Sommer-Special

Hommage an einen ermordeten König

Eine Ausstellung in Hamburg über die deutsche Kolonialzeit in Kamerun setzt sich mit Widerstand, Rassismus und Erinnerungskultur auseinander. Dieser Beitrag ist der siebte unseres diesjährigen Sommer-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Die drei Hauptpersonen der Ausstellung. Anke Schwarzer Die drei Hauptpersonen der Ausstellung.

Eine großformatige Graphic Novel zieht sich an den Wänden entlang, schlängelt sich vorbei an Verträgen und Briefen, an alten Porträtfotos und neuen künstlerischen Werken. Sie umkreist hölzerne Tange, den Bootsschmuck der Küstenbewohner Kameruns, und eine Kaba, ein Kleid der Ngondo-Feierlichkeiten aus dem Besitz der Königinmutter Delphine Duala-Bell: Die Sonderausstellung „Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“ im Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) behandelt die deutsche Kolonialzeit in Kamerun.

„Meines Wissens ist die Ausstellung die erste große öffentliche Hommage an den kamerunischen König Rudolph Douala Manga Bell in Deutschland“, sagte Princess Marilyn Douala Bell, die bei der Ausstellungseröffnung im April per Video zugeschaltet war. Laut der Urenkelin von Rudolf Duala Manga Bell könnte die Ausstellung, die auch in Kamerun gezeigt wird, zu einer Brücke des Dialogs werden.

Ins Gespräch soll das Publikum in Hamburg und Douala kommen. Douala ist die größte Stadt Kameruns und ist nach dem Volk der Duala benannt. Die Schau, entworfen als Ort für Jugendliche und Familien, soll auch generationenübergreifend wirken. MARKK-Direktorin Barbara Plankensteiner sagt: „Gerade die Kinderprogramme unseres Museums haben in der Vergangenheit exotische Vorstellungen von Menschen anderer Kulturen befördert.“ Da das Thema Kolonialismus in der Schule wenig Raum finde, sei es ein besonderes Anliegen, das Thema für Jugendliche ab zehn Jahren aufzubereiten.

Aktivitätspunkte laden zum Mitmachen und Nachdenken ein. Junge Hamburger Künstler zwischen 18 und 27 Jahren präsentieren ihre Arbeiten, darunter zum Beispiel eine Installation von Laurel Chokoago, die einen verformten Kunststoffstuhl mit dem durchgestrichenen Titel „A Seat At The Table“ zeigt und die Bedeutung beleuchtet, einen Platz am Entscheidungstisch zu bekommen – oder nicht.

Facettenreiche Objekte und historische Dokumente erzählen die in Deutschland weithin vergessene Geschichte des jungen Königs Rudolf Duala Manga Bell. Er stammte aus einer Händler-Dynastie, die bis 1840 auch am Handel mit versklavten Menschen beteiligt war, später aber vor allem durch den Handel mit Palmfrüchten zu Reichtum kam. Palmöl war ein begehrter Rohstoff in Zeiten der europäischen Industrialisierung. Führende Vertreter der Duala, darunter auch Rudolf Duala Manga Bells Großvater, unterzeichneten 1884 einen Vertrag mit ihren deutschen Handelspartnern. Sehr schnell wurden die Deutschen allerdings vertragsbrüchig. Führende Duala beschwerten sich 1892 über Ungleichbehandlung und Prügelmaßnahmen. Doch ohne Erfolg: Wenige Jahre später begannen die Eroberungskriege der deutschen Kolonialarmee.

Auch eine Delegationsreise nach Berlin, an der Rudolf Duala Manga Bell teilnahm, brachte keine Verbesserung. Schlimmer noch, am 8. August 1914 richteten deutsche Kolonialbeamte ihn und weitere Widerstandkämpfer hin. Der in Hamburg lebende nigerianische Künstler Karo Akpokiere lässt Rudolf Duala Manga Bell am Ende der Graphic Novel sagen: „Unschuldiges Blut hängt ihr auf. Umsonst tötet ihr mich.“

Zu den Hauptpersonen der Ausstellung gehören auch Adolf Ngoso Din, der 1914 zusammen mit Rudolf Duala Manga Bell von den Deutschen gehängt wurde, sowie Maria Mandessi Bell, Dins Verlobte, die als Schülerin einige Zeit im Deutschen Reich bei einer Pastorenfamilie gelebt hatte.

Die Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag zur Debatte rund um Hamburgs koloniales Erbe. Das MARKK, das sie zeigt, ist als ehemaliges Völkerkundemuseum eng verknüpft mit der kolonialen Expansion. So thematisiert die Sonderausstellung nicht nur das koloniale Agieren der Hamburger Unternehmer Woermann, Jantzen und Thormählen, die mit Elfenbein, Kautschuk, Palmöl und Kakao reich wurden. Sie stellt auch Objekte aus, die von Kaufleuten unter unklaren Bedingungen in Kamerun erworben und dann dem Museum geschenkt oder verkauft wurden, etwa einen geschnitzten Zeremonienstab.

Fragen rund um Herkunft, Urheberschaft und die Restitution von Objekten aus der Kolonialzeit durchziehen die Schau. Zudem wirft sie die Frage rund um die ausstehende Rehabilitierung Rudolf Duala Manga Bells auf. Die Anklage lautete damals auf Hochverrat. Doch obwohl nie Beweise dafür auftauchten, wurde dieses Kapitel der Kolonialgeschichte in Deutschland bis heute nicht aufgearbeitet.

„Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“ berührt viele wichtige Ebenen. Die Ausstellung ist umfangreich und wirkt manchmal sehr dicht, fast so, als müssten alle Aspekte kolonialer Gewalt, die lange Zeit vergessen und verklärt wurden, auf einen Schlag behandelt werden. Gleichwohl ist es gerade wegen der unablässigen Ignoranz kein leichtes Unterfangen, Geschichte und Gegenwart der deutschen Kolonialzeit in Kamerun auf dekoloniale Weise zu veranschaulichen. Die vielstimmige Ausstellung ist gemeinsam mit internationalen Partnern aus Wissenschaft, Kunst und Zivilgesellschaft entstanden, läuft bis Ende 2022 und wird dann auch in Kamerun zu sehen sein.


Ausstellung
Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell? 14. April 2021 bis 31. Dezember 2022. Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt.
https://markk-hamburg.de/ausstellungen/hey-hamburg/


Anke Schwarzer ist freiberufliche Redakteurin und arbeitet als Dozentin in der historisch-politischen Erwachsenenbildung.
hallo@ankeschwarzer.com