weiteres Ziel war die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Bildungsebenen (MDG 3.A). Trotzdem bestehen in Subsahara-Afrika zwischen den Geschlechtern sowie auch im Hinblick auf das Bildungsniveau nach wie vor große Ungleichgewichte. Gerade einmal 21 Prozent der Mädchen erreichen einen sekundären Bildungsabschluss, während es bei den Jungen immerhin 28 Prozent sind. Mädchen und Frauen liegen besonders in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften weit zurück. Dies macht deutlich, dass eine rein quantitative Ausrichtung von Bildungspolitik nicht ausreicht, um den Zugang zu Bildung und Bildungsergebnisse nachhaltig zu verbessern.

Der internationale Fokus richtet sich daher nicht mehr ausschließlich auf Einschulungsraten, sondern insbesondere auf die Verbesserung der Qualität von Bildung. Die Sustainable Development Goals (SDGs), welche die MDGs 2015 ablösten, spiegeln diese bildungspolitische Umorientierung wider. Neue Zielsetzung ist die Gewährleistung einer integrativen und hochwertigen Bildung sowie die Förderung lebenslangen Lernens für alle (SDG 4). Diskussionen über die Verbesserung von Bildungsqualität und Lernergebnissen in Entwicklungsländern spielen auch im World Development Report 2018 der Weltbank eine wichtige Rolle.


Bildung und Bildungspolitik in Benin

In diesem Jahr ist Benin Gastgeberland der Konferenz des Poverty Reduction, Equity and Growth Netzwerks (PEGNet), die sich der Verbesserung von Bildungsqualität und Lernergebnissen in Entwicklungsländern widmet. Benin erlebte in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen enormen Anstieg der Einschulungsraten in Grundschulen und ist somit der ideale Schauplatz für eine Debatte, die die Qualität der Grund- und Hochschulausbildung in den Mittelpunkt stellt.

Benins Bildungssystem unterteilt sich in sechs Jahre verpflichtende Grundschulausbildung, vier Jahre mittlere und drei Jahre obere Sekundarstufe. Danach besteht die Möglichkeit, eine Universität oder Berufsschule zu besuchen. Während in Deutschland der Schulbesuch bis zum 18. Lebensjahr gesetzlich verpflichtend und kostenfrei ist, sind in Benin lediglich die ersten sechs Jahre obligatorisch. Ein Erlass von Gebühren auf allen Bildungsebenen ist für ein einkommensschwaches Land wie Benin aktuell undenkbar. Trotz der ökonomischen Herausforderungen gibt es bereits einige Reformen im Bildungssektor. Beispielsweise führte das Ministerium für Sekundarbildung 2010 Zuschüsse für Studiengebühren ein, welche insbesondere Frauen aus ländlichen Gegenden den Zugang zur weiterführender Bildung erleichtern sollen.

Die Regierung Benins arbeitet gemeinsam mit Wissenschaftlern an der Evaluation dieser Reformen. Ein laufendes Forschungsprojekt des Institute for Empirical Research in Political Economy (IERPE) an der African School of Economics in Benin untersucht den Effekt von zusätzlichem Mathematikunterricht für Mädchen auf deren Lernergebnisse. Dazu werden für 90 zufällig ausgewählte Schulen drei Szenarien ver­glichen; in zwei Szenarien werden Zusatzkurse entweder nur für Mädchen oder für Mädchen und Jungen angeboten, während eine Kontrollgruppe keinerlei ergänzendes Bildungsangebot erhält. Die Ergebnisse dieser Studie werden auf der PEGNet-Konferenz im Oktober vorgestellt.

Ein weiteres laufendes Forschungsprojekt verschiedener internationaler Partner analysiert die Auswirkungen von Technical Vocational Education and Training (TVET) in Benin auf die Arbeitsmarktergebnisse junger Erwachsener. Untersucht wird die langfristige Wirkung des dualen TVET-Programms „Certificat de Qualification Professionnelle (CQP)”, welches die informelle Ausbildung vieler westafrikanischer Länder ergänzt und verbessern soll. Zur Evaluation verwenden die Forscher der Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich sowie der University Abomey-Calavi in Benin ein quasi-experimentelles statistisches Verfahren namens Regressions-Diskontinuitäts-Analyse und planen darüber hinaus die Durchführung einer randomisierten kontrollierten Studie. Teil des auf sechs Jahre ausgelegten Projekts ist darüber hinaus die Entwicklung einer neuen Methode zur Messung der Arbeitsmarktsituation junger Erwachsener, basierend auf einer Mobilfunk-Technologie.

Die Beispiele aus Benin zeigen, dass sich bereits einige interdisziplinäre und internationale Forschungsanliegen der Frage widmen, wie Bildungsqualität in Entwicklungsländern nachhaltig verbessert werden kann. Die Veränderung des bildungspolitischen Fokus hin zu Qualitätsfortschritten sowie die Einbeziehung lokaler Experten in Entwicklungsländern in aktuelle Debatten, wie sie PEGNet mit seinen jährlichen Konferenzen praktiziert, sind essenziell für nachhaltigen Erfolg auf dem Weg hin zu langfristigen Bildungsperspektiven in Entwicklungsländern.


Janina Meister ist Masterstudentin der Volkswirtschaftslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und derzeit Praktikantin in der Abteilung Armutsminderung und Entwicklung am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Die diesjährige Konferenz des Poverty Reduction, Equity and Growth Netzwerks (PEGNet) zum Thema „Verbesserung von Bildungsqualität und Lernergebnissen in Entwicklungsländern“ findet am 11. und 12. Oktober in Zusammenarbeit mit der African School of Economics (ASE) in Cotonou, Benin, statt.
janina.meister92@googlemail.com

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