Olympische Winterspiele
Schweres Erbe
Im Kontext der Winterspiele gab es in Sotschi diverse Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehörten die Ausbeutung von Migranten, Zwangsumsiedlungen sowie Schikanen gegen Aktivisten und Journalisten, die die Vorbereitung der Spiele kritisch begleiteten. Einige wurden sogar inhaftiert.
Human Rights Watch hat seinerzeit Ausbeutung von Arbeitsmigranten auf allen wichtigen olympischen Baustellen dokumentiert. Arbeitgeber beschäftigten Arbeiter ohne Vertrag, zahlten Löhne nicht, machten Arbeiter durch Einzug von Pässen abhängig und forderten unverhältnismäßig viele Überstunden.
Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen veröffentlichten umfangreiches Beweismaterial. Dennoch zogen die russischen Behörden jahrelang die Arbeitgeber nicht zur Rechenschaft. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) machte allenfalls zögerlich Druck auf Russland.
Erst einen Monat vor Eröffnung der Spiele wurde die Situation der Arbeiter öffentlich zur Kenntnis genommen. Dmitri Kozak, der für Olympia zuständige Vize-Ministerpräsident, teilte mit, Kontrollen auf Baustellen hätten 2013 ergeben, dass Firmen Löhne von insgesamt mehr als 8 Millionen Dollar nicht ausgezahlt hätten. Die Arbeiter würden ihr Geld bekommen.
So erhielten denn viele Arbeiter Löhne, die ihnen zustanden. Allerdings geschah das für Tausende sehr spät und nicht in genügendem Umfang. Die meisten hatten Sotschi längst verlassen – und viele waren vor Beginn der Spiele abgeschoben worden.
Auch Schikanen gegen Umweltaktivisten, Journalisten und andere Kritiker kamen vor – etwa die Inhaftierung des besonders profilierten Evgenii Vitishko. Mehrfach wurde die Arbeit von Journalisten behindert, die über soziale und andere Probleme berichteten. Besonders deutlich wurde das, als Polizisten zwei norwegische TV-Journalisten verfolgten und mehrmals fest nahmen.
Zur traurigen Bilanz gehört zudem die Zwangsumsiedlung von Dutzenden Einwohnern, deren Häuser Olympiastätten oder neuer Infrastruktur weichen mussten. Im verschlafenen Bergdorf Akhshtyr wurden sogar Trinkwasserquellen zerstört und Verbindungsstraßen gekappt. Leute aus dem Dorf kamen nicht mehr zur Arbeit oder Schule. Das IOC wollte Schäden einzudämmen, hat die Dinge letztlich aber den russischen Institutionen überlassen, die sehr zurückhaltend agierten.
Es bleibt viel zu tun, um alles wieder gut zu machen. Wichtig und möglich ist aber auch, derlei im Olympiakontext künftig zu verhindern. Sogar dem IOC scheint das klar zu sein. Weniger als ein Jahr nach Sotschi hat IOC-Präsident Thomas Bach Reformen eingeleitet, die Hoffnung auf Wandel wecken. Für Olympische Spiele von 2022 an sollen sich die ausrichtenden Städte vertraglich zu stärkerem Umweltschutz, zur Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und zu diskriminierungsfreiem Handeln verpflichten.
Natürlich hängt der Erfolg davon ab, wie konsequent das IOC die neue Strategie verfolgt. Es muss die volle Verantwortung dafür übernehmen, dass im Olympia-Kontext Menschenrechte gewahrt werden – und es muss auf Verstöße reagieren. Das gilt schon für die Sommerspiele in Rio in einigen Wochen. Auch die FIFA sollte sich der Menschenrechte annehmen, nicht zuletzt weil Russland die Fußball-WM 2018 austrägt. Nur wenn internationale Sportverbände ihre Haltung korrigieren, kann Sotschis schweres Erbe auch eine positive Seite haben.
Jane Buchanan ist bei Human Rights Watch für Europa und Zentralasien zuständig und hat von 2009 bis 2014 die Recherchen der Organisation zu den Menschenrechtsverletzungen bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi geleitet.
buchanj@hrw.org