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Demokratie

Hightech hat Präsidentschaftswahl in Nigeria nicht transparent gemacht

Mit Hightech sollte Nigerias Präsidentschaftswahl im Februar transparent und sicher werden. Das misslang.
Digitalisierte Wähleridentifizierung am 25. Februar im Bundesstaat Anambra. picture alliance / REUTERS / Temilade Adelaja Digitalisierte Wähleridentifizierung am 25. Februar im Bundesstaat Anambra.

In vielen Ländern Afrikas sind Wahlbetrug und Gewalt bei Wahlen nichts Besonderes. Manche Länder – etwa Ghana, Ruanda und Kenia – wollen mit moderner Technik Wahlverfahren stärken und Transparenz fördern. Auch Nigeria versucht das, blieb aber bei der jüngsten Präsidentschaftswahl ohne Erfolg. Die Wahlbehörde (INEC – Independent National Electoral Commission) steht daher in der Kritik.

Nigeria ist mit mehr als 210 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Bei früheren Wahlen gab es oft Gewalt, Manipulation und Regelwidrigkeiten. 2023 sollte es anders werden. Die Wählenden sollten im ersten Wahlgang am 25. Februar den nächsten Präsidenten und die Mitglieder der Nationalversammlung wählen und zwei Wochen später mehrere Bundesstaaten-Gouverneure.

Doch es lief nicht wie geplant. Die Wahlen zur Nationalversammlung verliefen ordentlich, aber die Präsidentschaftswahl endete im Chaos. Drei Tage nach der Abstimmung erklärte die INEC Bola Ahmed Tinubu zum Sieger – was aber umstritten bleibt. Die beiden Oppositionsführer, die auf Platz zwei und drei kamen, wollen das Ergebnis vor Gericht anfechten. Der Verdacht der Manipulation und des Betrugs ist groß – auch weil die Nationalversammlungswahl ohne große Probleme verlief.

Gut ist, dass sich die Oppositionsführer für einen geordneten Prozess entschieden haben. Die institutionelle Ordnung des Landes scheint damit, trotz Frust in der Bevölkerung, nicht bedroht zu sein. Angesichts des problematischen Ablaufs der Präsidentschaftswahl wurden die Gouverneurswahlen auf Ende März verschoben und verliefen in technischer Hinsicht weitgehend ordentlich.

BVAS und IREV

Zwei Hightech-Tools sollten Transparenz bei den Wahlen schaffen. Das BVAS (Bimodal Voter Accreditation System) und das IREV (INEC Result Viewing Portal). Sie wurden bei den diesjährigen Wahlen erstmals bundesweit eingesetzt.

Das BVAS hat drei Funktionen:

  • Registrierung der Wählenden vor den Wahlen,
  • Identitätsbestätigung der Wählenden vor Stimmabgabe und
  • Hochladen der Ergebnisse auf das IREV am Wahltag.

Elektronische Geräte lesen die persönlichen Daten und bestätigen, dass die betreffende Person wahlberechtigt ist. Das System verwendet Gesichts- und Fingerabdruckerkennung. Für regelmäßige Software-Updates sowie bequeme Downloads und Uploads benötigt es eine 4G-Netzabdeckung.

Das BVAS wurste erstmals 2021 bei den Regionalwahlen in den Bundesstaaten Delta und Anambra und 2022 im Territorium der Bundeshauptstadt getestet. Es gab Klagen, dass die Maschinen Gesichter und Daumen der Wählenden nicht immer erkannten. Laut INEC wurden die Probleme jedoch behoben. Die Behörde tat Bedenken vor der Präsidentschaftswahl ab. Dennoch traten die gleichen Fehler wieder auf.

IREV ist das Speichersystem, auf das die Ergebnisse am Wahltag hochgeladen werden sollen. Es wurde erstmals 2020 bei einer Nachwahl im Bundesstaat Nasarawa eingesetzt.

Theorie und Praxis

Theoretisch sollte es in den Wahllokalen so ablaufen: Nach Ende der Stimmabgabe zählen ein INEC-Beamter oder eine INEC-Beamtin die Stimmzettel aus. Im Beisein von Vertretern der konkurrierenden politischen Parteien unterzeichnet er oder sie dann die Ergebnisliste, fotografiert sie mit dem BVAS und lädt sie auf IREV hoch. So können die nationalen Ergebnisse schnell und transparent ermittelt werden. Natürlich werden die Wahlergebnisse auch offline dokumentiert, so dass spätere Überprüfungen stets möglich bleiben.

Das klingt theoretisch gut, funktionierte in der Praxis aber nicht. Die Präsidentschaftswahl säumten viele Probleme:

  • In vielen Wahllokalen trafen sowohl INEC-Personal als auch Wahlmaterial verspätet ein. An manchen Orten, wo aufständische Milizen aktiv sind, erschienen die INEC-Leute gar nicht.
  • Einige INEC-Leute waren offenbar schlecht geschult. Während der Wahl behaupteten einige gut ausgebildete Mitarbeitende, sich nicht an das Passwort des IREV-Portals zu erinnern. Womöglich sabotierten sie auf diese Weise die Wahlen.
  • Es wurde berichtet, dass die BVAS-Geräte in einigen Wahllokalen nicht funktionierten, so dass manchen Bürgern und Bürgerinnen das Stimmrecht entzogen wurde. Im Bundesstaat Rivers konnte das BVAS zunächst selbst Gouverneur Nyesom Wike nicht erfassen. Vor allem eineiige Zwillinge wurden oft nicht als wahlberechtigt anerkannt.
  • Die Internetanbindung war unzureichend. Abgelegene Orte haben kein 4G-Netz.
  • Trotz Hightech konnten die nationalen Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen nur langsam zusammengestellt werden und wurden erst drei Tage später veröffentlicht.

Fest steht, dass es in Nigeria wieder Gewalt und großangelegten Wahlbetrug gab. Als die INEC die Ergebnisse bekannt gab, folgte öffentliche Empörung. Die offiziellen Ergebnisse stimmten zu oft nicht mit dem überein, was auf IREV hochgeladen worden war. Zwei Oppositionsparteien beschuldigten die INEC prompt der Komplizenschaft bei der Wahlmanipulation.

Es ist erklärungsbedürftig, dass es bei den Wahlen zur Nationalversammlung diese Probleme nicht im selben Ausmaß gab. Möglicherweise waren die Ergebnisse der Wahlkreise nicht kontrovers, so dass sich schnell ein klares Gesamtbild ergab. Es ist aber eher zu vermuten, dass die Präsidentschaftswahl absichtlich gestört wurde, während die Wahl der Parlamentsabgeordneten korrekt verlief.

Geringes Vertrauen, geringe Wahlbeteiligung

BVAS und IREV waren fraglos ineffektiv – aufgrund von Manipulation oder wegen des Versagens der INEC, die Anwendungen vor ihrem Einsatz ordnungsgemäß zu prüfen. Nun vertrauen die Menschen in Nigeria der Wahlbehörde noch weniger. Geringes Vertrauen führt jedoch zu niedriger Wahlbeteiligung, die ohnehin sehr niedrig ist. Sie sank von 35 Prozent bei der Präsidentschaftswahl 2019 auf etwa 29 Prozent in diesem Jahr.

Die Wahlbehörde hatte vier Jahre Zeit und reichliche Mittel, um die Wahl vorzubereiten. Es beruhigt kaum jemanden, dass INEC-Kommissar Festus Okoye sagt, die technischen Probleme seien für künftige Wahlen behoben.

Digitale Technik dürfte künftig eine größere Rolle in Politik und bei Wahlen spielen. Aber selbst die besten Geräte und Systeme bringen nichts, wenn sie stümperhaft oder absichtlich falsch genutzt werden. Die Menschen in Nigeria haben Besseres verdient.

Adaze Okeaya-inneh ist Journalistin und Drehbuchautorin.
adazeirefunmi@gmail.com