EU-Entwicklungspolitik

Den europäischen Traum verwirklichen

Die entwicklungspolitische Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kann sich sehen lassen. Die Präsidentschaft wurde als „Schwungrad“ genutzt, um den Zukunftsbeitrag der europäischen Entwicklungspolitik zur Gestaltung einer nachhaltigen und gerechten Globalisierung mitzuprägen. Nun müssen die Themen weiterentwickelt werden.

[ Von Heidemarie Wieczorek-Zeul ]

Nach der deutschen Doppelpräsidentschaft im Rat der Europäischen Union (EU) und bei den G8-Staaten steht Entwicklungspolitik ganz oben auf der Agenda der internationalen Politik. Die von deutscher Seite geleistete Arbeit kann sich auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sehen lassen. Wir haben uns gut vernetzt und mit Portugal und Slowenien eine effektive Trio-Präsidentschaft gebildet, die zahlreiche entwicklungspolitische Initiativen weitertragen wird.

Das Ergebnis des Europäischen Rates vom Juni 2007 stimmt mich positiv. Insbesondere möchte ich das Mandat für die Regierungskonferenz 2007 hervorheben. Für die Entwicklungspolitik werden die 2004 formulierten positiven Vorschriften des Verfassungsvertrags (unter anderem das besondere entwicklungspolitische Kohärenzgebot) in einen neuen Reformvertrag übernommen.

Wir werden sicherstellen, dass die Entwicklungspolitik in der reformierten Europäischen Union ihre institutionelle Eigenständigkeit und damit ihre deutlich hörbare Stimme behält. Im geltenden Finanzrahmen bis 2013 ist Entwicklungspolitik Teil des so genannten Außenhandelns der EU. Bei der für 2008/09 geplanten Finanzrevision werde ich mich für die Weiterentwick­lung der finanziellen Verfasstheit der Union einsetzen. Denn vieles muss kohärenter werden: Agrarhaushalt, Strukturbeihilfen, gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich möchte die Überprüfung nutzen, um die Finanzierung der Afrikanischen Friedensfazilität in einem geeigneten Instrument zu verankern.

Beschlüsse zur Rolle der Frauen setzen die notwendigen politischen und operativen Vorgaben zur Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter. Im Bereich Beschäftigungsförderung ist die EU aufgefordert, zur Schaffung von mehr menschenwürdigen Arbeitsplätzen beizutragen. Dies geht in die Strategieplanung der gemeinschaftlichen Entwicklungs­zusam­men­ar­beit ein, und wir werden darauf achten, dass beides in den EU-Länderstrategiepapieren sichtbar verstärkt wird. Über den Bereich der Beschäftigungsförderung hinaus wird sich eine künftige umfassende EU-Strategie mit menschenwürdiger Arbeit (decent work) befassen und die Partnerländer bei der Schaffung und Einhaltung von sozialen Standards (vor allem der Umsetzung der ILO-Übereinkommen) unterstützen.

Der enge Dialog mit der Zivilgesellschaft und mit unseren Partnerländern wird weiter die EU-Entwicklungspolitik mitgestalten. Im internationalen Raum halten wir den gestiegenen politischen Beitrag der EU durch verbesserte Koordination mit den Vereinten Nationen, der Weltbank, den regionalen Entwicklungsbanken und weiteren Akteuren aufrecht. Diese Stärkung des europäischen Entwicklungsbeitrags unterstreicht die Glaubwürdigkeit unseres Engagements und die positive Rolle der EU im Bemühen um eine gerechte Gestaltung der Globalisierung.

Kaum einer hat die Verantwortung Europas, die ich meine, besser beschrieben als Jeremy Rifkin: Der Europäische Traum „passt besser als der amerikanische Traum zum nächsten Schritt der menschlichen Entwicklung – er verspricht in einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt der Menschheit zu globalem Bewusstsein zu verhelfen. Der Europäische Traum stellt Gemeinschaftsbeziehungen über individuelle Autonomie, kulturelle Vielfalt über Assimilation, Lebensqualität über die Anhäufung von Reichtum, nachhaltige Entwicklung über unbegrenztes materielles Wachstum, Menschenrechte und die Rechte der Natur über Eigentumsrechte und globale Zusammenarbeit über einseitige Machtausübung.“ (Jeremy Rifkin, Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht, 2004)

Afrika beherrschte die entwicklungspolitischen Themen der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft. Afrika braucht für sein nachhaltiges wirtschaftliches und soziales Wachstum Frieden, gute Regierungsführung, faire und entwicklungsförderliche Handelsbeziehungen, möglichst freien Marktzugang für seine Produkte, nachhaltige Investitionen, nachhaltige Nutzung von Energieressourcen und für seine Menschen Arbeit und Beschäftigung. Afrika steht heute politisch und wirtschaftlich für Reformdynamik und tritt als eigenständige politische Kraft immer deutlicher in Erscheinung. Ich konnte mich persönlich in Heiligendamm von dem Wunsch zur Fortsetzung des Dialogs auch auf höchster Ebene überzeugen.

Europa und Afrika brauchen eine langfristige, starke und umfassende Partnerschaft. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat vor, die Entwicklung einer gemeinsamen Afrika-Strategie zwischen der EU und der Afrikanischen Union (AU) zum Abschluss zu bringen. Auf einem gemeinsamen EU-Afrika-Gipfel im Dezember 2007 in Lissabon soll diese Strategie verabschiedet werden. China bietet Afrika den rapiden Ausbau der Geschäftsbeziehungen an. Die europäische Partnerschaft mit unserem Nachbarkontinent ist auf viel mehr Ebenen verankert. Wir stärken die Reformkräfte und setzen uns dafür ein, dass die Ressourcen und das Wirtschaftswachstum den Menschen in den Ländern zugutekommen und Armut bekämpft wird.

Gemeinsame Interessen Europas und Afrikas treiben die Initiative zur Energiepartnerschaft an mit den Elementen Sicherheit der Energieversorgung auf beiden Kontinenten, Zugang zu nachhaltigen Energiedienstleistungen, Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und Armutsbekämpfung. Eine umfassende und langfristige Energiepartnerschaft wird daher Teil der gemeinsamen Afrika-Strategie von EU und AU sein.

Im Kampf gegen AIDS ist die Strategie der EU nach unserer Präsidentschaft wesentlich auf neue Herausforderungen und insbesondere auf den Schutz von Frauen, die zunehmend Opfer der Pandemie sind, ausgerichtet. Die Modernisierung der Strategie wird ergänzt durch einen Aktionsplan zur Verringerung der Abwanderung und Abwerbung von Gesundheitsfachkräften aus Entwicklungsländern. Europa stellt mehr Geld bereit: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria wird aus Restmitteln des 9. Europäischen Entwicklungsfonds mit 38 Millionen Euro aufgefüllt. Wir werden nun die rasche Umsetzung der Strategie und Beschlüsse einfordern und begleiten.

Bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) wurde das Ziel erreicht, Handelspolitik in den Dienst wirksamer Armutsbekämpfung und nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung zu stellen. Unter deutschem Vorsitz haben sich die Mitgliedstaaten der EU auf ein weitreichendes Angebot zur Öffnung unseres gemeinsamen Marktes gegenüber den AKP-Staaten verständigt. Zugleich haben wir sehr lange Übergangsfristen für den Schutz entwicklungssensibler Produkte und Sektoren in den AKP-Staaten in Aussicht gestellt. Die EU konnte damit ihr Konzept einer asymmetrischen, flexiblen und entwicklungsunterstützenden Öffnung der Gütermärkte überzeugend mit politischem Inhalt füllen.

Im Mai 2007 haben wir ein entwick­lungspolitisch stimmiges Paket begleitender Handelshilfen verabschiedet. Bis Herbst 2007 wird die EU eine gemeinsame Strategie für handelsbezogene Entwick­lungshilfe (Aid for Trade) verabschieden, für die die politischen Eckpunkte festgelegt wurden. Ab dem Jahr 2010 wollen die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre laufende gemeinschaftliche Unterstützung auf einen Betrag von jährlich zwei Milliarden Euro anheben und damit unter anderem der Umsetzung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen dienen. Mit diesen positiven politischen Signalen der EU an die AKP-Staaten wollen wir einen fristgerechten und entwicklungsförderlichen Abschluss der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bis Ende 2007 sicherstellen helfen.

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